Anti-Atom-Radtour am 17.08.22 von Speyer nach Karlsruhe

Die von .ausgestrahlt und den örtlichen Bürger*inneninitiativen organisierte und durchgeführte Anti-Atom-Radtour führt am 17.08.22 von Speyer nach Karlsruhe.

Hier dokumentieren wir die Redebeiträge von Harry Block am AKW Philippsburg und am KIT Nord.

Wir, die ‘Anti-Atom Initiative Karlsruhe‘, die ‚BI Müll und Umwelt‘, der ‚BUND Karlsruhe und Mittlerer Oberrhein‘ sowie GREENPEACE begrüßen euch herzlich an der teuersten Baustelle der EnBW. Vorne läuft der Milliarden teure Abriss der Vergangenheit von zwei Atomreaktoren und hinten der Neubau des größten Konverters der Republik für über 500 Millionen Euro.

Bis Ende 2019 war der Druckwasserreaktor (Block 2), bis 2011 der Siedewasserreaktor (Block 1) am Netz. Seit 1979 war der Normalbetrieb der Reaktoren die eigentliche Katastrophe. Billionen Becquerel Tritium, das nicht zurückgehalten werden kann, flossen in den Rhein, Billionen Becquerel an radioaktiven Gasen wie Jod 131 gingen über die Kamine in die Atmosphäre.

Noch in der Nachbetriebsphase sind meldepflichtige Ereignisse wie Störung um Notstromsystem wie im Januar 2022 möglich. 2001 ereignete sich der schwerste Störfall: Bor, das zu Steuern des Reaktors notwendig ist, wurde zu wenig eingegeben, so dass die Gefahr einer unkontrollierten Kettenreaktion und damit eines Supergaus bestand. Der Reaktor wurde daraufhin für Monate stillgelegt.

Da drüben arbeitet das Reststoffbearbeitungszentrum (RBZ), wie sie verniedlichend eine Atommüllfabrik nennen. Daneben das Standort-Abfalllager für mittelaktivem Atommüll – mittelaktiv heißt: Steht ihr eine Stunde neben einem solchen Fass, dann seid ihr tot. Und es gibt einen Kamin, der trotz bester Filter radioaktive Stoffe an die Umgebung abgibt. Das Standort-Abfalllager für hochradioaktive Stoffe, also die 65 Castoren, unterliegt seit 2020 der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) als neue Betreiberin, und damit zahlen alle Kosten der Lagerung aller Atomstandorte wir SteuerzahlerInnen.

Radioaktivität lässt sich auch an diesem Standort nicht einfach abschalten. Seit 2019 ist Philippsburg 2 abgeschaltet. Gefahr vorbei? Weit gefehlt. Es produziert zwar keinen Atomstrom mehr, das gesamte radioaktive Inventar – 840 Brennelemente, also 151 Tonnen Uran – ist aber noch im Reaktor vorhanden. Er braucht heute 30 Megawatt Strom zur Kühlung der sich noch in den Abklingbecken befindlichen hochaktiven Brennelemente. Sie werden wohl im nächsten Jahr in Castoren verpackt und ins hochaktive Zwischenlager des Bundes gebracht werden.

Dieses Zwischenlager soll schon seit vielen Jahren gehärtet werden, weil es nur Betonmauern von rund 80 cm besitzt. Es ist bist 2047 genehmigt und bis heute nicht gegen Einwirkungen von außen – sprich Terroranschläge – geschützt. Es ist derzeit mit 65 Castoren gefüllt. Es werden noch 5 Castoren mit hochradioaktivem Material aus La Hague hinzukommen.

Unsere Fahrt war als endgültige Ausstiegsfahrt geplant, nun heißt es auch schon bei einigen Grünen: „Atomkraft – ja bitte“. Oh, nein, dafür und für Kriege habe ich 1980 die GRÜNEN nicht mitbegründet und bin deshalb auch nicht mehr Mitglied.

Haben wir jahrzehntelang die Bevölkerung damit belogen, dass Atomkraftwerke gefährlich sind, wenn man ihre Sicherheitskontrollen nicht periodisch durchführt? Schon 2019 wurden für die drei jetzt noch laufenden Atomkraftwerke die Kontrollen ausgesetzt. Dies wird nun völlig aufgehoben. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Atomtechnologie eine Risikotechnologie darstellt. Das Urteil scheint vergessen, genauso wie die von uns immer genannte Terrorgefahr, die nun im Kriegsgebiet um die ukrainische Atomanlage Sapronischschja eine mir bisher nicht gekannte Gefahr der friedlichen Nutzung der Atomenergie aufzeigt. Die Gefährlichkeit eines Atomkraftwerkes durch Beschuss wurde noch nie betrachtet und wird uns nun vor Augen geführt.

Unsere Absicht, eine Fahrt in die neue Welt der regenerativen Energien zu machen, wurde durch die ´Streckungsdebatte´ zunichte gemacht. Es ist nun eine Protestfahrt. Die teuerste und gefährlichste Form, heißes Wasser zu erzeugen, soll nach der Ansicht von CDU, FDP und AfD nicht nur für einen gewissen Notfallzeitraum gestreckt, sondern sogar wieder reanimiert werden. Diese Meinung unterstützt mit angeblicher wissenschaftlicher Fundierung auch der Lobbyistenverband TÜV Süd mit einem läppischen Gutachten für Isar 2. Die noch in Betrieb sich befindlichen Atommeiler laufen seit 3 Jahren mit einem Sicherheitsrabatt. Die durch Gesetz vorgeschriebenen periodischen Sicherheitsprüfungen wurden 2019 wg. der Stilllegung der Atomkraftwerke ausgesetzt.

Der für diesen Standort zuständige Aufseher heißt Niehaus. Der Atomaufsichtsbeamte hat an seine bayrischen Kollegeneinen in einem Brandbrief geschrieben: „Sie nehmen eine nicht mehr nachvollziehbare Beurteilung der Sicherheit vor, die den Grundsätzen der deutschen Aufsichtspraxis in allem widerspricht. Zu diesen Grundsätzen gehört auch die gründliche Prüfung und Nachweise zu jeder Zeit.“ Die EnBW äußerte sich hierzu, dass ein Weiterbetrieb nur sinnvoll wäre, Zitat: “wenn entweder die Prüftiefe der Sicherheitsanalyse verringert werden und oder auf weitreichende Maßnahmen verzichtet würden“ Und natürlich müssten alle entstehenden Kosten vom Bund getragen werden.

Wir sagen der EnBW und der Politik: Bei der Sicherheit von kerntechnischen Anlagen darf es in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland nie Kompromisse geben. Die Sicherheit der Stromversorgung darf nie schwerer wiegen als die Sicherheit der Bevölkerung.

Das ist ein Rückfall nicht nur in die Zeit vor dem Atomausstieg, sondern in die finstersten Sechzigerjahre. So tief darf unser Land nicht sinken. Deshalb werden, wenn ein Weiterbetrieb erlaubt werden sollte, wir nicht nur demonstrieren, sondern der BUND und GREENPEACE werden dagegen klagen.

Ganz da hinten, wo die Kühltürme standen, wird der größte deutsche Konverter mit 2000 MW gebaut. Er wäre ein Teil der sicheren Versorgung Süddeutschlands mit Windstrom aus der Nordsee, wenn, ja wenn diese Gleichstromleitung nicht im Augenblick im Braun- und Steinkohlerevier in Kaarst enden würde. Der eine Fehler, die Atomenergie, wird hier gerade abgerissen. Gleichzeitig zementieren wir mit zigtausenden Tonnen Beton auf mehr als 20 Fußballfeldern die Energiewende mit einem 500 Millionen teuren Konverter ein. Hier wird heute wieder ein falsches Signal in Philippsburg gesetzt. Mit Unterstützung einer grünen Landesregierung und eines Gemeinderates, der mit zigtausenden Euro jährlichen Steuern rechnet, baut die EnBW eine vollautomatische Großanlage. Das Projekt ist nicht dezentral, regenerativ und schon gar nicht bürgerbeteiligt. Der Konverter unterstützt den alten Gigawattwahn der Energiemonopolisten. Er nützt nur den großen Netz- und Energieraubrittern wie der EnBW, die nur noch mit Netzentgeldern Profit machen können. Dieser Bau mit all seinen dazu notwendigen Stromleitungen ist ein Tiefpunkt einer immer noch falschen Energiepolitik. Ein Bewusstseinswechsel zum Stromsparen und für eine alternative Energie- und Mobilitätswende wird mit diesem Ausbau nicht erreicht.

Nachhaltig und klimaschonend sind nur die regenerativen Energien, und für die radeln wir heute.

Wir stehen hier am Geburtsort der deutschen Atomwirtschaft und Atomforschung.

Das ehemalige Kernforschungszentrum Karlsruhewurde – in einer sehr komplizierten Rechtsform – zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT Nord), einem Teil der ehemaligen UNI Karlsruhe.

Das Kernforschungszentrum wurde 1956 unter dem Atomminister Strauß gegründet. Es war das billigste Forschungslabor für Siemens Atomwirtschaft. Über viele Jahrzehnte liefen mehrere Forschungsreaktoren. Darunter den Forschungsreaktor 2 (FR 2), der heute als Museum dient. Und der Mehrzweckforschungsreaktor MFZR, der erste in Eigenbau realisierte deutsche Natururanreaktor, der gegen dem Willer der USA sich in Südafrika, Brasilien zusammen mit der hier entwickelten Anreicherungstechnologie gut für den Bau von Atomwaffen eignet. Viel Wissenschaftler aus Atomwaffenstaaten wie Pakistan, Indien etc. wurden hier in der Atomtechnik ausgebildet. In diesem Zentrum war alles vorhanden, was für eine Atomwaffe notwendig ist. ‚Besser‘ als eine Uranbombe wie die auf Hiroshima war eine Plutoniumbombe wie die auf Nagasaki. Dafür braucht man einen Reaktor, der waffenfähiges Plutonium erzeugen kann. Er wurde hier als der Brutreaktor-Prototyp „Kompakte Natriumgekühlte Kernreaktoranlage“ (KNK II) gebaut. Er war das Vorbild für den nie in Betrieb gegangenen Brüter in Kalkar. Der erste Brüter am Standort hatte kurz vor seiner Beladung mit seinen Plutonium-Brennstäben einen Natriumbrand. Der KNK 2 wurde von der Atomaufsicht abgeschaltet. Begründung: der Umgang mit radioaktiven Stoffen wird eingestellt, wenn sich daraus „Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter ergeben können“. Genau das fordern wir seit Jahren nicht nur für den EnBW Schrottreaktor in Neckarwestheim, sondern für alle Atommeiler.

In diesem Zentrum wurde der Januskopf der sogenannten friedlichen Nutzung der Atomenergie deutlich. Dies haben wir schon in den 80iger Jahren in einem Film (Bombenwahn) dargestellt: Brüter für das Plutonium, Wiederaufarbeitungsanlage für die Entnahme des Plutoniums, Tritiumlabor für den Zünder, Heiße Zellen zum Zusammenbau. Natürlich arbeiteten sie nicht an einer Bombe – aber Deutschland hätte die Möglichkeit gehabt, und um das ging es.

In der WAK hier wurde die Technologie erprobt, die später einmal im bayerischen Wackersdorf kommerziell genutzt werden sollte. In Wackersdorf kam diese Technologie jedoch nie zum Einsatz, weil der Widerstand der Bevölkerung zu stark war. 1991 war in Karlsruhe Schluss mit der Wiederaufarbeitung von Brennstäben. Über 1000 Kilo Plutonium wurden aus den Brennelementen gewonnen. Es gibt rund 3000 radioaktive Substanzen. In einem Atomreaktor entstehen etwa 500. Die blieben nach der Entnahme von uran und Plutonium in 70.000 Liter hochradioaktiven Flüssigabfälle, „High Activ Waste Concentrate“. Diese wurden zwischen September 2009 und November 2010 in der eigens dafür gebauten Verglasungsanlage (Baukosten 2 Milliarden) bearbeitet, verglast und in sogenannte Kokillen gefüllt. Diese, immer noch hochradioaktiv, wurden dann in Castor-Behältern 2011 nach Lubmin gebracht.

Und Heute:

Der Rückbau der kerntechnischen Versuchsanlagen erfolgt durch die Bundesfirma „Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH (KTE)“. Über 1.000 Beschäftigten sind mit dem Abriss der Atomreaktoren und der WAK beschäftigt – bisher sind über 3 Milliarden ausgeben und erst rund 30 % zurückgebaut – dies alles auf Kosten von uns SteuerzahlerInnen. Im Moment lagern rund 70.000 Fässer strahlendes Material im schwachradioaktivem Zwischenlager in Karlsruhe. Hunderte sind verrostet und müssen neu verpackt werden, wenn sie ins sogenannte Endlager nach Schacht Konrad gebracht werden sollen. Es existieren noch 2 Lager für mittelaktiven Atommüll, eines neu gebaut und mit 2 m dicken Betonwänden und aufwändigen Stahlkonstruktionen gegen die denkbaren Einflüsse von außen geschützt (Krieg und Terror natürlich nicht). Über 6500 Fässer liegen in dem streng bewachten Bereich.

Neben der der WAK befindet sich das Karlsruher Joint Research Center (JRC). Hier ist die gesamte EU-Atomwissenschaft zusammengefasst.

Es hieß früher Institut für Transurane (KIT).

Ein wesentlicher Teil ihrer Forschungsaufgaben (Abt. 5: Nukleare Forschung und Anwendung) befasst sich mit den Brennstoffen für neue Atomreaktoren der sogenannte 4. Generation. Dafür haben sie die Genehmigung für 180 kg Plutonium, hunderte Kilo auch waffenfähiges Uran und alle anderen radioaktiven Substanzen im Kilogrammbereich. Ein neuer riesiger Hochsicherheitsbau, das Gebäude M, befindet sich vor der Fertigstellung. Das JRC entwickelt kleine Brennstäbe, die in Frankreich oder England in Reaktoren eingesetzt und dann wieder zu Untersuchung ins JRC zurückgebracht werden. Ausgerechnet das Joint Research Center (JRC) wurde mit einem Bericht beauftragt, der das Greenwashing durch ein Gefälligkeitsgutachen für die Atomindustrie in der EU ermöglichte. In der darauf fußenden Taxonomie-Entscheidung hat die EU-Kommission hat also den Atom-Bock zum Umwelt-Gärtner gemacht. Das JRC-Gutachten untersuchte weder die möglichen katastrophalen Folgen eines Atomunfalls, noch berücksichtigte es die Risiken der Verbreitung von Kernwaffen.

Wir beobachten mit Sorge, dass Atomkraft-Befürworter auf das Vergessen und Verdrängen setzen und nun wieder unverhohlen Propaganda für den angeblichen sauberen Atomstrom durch Leserbriefe hier in Karlsruhe machen – leider auch in den öffentlich-rechtlichen Medien. Die Realität der laufenden wie der stillgelegten Atommeiler hier, der Krieg in der Ukraine und die notwendige Entsorgung des hochaktiven Atommülls entlarven täglich die Argumente der Befürworter als fake news. Aber die Forschung, Werbung und Bestellung vor allem von kleinen sogenannten ‚small reactors‘ nimmt gerade Fahrt auf und wird leider nicht nur von Bill Gates, sondern auch von der AfD und der FDP sowie hier in einem Institut des KIT und dem JRC befeuert. Dagegen müssen wir mit Argumenten angehen und auch wie wir heute demonstrieren. Robert Jungk („Heller als tausend Sonnen“) hat 1986 genau hier gestanden und den Menschen erklärt, was es heißt, in einem „Atomstaat´ zu leben. Er hat damals geschrieben und hier gesagt:

„Mit der technischen Nutzbarmachung der Kernspaltung wurde der Sprung in eine ganz neue Dimension der Gewalt gewagt. Zuerst richtete sie sich nur gegen militärische Gegner. Heute gefährdet sie die eigenen Bürger. Denn ´Atome für den Frieden´ unterscheiden sich prinzipiell nicht von ´Atomen für den Krieg´. Die erklärte Absicht, sie nur zu konstruktiven Zwecken zu benutzen, ändert nichts an dem lebensfeindlichen Charakter der neuen Energie. Die Bemühungen, diese Risiken zu beherrschen, können die Gefährdungen nur zu einem Teil steuern. Selbst die Befürworter müssen zugeben, dass es niemals gelingen wird, sie ganz auszuschließen. Der je nach Einstellung als kleiner oder größer anzustehende Rest von Unsicherheit birgt unter Umständen solch immenses Unheil, dass jeder bis dahin vielleicht gewonnene Nutzen daneben verblassen muss.“

(Der Atomstaat, Ausgabe 1984, S. 9).

Sicher und nachhaltig sind nur regenerative Energien, an denen auch in diesem Zentrum gearbeitet wird. Das vom Bund mit 90 % und dem Land mit 10 % geförderte Zentrum gibt aber den Löwenanteil seiner Fördergelder nicht für regenerative Energien, sondern für die Fusionsforschung aus.

„Die Sonne nachahmen“, das klingt natürlich sehr verführerisch. Wenn Befürworter der Kernfusion zugeben, dass bezüglich der friedlichen Nutzung der Fusion noch entscheidende Fragen offen sind, so weckt das Wörtchen „noch“ Hoffnung und rechtfertigt sozusagen großzügige staatliche Förderungen, auch im KIT. 

Es wäre tausendmal besser, die Finger von der Kernfusion zu lassen, sich somit neue Probleme mit der dabei entstehenden Radioaktivität zu ersparen. Stattdessen fordern wir, im KIT Nord nur noch in den Bereichen erneuerbare Energie und Energieeffizienz zu forschen und dies zu fördern. Dieses Zentrum beweist mit seinen Abrisstätigkeiten und radioaktiven Lagern täglich, dass die sogenannte kostengünstige friedliche Atomenergie ein gefährlicher und sauteurer Irrtum in der Energieerzeugung in Deutschland war. Das Zentrum sollte zum Vorreiter bei der Entwicklung effizienter, nachhaltiger und kostengünstiger regenerative Energieerzeugungsanlagen werden. Vor allem deshalb stehen wir heute hier auch an diesem Ort.

Zum Song von Patty Smith „People have the power“ führ die Anti-Atom-Radtour auf dem Karlsruher Marktplatz ein und wurde lautstark begrüßt.