Fukushima – Jahrestag 2024 in Neckarwestheim

NWH Plakate

Sonntag, 10. März 2024, 14:00 Uhr
Kundgebung am AKW Neckarwestheim – Info und Protest

Zum Fukushima-Jahrestag ruft das Aktionsbündnis zu einer Kundgebung vor den Neckarwestheimer Atomanlagen auf
Seit vielen Jahren finden immer Jahrestags-Kundgebungen bzw. Demos zum AKW Neckarwestheim statt – trotz Abschaltung des AKWs ist für uns das Thema Atom und Energiewende auch jetzt noch lange nicht vorbei!
Deshalb finden unsere Kundgebungen weiter statt!In diesem Jahr rufen wir zu einer Kundgebung (nicht Demo) ab 14:00 Uhr direkt auf dem Parkplatz vor dem AKW auf!

Kundgebung am 10. März 2024:

Aufruf zur Mahnwache am KIT Nord am 11.03.24

Aufruf zur Mahnwache am Montag 11.03.2024
von 11.00-12.00 am KIT Campus Nord bei Leopoldshafen

Keine weitere Brennstoffforschung am Joint Research Centre Karlsruhe (JRC) auf dem Gelände des KIT Nord.

Unter dem Schutzschild von Politik und Aufsichtsbehörden wird am EU Joint Research Centre am KIT Campus Nord weiterhin in alten Anlagen, die gegen Terror ungesichert und ohne Erdbebenschutz sind, an geheim gehaltenen Umgangsmengen von Plutonium, Uran, Thorium und anderen radioaktiven Stoffen Atomforschung betrieben und weiter Atommüll produziert.

Das Maß ist voll !

Wir haben 6 sogenannte Zwischenlager mit Atommüll und die Atomruinen aus 60 Jahren Atomforschung vor unserer Haustüre, die beim Abriss und Lagerung nach wie vor für radioaktive Emissionen sorgen.Wir haben die verseuchten Böden und der Gewässer vor unserer Haustüre, die nicht saniert wurden.

  • Wir akzeptieren die Geheimniskrämerei um die Umgangsmengen von Plutonium, Uran, Thorium und anderen Stoffen vor unserer Haustüre nicht mehr.
  • Wir haben das durch keinerlei Fakten getrübte Geschwätz der Atomlobbyisten von der nachhaltigen, billigen und sauberen Atomenergie satt!
  • Wir kennen die Argumente des JRC, man forsche nur an Sicherheitsfragen und Enttarnung von Atomschmuggel, oder zu medizinische Zwecken, aber der Rest wird verschleiert oder sogar verschwiegen:

Für alle auch nützlichen nuklearen Forschungsbereiche braucht man keine Genehmigung für radioaktives Material wie 80 kg Plutonium, 825 kg Uran, 450 kg Thorium und andere radioaktive Stoffe!

  • Wir fordern den Bund und das Land Baden Württemberg auf, in der EU darauf zu drängen, die Weiterführung der Forschung an neuen Brennstoffen für neue Atomreaktoren für die Länder die weiter auf Atomkraft setzen, sofort in Karlsruhe zu beenden!

Nach 60 Jahren ist wg. JRC und wg. Abriss der Wiederaufarbeitungsanlage, dem Schnellen Brüter, dem MZFR, der Heißen Zellen … die radioaktive Belastung unserer Region immer noch nicht beendet.

Deutschland ist aus der Atomenergie ausgestiegen!!!
Wir wollen keinen weiteren Atommüll aus dem JRC!

Brigitte u. Lothar Schilli, Anti Atom Initiative Karlsruhe, BUND

Aktueller Sachstand: Behandlung und Lagerung von radioaktivem Atommüll im KIT Nord

Im KIT Nord wird von der Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe (KTE) mit rund 700 MitarbeiterInnen bis 2072 das immer noch hochgefährliche Erbe des Atomzeitalters im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe ´zurückgebaut´.

Am 14. Dezember wurde in einer informativen Veranstaltung vom KTE, dem KTE-Forum, der Stand von der Behandlung und der Lagerung der radioaktiven Abfälle vor Ort und im geplanten ´Endlager´ für leicht und mittelaktiven Atommüll in Schacht Konrad in Gegenwart und Zukunft vorgestellt.

Das größte deutsche Zwischenlager für schwach radioaktiven Atommüll (u. a. Abfälle vom Rückbau wie Elektro- und Metallschrott und Bauschutt) im KIT Nord ist nun mit 78.000 Fässern fast vollständig gefüllt. Rund 8 % der untersuchten Fässer sind verrostet und müssen mit großem technischen und personellen Aufwand ´umverpackt´ werden. Auch im Lager für mittelaktiven Atommüll (Abfälle mit höherer Strahlung aus der Nähe des Reaktorkerns oder aus der Wiederaufarbeitungsanlage) wurden von den dort gelagerten 6.500 Fässern acht beschädigte Fässer gefunden.

Der uns gegebene Einblick in das aktuelle Abrissgeschehen auf dem Gelände macht deutlich, dass die Herausforderungen in den verschiedenen Abrissprojekten (Schneller Brüter, Mehrzweckforschungsreaktor, Heiße Zellen oder Wiederaufarbeitungsanlage) sehr verschieden und zum Teil nicht nur radiologisch, sondern auch technisch sehr herausfordernd sind. Redet man bei Abriss von Atomkraftwerken wie Philippsburg oder dem Mehrzweckforschungsreaktor im KIT von einer radioaktiven Strahlung im Millisievert-Bereich, so steigt diese in der seit über 20 Jahre stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage (WAK) auf mehre 100 Sievert an (tödliche Strahlendosis liegt bei 5-7 Sievert). Dies stellt die KTE vor die sehr schwierige Aufgabe, diese tödlichen Strahlungsbereiche fernhantiert zu zerlegen und ´sicher´ in Lagerbehälter zu verbringen. Deshalb ist das geplante Ende der Abrissarbeiten auch erst im Jahre 2072 zu erwarten und wird bis dahin rund 12 Milliarden Euro gekostet haben. Auch dies gehört zur Bewertung der angeblich so billigen Atomenergie, deren Entsorgungskosten heute uns alle auf die Füße fallen.

Die Ausführungen von Herrn Dr. Lautsch (Technischer Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)) über den Stand der Errichtung des ´End´lagers Schacht Konrad waren technisch interessant. Er war optimistisch, dass bis Ende 2029 das Lager seinen Betrieb aufnehmen könnte und dann ein Drittel des Lagervolumens von rund 303.000 m3 mit radioaktiven Material aus Karlsruhe belegt werden kann. Allerdings ist es im Fall Schacht Konrad (wie bei der Schachtanlage Asse) auch nur eine Frage der Zeit, bis der eingelagerte Atommüll Kontakt zu Grundwasser führenden Schichten hat und strahlende Nuklide in die Umgebung ausgeschwemmt werden. Deshalb sehen wir den Standort Schacht Konrad als nicht sicher und nachhaltig für die Entsorgung von radioaktiven Abfällen an.

Am 12.12.2023 hat Bundesumweltministerin Lemke bekanntgegeben, dass das geplante Atommüll-Zwischenlager in Beverungen-Würgassen nicht gebaut wird. Geplant war, auf dem Gelände des ehemaligen Atomkraftwerkes Würgassen das sogenannte Zentrale Bereitstellungslager „Logistikzentrum Konrad“ (ZBL LoK) zu errichten. Dort sollte ab 2027 Schwach- bis mittelradioaktiver Atommüll aus Deutschland gesammelt und vorsortiert werden, ehe er in das Endlager Schacht Konrad im über 100 Kilometer entfernten Salzgitter transportiert wird. Stattdessen soll der Atommüll nun direkt nach Salzgitter geliefert werden. Das wird auch zeitliche Folgen für alle Planungen des KTE in Karlsruhe mit sich bringen, den Atommüll nach Niedersachsen zu bringen,

Geplant ist, dass über einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren der Abtransport der endlagerfähigen Gebinde aus dem KIT Nord nach Schacht Konrad dauern wird. 33 Züge pro Jahr mit je 6 Waggons sollen dann, auch auf Karlsruher Straßenbahnschienen, durch Karlsruhe Richtung Norden fahren. Im Augenblick gibt es noch kein genehmigtes Abfallgebinde mit radioaktivem Material, weil Dokumentation und Vorbereitung außergewöhnlich komplex und zeitaufwändig zu sein scheinen.

Diese Abrissarbeiten machen deutlich, dass mit dem Ende der friedlichen atomaren Nutzung nicht die Probleme dieser Hochrisikotechnologie beendet sind. Ganz im Gegenteil. Der Abriss stellt nicht nur für die MitarbeiterInnen eine körperliche Belastung dar, sondern auch für die Umwelt, weil radioaktive Emissionen auch mit den besten Filtern, die im KIT zum Einsatz kommen, nicht vollständig beseitigt werden können.

Ein Dank gebührt auch von uns den MitarbeiterInnen des KTE für ihre schwierige und auch körperlich herausfordernde Arbeit sowie ihrer bisherigen, auf Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit achtende Chefin Frau Graffunder, die zum Ende des Jahres als Chefin zur Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) wechselt.

Nuklearbrennstoffentwicklung in Karlsruhe vor dem Aus?

Medienmitteilung Karlsruhe, 16.11.2023

Neuigkeiten aus dem Joint Research Centrum Karlsruhe (JRC, ehemals ITU = Institut für Transurane) auf dem Gelände des KIT Nord (ehemals Kernforschungszentrum Karlsruhe).

Benutzung der sicheren Lager- und Forschungsstätte: Flügel ‚M‘ in JRC wird sich um einige Jahre verzögern.

Das JRC vereinigt am Standort Karlsruhe den größten Teil der ‚Forschung und Anwendung‘ der europäischen Gemeinschaft in Sachen Atom.

Genehmigt sind dort die Lagerung von vielen radioaktiven Stoffen in erheblichen Mengen: 180 kg Plutonium, 359 kg Uran, 450 kg Thorium, 30 kg Neptunium und und und … Das sind große Mengen Nuklearmaterial für eine Forschungseinrichtung. Sie bedürfen einer sicheren Lagerung. Diese sollte durch den Neubau des Flügels ‚M‘ sichergestellt werden.* Wir erwarteten beim Tag der Offenen Tür des JRC (14.10.2023), dass wir ein fertiggestelltes Gebäude besichtigen dürften. Weit gefehlt. Es sah fast genauso aus wie vor 3 Jahren. Nur auf den 2 m dicken Beton-Außenwänden war eine Verkleidung angebracht worden. Innen waren die Wände gestrichen, ansonsten fehlte die Innenausstattung völlig.

Die neue Chefin des JRC, Frau Dr. Engelmann, und ihre sehr kooperativen MitarbeiterInnen erklärten uns den Stand des Baus. Die Firma, die den Innenausbau durchführen sollte, hatte die Kosten erhöht, die von der EU so nicht mehr akzeptiert wurden. Der Vertrag wurde aufgelöst. Nun soll die Neuausschreibung der gesamten Inneneinrichtung des Gebäudes ‚M‘ noch im Dezember 2023 stattfinden. Die Lagerung der hochradioaktiven Stoffe im jetzigen Gebäude wird als besorgniserregend gesehen.

Das war aber nicht die einzige Überraschung für uns Mitglieder des BUND und der Anti-Atom-Initiative Karlsruhe. Unsere Kritik am JRC betraf immer vorwiegend der Forschung an ‚neuen‘ Brennstoffen für neue Atomreaktoren, die in den heißen Zellen (in diesen kann hinter dicken Bleiwänden mit radioaktiven Stoffen hantiert werden) des JRC durchgeführt wurden. Das Ergebnis sind ‚Brennstäble‘ (nur etwa 30 cm groß im Gegensatz zu echten Brennstäben von bis zu 3 m) mit einer neuen Art von Atombrennstoffen für neue Atomkraftwerke, die dann in ausländischen Atomkraftwerken zur Bestrahlung gebracht und dann weiter untersucht wurden.

Wir forderten seit vielen Jahren, diese Forschung in Karlsruhe einzustellen, weil Deutschland aus der Atomenergie ausgestiegen ist und somit keine Gefährdung durch radioaktive Transporte und radioaktive Emissionen von der Bevölkerung akzeptiert wird. Nun haben wir erfahren, dass die alten heißen Zellen des JRC ‚gesäubert‘ werden und vorhandenes Nuklearmaterial an die ‚Auftraggeber‘ zurückgesandt werden soll. Die Frage, ob in dem Neubau ‚M‘ neue heiße Zellen eingebaut werden und damit die Forschung an Brennstoffen fortgeführt wird, wurde von der Chefin des JRC nicht eineindeutig beantwortet. Wir hatten den Eindruck, dass die Entscheidung darüber in Brüssel noch nicht gefallen ist.

Anete Wellhöfer und Harry Block fordern die Bundes- und Landesregierung Baden-Württemberg auf, sich in Brüssel für die Einstellung dieses Forschungsbereichs in Karlsruhe einzusetzen.

Das wäre ein Gewinn für die anderen, wichtigen Forschungsbereiche des JRC am Standort Karlsruhe und vor allem ein Gewinn an Sicherheit für die Region, weil die Lagerung und Handhabung von so großen Mengen Nuklearmaterial nicht mehr notwendig wäre.

Anti-Atom-Initiative Karlsruhe, Anete Wellhöfer, www.anti-atom-ka.de, E-Mail: initiative@anti-atom-ka.de
BUND Karlsruhe, Harry Block, bund.karlsruhe@bund.net

*2011 war ein Mediationsverfahren mit unserer Beteiligung für den Flügel ‚M‘ durchgeführt worden.
Zur Erinnerung: Während dieses Mediationsverfahrens (12.9. – 21.11.2011) wurde deutlich, dass im ITU an Brennstoffen für neue Atomreaktoren (Generation IV) gearbeitet wurde. ITU-Chef Prof. Dr. Fanghänel („Nur wir können das“) wurde anschließend im JRC Brüssel Hauptberater für die Generation IV. Seine Nachfolgerin in Karlsruhe, Dr. Maria Betti, antwortete auf Nachfragen bei den Karlsruher Atomtagen lediglich: „Wir machen nur, was Brüssel sagt.“

Ansprechpartner: Harry Block, Phone: 0171 5359473, E-Mail: harryblock1@t-online.de

Protest vor dem JRC

Leopoldshafen 14.10.23
Redebeitrag von Brigitte Schilli

Mein Name ist Brigitte Schilli, mein Wohnort ist Leopoldshafen bei Karlsruhe, in unmittelbarer Nachbarschaft zum ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe, den Forschungsruinen aus 50 Jahre Atomforschung, den 6 Zwischenlagern für schwach- und mittelradioaktivem Atommüll. Vom Verschiebebahnhof nach der Asse und Lubmin sowie der alten Müllkippen und dem verseuchten Hirschgraben möchte ich gar nicht reden!

Hier ist die größte atomaren Entsorgungsfabrik Deutschlands, wie der Spiegel die Kerntechnische Entsorgung KTE genannt hat, hier wird der Atommüll verpackt und auch verbrannt.

Heutiger Anlass unseres Protestes ist der „Tag der offenen Tür des EU Joint Researche Center ehemals Institut Transurane hier auf dem Gelände des KIT Campus Nord.

Sie feiern heute 60 Jahre Fortschritt in die Unmenschlichkeit Zitat Robert Jungk! Während Deutschland den Atomausstieg beschlossen hat, mit Neckarwestheim am 15.April dieses Jahres das letzte AKW vom Netz ging, wird hier am EU Joint Research Center weiterhin ungebremst die von der EU den Steuerzahlern finanzierte Brennstoffforschung unter dem Deckmantel „Sicherheitsforschung“ für neue Brennelemente für Atomreaktoren der 4. Generation betrieben. Das heißt die Atomforschung für neue Reaktortypen geht hier vor Ort munter und unwidersprochen weiter, die radioaktiven Abfälle aber, das ist der eigentliche Skandal, bleiben laut Vertrag, hier

im nunmehr 6. Zwischenlager, in der 2023 in Betrieb genommenen, vom Land Baden-Württemberg den Steuerzahlern finanzierten sogenannten „Schacht Conrad Bereitstellungshalle“ inklusive der jährlichen Folgekosten von 200 Mio.€

Ihr seht es ist noch lange nicht vorbei!

Der Fortschritt in die Unmenschlichkeit wird weiterhin von FDP, CDU/CSU, AFD unter dem Schlagwort der „Technologieoffenheit“ propagiert!

Wir erheben heute unsere Stimmen !

Schluss mit der Forschung und Entwicklung neuer Reaktortypen, nicht mit Thorium, nicht kleine mobilen Reaktoren Small Modular Reaktors SMR die vor allem in Entwicklungsländer verkauft werden sollen.

Wir erheben heute unsere Stimme, dass dieses unvorstellbare Szenario, das die Welt weiter an den Abgrund führen würde niemals eintritt!

Wir sagen Schluss mit der weitere Atommüllproduktion hier vor Ort und weltweit, das Maß der atomaren Hinterlassenschaften und Zerstörungen durch Uranabbau, ist gestrichen voll!

Wir alle, aber hauptsächlich die nächsten Generationen zahlen die Zeche der lebensfeindlichen Atomenergie, die heute die eigenen Bürger*innen bedroht, denn Atome, so Robert Jungh unterscheiden sich nicht für den Frieden oder für den Krieg!

Brigitte Schilli 14.10.2023 Leopoldshafen

Abschied von Wolfram Treiber

Nachruf auf Wolfram Treiber (1954 – 2023)

Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg – ein Leben lang

Am 4.6.2023 ist unser Freund und Genosse Wolfram Treiber plötzlich und unerwartet gestorben. Noch zwei Tage zuvor hat er an einer Kundgebung gegen staatliche Repression

gegen Klimaaktivisten und Antifaschisten teilgenommen, an deren Organisierung er selbst mitgewirkt hat. Trotz seiner langen Erkrankung, die ihn körperlich belastete und einschränkte, blieb er sein ganzes Leben lang politisch aktiv, wollte sich weder von der Krankheit noch den politischen Verhältnissen unterkriegen lassen. Sich dem unmenschlichen kapitalistischen System entgegenstellen, immer an der Seite der Unterdrückten stehen und ein gutes Leben für ALLE erkämpfen war für ihn tägliche Aufgabe und Herausforderung.

Wolfram war Sozialist, Kommunist und dies immer mit einem Anteil Anarchismus. Er wollte die Welt grundlegend verändern, alle Verhältnisse umwerfen in denen der Mensch ein ausgebeutetes und unterdrücktes Wesen ist. Um die Verhältnisse zu verändern, sah er politische Organisierung als zwingend notwendig an. Dabei ging es ihm um die Schaffung von Organisationsstrukturen, die dazu beitragen, Menschen selbst zu ermächtigen. Eine neue Gesellschaft war für ihn mit Rätedemokratie, Menschlichkeit und Freiheitsrechten verbunden. Bürokratische Erstarrung, Organisation als Selbstzweck waren für ihn Feinde des revolutionären Prozesses. Er war seit seinen letzten Schuljahren politisch aktiv und auch politisch organisiert. Und wenn erforderlich, hat er Arbeitsstrukturen und Organisationen mit aufgebaut. In der Interventionistischen Linken (IL) sah er aktuell in der BRD den besten politischen Rahmen tatsächlich in politische Bewegungen einzugreifen und die notwendige Diskussion um die Perspektiven revolutionärer Politik und Aktion voranzubringen. Internationalismus war für Wolfram in diesem Zusammenhang nicht nur eine Frage der Solidaritätsbekundung, sondern Herausforderung für die Schaffung internationaler Zusammenarbeit und Vernetzungsstrukturen. Praktische internationale Solidarität bedeutete für ihn die Verpflichtung die Verhältnisse hierzulande anzugreifen und bei politischen Forderungen und Aktionen immer auch die Auswirkungen für die Menschen und Kämpfe im globalen Süden mitzudenken.

Die portugiesische Nelkenrevolution 1974 war ein wichtiger Punkt für seine weitere politische Entwicklung. Er verbrachte damals mehrere Wochen in Lissabon um die Ereignisse mitzuverfolgen, und sich an den internationalen Solidaritätsaktionen vor Ort zu beteiligen. Er lernte Spanisch um sich mit den Bewegungsaktiven in Lateinamerika besser austauschen zu können, lebte selbst mehrere Monate während der revolutionären Auseinandersetzungen in El Salvador. Die Entwicklungen in Lateinamerika und die Lehren aus den dortigen Kämpfen waren für ihn wichtige Bezugspunkte für theoretische Debatten zu linker Strategiebildung insgesamt wie auch zur Positionsfindungen in der Internationalismusarbeit. Konsequenterweise arbeitete er hier in der Kampagne gegen IWF und Weltbank und jahrelang im BUKO mit.

Seine ganze politische Lebenszeit hat sich Wolfram für den Schutz der Umwelt engagiert. Dies bereits zu Zeiten als dieses Thema für die meisten linken Organisationen noch kein Thema war oder als Nebenwiderspruch abgetan wurde. Er war von Anfang an in der Anti-Atom-Bewegung aktiv. Teilnahme an Demos wie in Brockdorf waren für ihn so selbstverständlich wie die Teilnahme auf dem Podium bei Diskussionsveranstaltungen zum Thema. Als aktives Gewerkschaftsmitglied beteiligte er sich an der Initiative „Aktionskreis Leben. Gewerkschafter gegen Atomstrom!“ Er beteiligte sich an Mobilisierungen zu „Castor schottern“, „Ende Gelände“, Lützerath, um nur einige für ihn wichtige Aktionen zu benennen. Zuletzt schrieb er Diskussionspapiere, Flugschriften und veröffentlichte Artikel zum Thema Verkehrswende als zentraler Ansatzpunkt im Kampf um Klimagerechtigkeit. Er hat dazu eine Vielzahl von Veranstaltungen bestritten, Redebeiträge auf Kundgebungen gehalten und das Thema bei Klimainitiativen eingebracht.

Ein weiterer Schwerpunkt war für Wolfram der Kampf gegen Rassismus in allen seinen Erscheinungsformen und für die Rechte von Geflüchteten. Es war ihm wichtig, daß dieses Thema immer mitgedacht wird z.B. in der Wohnungsfrage, bei Arbeitskämpfen. Gegen die aktuellen Pläne der Regierenden die Grenzzäune noch höher zu ziehen, Menschen noch schneller in Abschiebehaft zu nehmen, sogenannte weitere Rücknahmedeals auch mit Folterstaaten abzuschließen – die Liste der Grausamkeiten läßt sich fortsetzen – betonte er die Notwendigkeit von bundesweiten Schwerpunktaktivitäten und forderte eine Verknüpfung dieses Themas mit den aktuellen Diskussionen um notwendige Mobilisierungen gegen Kriegs-und Krisenpolitik. Wolfram hat sich immer gegen die Abschiebung von Geflüchteten engagiert, vor dem Abschiebeknast in Pforzheim und direkt am Flughafen demonstriert.

„Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!“ diese optimistische politische Grundhaltung war sein Lebensmotto. Mit seinem Wissen, seinen Vorschlägen und Engagement hat er uns immer wieder ermutigt. Wir haben politisch wie durch sein persönliches solidarisches Verhalten viel von ihm gelernt. Wolfram hätte nicht gewollt, daß wir nun verharren, rückwärts schauen, im gestern leben. Er hätte gewollt, dass wir in Gedanken an ihn weitermachen, tapfer, unverzagt – trotz alledem. So wie er es stets getan hat.

In Erinnerung

IL-Karlsruhe

Liebe Freund*innen, liebe Aktivist*innen, liebe Genoss*innen,

am 04.06. ist unser Freund und Genosse Wolfram Treiber unerwartet verstorben.

Wir sind alle sehr betroffen und traurig. Sein Tod reißt eine große Lücke bei uns und in der politischen Bewegung.

Wir begleiten ihn zum Grab am  Freitag 16.06. und treffen uns um 11:00 Uhr am Haupteingang des Hauptfriedhofes. Ihr könnt gerne politische Fahnen mitbringen, aber keine Parteifahnen.

Am 01.07.2023 werden wir von 17:00 bis 20:00 Uhr eine politische Gedenkfeier im großen Saal des Verdihauses (7tes OG) durchführen, um Wolfram als Menschen und politischen Aktivisten zu würdigen.

Solidarische Grüße,

IL Karlsruhe

April 2023, Abendessen Brigitte und Wolfram

Wolfram, Griechenlandurlaub

Nov. 2022, Wolfram und die Anti-Atom-Initiative Karlsruhe in Neckarwestheim

Ca. 2018, die Enten als Sybol des Neckar-Castorfrei Protestes, die Wolfram toll fand.

Rede von Harry Block, FFF am 15.09.2023 in Karlsruhe

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

4 Jahre sind es her, seit ich bei der Friday für Futur-Demo vor dem Staatstheater die damalige Karlsruher Energiewelt vor euch ausgebreitet habe. Gretas und eure Worte und Warnungen, unsere Demos zeigten Wirkung. Dennoch bin ich – wie sicher auch einige hier auf dem Platz – krisenerschöpft. Das verkorkste Heizungsgesetz sorgte dafür, dass viele Menschen in unserem Lande Klimaschutz als Zumutung empfinden. Auch ich habe Mühe, mit Extremwetter, Flucht, Krieg, Klimakatastrophen … Schritt zu halten, die sich praktisch im Wochentakt abwechseln. Die Welt scheint sich radikal verändert zu haben. Corona, der fürchterliche russische Angriffskrieg und die offensichtlichen Folgen der menschengemachen Klimaveränderung haben und werden auch bei uns in Karlsruhe und bei unserem Energiekonzern EnBW tiefe Spuren hinterlassen. Sie erschüttern die Grundfesten unseres Landes und verlangen nach Veränderung in der gesamten Umwelt, Verkehrs- und Energiepolitik.

Es sieht aber immer noch düster aus. Die derzeitige Lage der Karlsruher Energiewelt ist fast noch stärker auf fossiler Strom- und Wärmebereitstellung ausgerichtet als vor vier Jahren.

Die beiden Kohleblöcke der EnBW (RDK 7 und RDK 8) haben im letzten Jahr doppelt soviel Kohlendioxid ausgestoßen als im Vorjahr: über 4 Millionen Tonnen. Sie waren 2022 länger am Netz. Sie haben dazu beigetragen, den höchsten Gewinn der EnBW in ihrer Geschichte auszuweisen, weil der Konzern wie die anderen auch die Strom- und Gaspreise unglaublich nach oben getrieben hat und zusammen mit den von uns allen zu zahlenden Netzentgelten sich die Taschen gefüllt haben. 280 Millionen im Jahre 2022 bekamen sie vom Bund für die Bereithaltung von 4 alten Kohleblöcken. Es ermöglichte dem Konzern, 220 Millionen Euro an seine 21.000 Beschäftigten als Zusatzlohn auszuzahlen.

Die Staatskonzern EnBW hat sein letztes Atomkraftwerk in Neckarwestheim abgeschaltet. Es befindet sich wie die anderen im milliardenteuren Abriss, und trotzdem fordern die CDU und FDP nun sogar noch ihren Weiterbetrieb. Die EnBW baut in Baden-Württemberg 3 neue Gaskraftwerke: Heilbronn, Stuttgart und Altstadt. Jedes dieser Gaskraftwerke wird vom Wirtschaftsminister Habeck mit 120 Millionen subventioniert. Dafür hat die EnBW als zweitgrößter Gasversorger Deutschlands Verträge über LNG-Gas für 28 Jahre mit amerikanischen Konzernen abgeschlossen. Die Gasfelder werden im Augenblick gegen den Widerstand der örtlichen Bevölkerung erst erschlossen. Die neuen Gaskraftwerke sollen wie die im Bau befindliche riesige Gasverdichterstation in Rheinstetten auch für den Transport und Einsatz von mindestens 20 % Grünen Wasserstoff vorbereitet werden. Wie dies genau geht und woher dieser Grüne Wasserstoff kommen soll, ist noch ein Betriebsgeheimnis der EnBW.

Noch schlimmer. Vor genau 4 Wochen hat die EnBW die Pleite ihrer Biogastochter BMP Greengas mit 251 Millionen Verlust bekanntgegeben. Europas führender Vermarkter von Biogas kann ihren Stadtwerkekunden die vereinbarten Biogasmengen nicht mehr liefern. Ein weiterer Rückschritt beim Umstieg in eine andere Energiebereitstellung, die – man glaubt es nicht – den erwarteten Gewinn der EnBW in diesem Jahr auf 3,5 Milliarden steigern wird.

Der neue Chef der EnBW, Schell, verkündete auf der Hauptversammlung der EnBW im Mai dieses Jahres, dass er die Kohlekraftwerke am Rhein, RDK 7 und RDK 8, 2028 stilllegen will.Hurra, dachte ich, er hat unseren Ruf gehört:

What do we want?“ – „Climate Justice!“
When do we want it?“ – „Now!“

Die Anti-Atom-Ini KA beim FfF Streiktag in Karlsruhe

Diese Ankündigung ist jedoch vergiftet. Damit fallen rund 50 Prozent der Karlsruher Fernwärme weg. Von mir darauf angesprochen antwortete Herr Schell: „Das ist das Problem der Stadt Karlsruhe“. Ja, Karlsruhe muss bis zum 31. Dezember eine Wärmeleitplanung für die Gesamtstadt dem Land vorlegen. Die MiRO-Mineralölraffinerie sorgt für rund 40 % Prozent der Fernwärme und benötigt dazu Gas, das auch 3 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr emittiert. Wie lange der Automarkt noch diese riesigen Mengen Benzin und Diesel benötigt und damit die Existenz der MiRO sichert, steht in den Sternen. Die als Kohlekraftwerk getarnte Müllverbrennungsanlage bei der Papierfabrik an der Rheinbrücke, ehemals Stora Enso, ist seit Januar im Besitz des reichsten Manns Deutschlands, Herr Schwarz, also von LIDL. Diese ist neuerdings für den Rest der Fernwärme zuständig. Dort wird der gesamte Nicht-DSD-Plastikmüll aus der Wertstofftonne von Karlsruhe verbrannt mit keineswegs besten Filtern.

Die Stadt Karlsruhe hat wie ganz Deutschland also vor allem ein Wärmeproblem. Aber Karlsruhe hat das lauthals verkündete Deutschlandtempo verschlafen. Die Umweltinvestitionen im Haushalt 23/24 wurden von Gemeinderat drastisch reduziert. Solaranlagen auf städtischen Gebäuden werden von der Volkswohnung gebaut. Kleiner Trost. Diese Woche wurde die 100ste Anlage eingeweiht. Völlig Fehlanzeige aber immer noch im kleinteiligen Klimaschutz. Eine hitzerestente City, der Ausbau zur wasserspeichernden Schwammstadt, wird gerade mit der umstrittenen Fällung der Platanen auf der Kaiserstraße und der geplanten Beseitigung von 30 Bäumen für den Um- und Neubau des Landratsamtes am Ettlinger Tor in die Tonne getreten. Deshalb:

What do we want?“ – „Climate Justice!“
When do we want it?“ – „Now!“

Aber ohne Optimismus können wir für nichts mehr kämpfen. Ja wir wollen, dass die EnBW große Offshore-Windkraftanlagen in der schottischen See baut und sie mit Gleichstromleitungen nach BaWü bringt. Der Bau von Elektrolyseanalgen an Land bei den Windanlagen zur Herstellung von grünen Wasserstoff, wenn der Strom z. B. am Wochenende nicht benötigt wird, ist zu planen. Die Netze der EnBW werden im Augenblick für Millionen Euro von Nord nach Süd wesentlich erweitert. Die dazu notwendigen Konverter sind gerade im Bau, wie in Karlsruhe und in Philippsburg zu sehen ist. Die Gasleitungen von Nord nach Süd müssen noch wasserstofftauglich nachgerüstet werden.

Das Klimabündnis Karlsruhe und wir fordern deshalb:
Eine umfassende Planung für eine hitzeresistente Stadt, die alle Belange auch des Kleinklimas berücksichtigt. Deshalb kämpfen wir um jeden Baum in der Innenstadt.
Der Zubau von Solaranlagen auf allen dafür geeigneten städtischen Gebäuden darf nicht an Investitionskürzungen scheitern.
Wir unterstützen die seit dem 1. Januar 2023 existierende BürgerEnergie Karlsruhe-Genossenschaft, die ihr erstes Projekt in Grötzingen mit den Anteilen von uns BürgerInnen finanziert hat.

Unsere Forderung an das Land Ba-Wü:
Das absolute Schlusslicht bei Solaranlagen ist das Karlsruher Institut für Technologie Süd. Dort müssen auf allen geeigneten Gebäuden – und das sind viele –Solaranlagen gebaut werden.
Zur Wärmeleitplanung muss der Ausbau von Nahwärmesystemen mit Wärmepumpengroßanlagen, wo immer möglich, geplant und gebaut werden.
Für die Absicherung der Fernwärme müssen die beiden städtischen Gaskraftwerke und die Leitungen zu ihren auf den Einsatz von grünen Wasserstoff vorbereitet werden.
Auf dem freistehenden Gelände der EnBW im Rheinhafen soll unverzüglich die Planung und der Bau einer Geothermieanlage als Ersatz von RDK 8 in Angriff genommen werden.

Die Absicht der deutschen Erdwärme in Neureut als Ersatz der MiRO eine Geothermieanlage zu bauen, bedarf der dringenden Unterstützung der Stadtwerke Karlsruhe, vor allem gegen die jetzt schon vorhandenen Widerstände aus dem Kreis der AfD.
Durch die Einführung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes zum 01.02.2023 ergibt sich die Pflicht, Vorranggebiete für Windenergieanlagen in einer Größenordnung von mindestens 1,8 Prozent bei uns in der Region festzulegen. Ausreden für die Kommunen wie Weltkulturerbe gibt es nun nicht mehr. Die Anlagen müssen nach Abwägung der naturschutzrechtlichenBelange sofort in die Planungsphase übergehen.
Die Liste ließe sich fortsetzen. Für uns gibt es noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten und dazu bedarf es noch vieler Kundgebungen, Proteste und Demonstrationen wie dieser heute. Wir wollen spätestens 2035 in einer fossilfreien Energiewelt, nicht nur in Karlsruhe, leben. Dafür streiten wir. Danke.

What do we want?“ – „Climate Justice!“
When do we want it?“ – „Now!“

TRITIUM

Warum der folgende Artikel auch für uns wichtig ist:

Bei der Erörterung zur Verglasungsanlage des hochradioaktiven flüssigen Atommülls aus der Wiederaufarbeitungsanlage im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe fragten wir nach der Anreicherung von Tritium in Organismen.

1= Falsche Antwort. ´Es erfolgt keine Anreicherung, da unser Körper und der von tierischen Organismen Tritium wie normales Wasser so alle 14 Tage vollständig ausscheidet, obwohl seine radioaktive Halbwertszeit 12,3 Jahr beträgt.´

Wir, die Anti-Atom-Gruppen – forderten eine Untersuchung von Fischen des Altrheins bei Linkenheim, der stark mit Tritium belastet war/ist .

Die Untersuchung wurde an Fischen im Altrhein bei Linkenheim durchgeführt und ergab:

2=richtige Antwort. ´Je älter die untersuchen Fische waren, desto mehr Tritium wurde in ihnen nachgewiesen.`

Fazit: Tritium reichert sich in Organismen an.

TRITIUM ? – Ist das schlimm, Herr Doktor?

Prof. Dr. Abraham Behar und Francine Cohen-Boulakia / Paris

Aus dem Französischen übertragen von Hans Heydemann / Stuttgart 6. Nov. 2013

Als Mitteilung:

Der IPPNW-Kongress in Neu-Dehli stand unter dem Leitthema: Gesundheit – Frieden – Entwicklung. Nachdem wir nun in der Epoche der galoppierenden nuklearen Weiterverbreitung sind mit seinen unmittelbaren Auswirkungen auf das Kriegsrisiko und die Unterentwicklung, kommt es uns insbesondere zu, vorrangig die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit abzuwägen.

Nun führt die enge Verbindung zwischen den nuklearen Versuchsreaktoren, den Reaktoren zur Stromerzeugung und der Bombenherstellung zunächst zum selben Ergebnis: die exponentielle Zunahme der radioaktiven Abfälle, allesamt schädlich für die öffentliche Gesundheit. Obgleich alle „radiotoxisch“ sind und deshalb mit Vorsicht gelagert werden, werden einige ganz gesetzlich in die Natur entlassen und kommen so in täglichen Kontakt mit der Bevölkerung. Es zeigt sich, daß das dabei am häufigsten vorkommende radioaktive Element dieser Freisetzungen das „Tritium“ ist. In einem dem Kongreß-Thema gewidmeten Bericht werden wir das wahre Gesicht des Tritiums entschleiern und seine Auswirkungen auf den Menschen erklären.

Warum erregt dieses merkwürdige radioaktive Wasserstoffatom mit zwei Neutronen neben dem einzigen Proton im Kern unsere Besorgnis? Zum einen ist dieser Sender von Elektronen geringer Energie eines der Hauptelemente der Kernfusion und somit Bestandteil der „Fusion“ der H-Bombe. Zum andern wird seine künstliche Herstellung vorangetrieben durch den Bau von Versuchsanlagen und an erster Stelle des „ITER“, der bei Cadarache entsteht (es handelt sich um eine Einrichtung zur Erzeugung einer Kernfusion).

Doch in Wahrheit ist es das Abfall-Tritium, unvermeidbares Produkt sämtlicher Atomreaktoren, welches neue Probleme bereitet. Halten wir uns vor Augen, daß natürlicherseits jährlich 50 -70 Millionen Milliarden Bq (1 Bq = 1 Zerfall je Sekunde) an Tritium in der Atmosphäre durch die kosmische Strahlung entstehen. Erinnern wir uns weiter, daß die oberirdischen Atombomben-Versuche (1945 – 1963) 186 Milliarden Milliarden Bq an Tritium freigesetzt haben! Anders ausgedrückt: der durchschnittliche Gehalt an Tritium im Regenwasser auf dem Planeten ist von 0,6 Bq/l auf 350 Bq/l angestiegen!

Dann im Jahr 2000, nach Einstellung der Versuche, war der Gehalt an Tritium im Regenwasser im Mittel auf 1,2 Bq/l zurückgegangen, allerdings mit sehr großen, von Militär- und zivilen Anlagen bedingten Unterschieden. Beispielsweise kann der Gehalt an Tritium-haltigen Wasser in der Umgebung von Atomkraftwerken 10 Bq/l erreichen und um das Militär-Zentrum Val Duc herum 30 bis 100 Bq/l ! Der Gehalt an Tritium-haltigen Wasser hat sich in der Umgebung von Atom-Anlagen im Verlauf der letzten Jahre stetig erhöht, und so ist die „alte Meerschlange“ der Radiotoxität des Tritiums wieder erschienen.

Wie die CIPR (Commission Internationale pour la Protection des Rayonnements = Internationale Strahlenschutz-Kommission ISSK) 2005 feststellte, hat die wirklichkeitsgerechte Abschätzung der Toxität des Tritiums bis zu diesem Tag versagt.

Was kann man dazu in 2008 sagen? Schließlich, welche genauen Schäden verursacht Tritiums am Menschen? Welche Folgen hat die unvermeidbare Erhöhung der Tritium-Abfälle für die allgemeine Gesundheit?

  1. Tritium – was ist das eigentlich?

Jeder kennt das Wasserstoff-Atom. Es gibt davon drei Isotope:

  • Der eigentliche Wasserstoff als leichtestes und am häufigsten vorkommend, nur aus einem Proton und einem Elektron bestehend und stabil (zerfällt nicht).
  • Das Isotop „Deuterium“ D oder ²H [Schwerer Wasserstoff], bestehend aus einem Proton und einem Elektron sowie einem Neutron, ebenfalls stabil (zerfällt nicht).
  • Das Isotop „Tritium“ [Überschwerer Wasserstoff] hat einen Kern bestehend aus einem Proton und zwei Neutronen; seine Abkürzungsbezeichnungen sind T oder ³H; es ist radioaktiv und zerfällt mit einer sogen. β´-Strahlung, d.h. es sendet negativ geladene Elektronen aus.

Es findet keine Photonen-Abgabe statt; nur Photonen X oder γ dringen mühelos in Gewebe ein und durchdringen mit Leichtigkeit den menschlichen Körper.

Wenn ein β´-Strahler in einem Organismus absorbiert ist, gibt er seine Energie in einer sehr engen Zone um seinen Emissionspunkt ab. Die mittlere Energie dieser β´-Strahlung ist schwach (5,7 keV) und die von diesen β´-Teilchen zurückgelegten Strecke liegen im Mittel bei 1 µm in Wasser und in organischem Gewebe. Da aber der Durchmesser einer Zelle in der Größenordnung von 10 µm liegt, kann folglich nur die innere Verseuchung eine Rolle bei der Strahlenschädigung der Zellen spielen (Aufnahme mit der Nahrung, durch Atmung und über die Haut). Die innere Belastung hängt ab von der Form der Ablagerung.

Die physikalische radioaktive Halbwertzeit beträgt 12,3 Jahre; somit verschwindet davon natürlich jedes Jahr 5,6 % durch Umwandlung in Helium (stabil).

Das Tritium existiert in drei verschiedenen chemischen Formen:

  • tritiertes Wasser (HTO) als die am häufigsten vorkommende Form von Tritium in der natürlichen Umgebung und den Lebewesen.
  • Gasförmiges Tritium (HT).
  • An organische Materie gebundenes Tritium (OBT = Organically Bound Tritium), gefunden in Pflanzen, wo es durch Photosynthese eingebunden wird, sowie bei Mensch und Tier.

Da tritiertes Wasser chemisch identisch ist mit Wasser, wird es allgemein als stärker radiotoxisch angesehen als Tritium-Gas.

  1. Herkunft des Tritiums in der Umwelt

Natürlicher Ursprung

Dies ist hauptsächlich Folge der Einwirkung kosmischer Strahlung auf Stickstoff, Sauerstoff und Argon. Etwa 99 % dieses Tritiums ist im Wasser enthalten und folgt dessen Kreislauf (Regen, Wasserablauf, Ozean, Verdunstung…): es ist tritiertes Wasser, welches folglich in jeder lebenden Umgebung eingebaut werden kann. Natürliches Tritium ist mit 1,3 x 1018 Bq (etwa 4 kg) vorhanden, und die jährliche Neubildung beträgt 7,2 x 1016 Bq (etwa 0,2 kg Tritium).

Künstliche Erzeugung

Militär

Bei den oberirdischen Atomwaffen-Versuchen von 1945 bis 1963 wurden etwa 630 kg Tritium in die Atmosphäre geschleudert – der mittlere Gehalt an Tritium auf dem Planeten stieg dadurch von 0,6 Bq/l Regenwasser auf 350 Bq/l. Davon waren 1995 noch etwa 65 kg übrig, verteilt auf die Atmosphäre und die Ozeane. Die in der Umwelt verstreute Menge an Tritium betrug 1970 etwa 2,4*1020 Bq. Gegenwärtig sind 4,3*1019 Bq Tritium im Ozean als Folge militärischer Versuche.

Bei der Herstellung von Atomwaffen fällt Tritium an, das in die Atmosphäre freigesetzt wird. So hat 1999 allein die militärische Anlage der CEA im Val Duc davon 2,67*1014 Bq abgegeben. Im See nahe der Militär-Anlage Val Duc beträgt der Gehalt an tritiertem Wasser 30 – 100 Bq/l.

Die Militärs benutzen das Tritium in den Nuklear-Köpfen der „H-Bomben“ [Wasserstoff-Bombe] sowie auch für die Entwicklung der Fusion in inerter Sicherheitshülle. Wegen seiner verhältnismäßig kurzen Halbwertzeit muß das Tritium in den gelagerten Sprengköpfen regelmäßig ersetzt werden.

Zivile Nutzung

In den Atomreaktoren entsteht Tritium bei der Kernspaltung bestimmter Isotope des Urans und des Plutoniums in drei Bruchstücke sowie durch Neutronen-Reaktionen auf leichte Elemente im Primärkreis. Das Tritium aus der Kernspaltung verbleibt überwiegend im Brennstoff (87 %). Die Abgaben an die Umwelt betreffen in erster Linie das durch Neutronen-Aktivierung gebildete Tritium (d.h. als radioaktives Folgeprodukt, entstanden durch den Neutronenfluß). Der Ausstoß eines Leichtwasser-Reaktors betrug im Zeitraum 1995 – 1997 im Mittel 2,4*1012 Bq an gasförmigem Tritium und 1,9*1013 Bq an tritiertem Wasser. Ein Druckwasser-Reaktor mit 1.300 MWe (Megawatt elektrisch) wie die von Golfech, Cattenom oder Civeaux läßt ungefähr 15*1012 Bq überwiegend in flüssiger Form ab.

Die Freisetzung von Tritium aus der Kernspaltung geschieht vornehmlich in den Anlagen zur Wiederaufarbeitung der abgebrannten Kernbrennstoffe während der Auflösung des Brennstoffes (10*1016 Bq je 1.600 behandelter Tonnen). 1999 betrug die Abgabe der Wiederaufarbeitungs-Anlage La Hague an gasförmigem Tritium 8*1013 Bq und 1,3*1016 Bq. an tritiertem Wasser ins Meer. In Frankreich ist La Hague darum die bedeutendste Tritium-Quelle und läßt nahezu das gesamte freigesetzte Tritium in die Luft und in das Meer ab. Im Ozean sind die Konzentrationen sehr niedrig, um 1 Bq/l; in den Gewässern in der Nähe der Wiederaufarbeitungsanlage von La Hague liegen die Werte zwischen 3 und 30 Bq/l.

Die tritiumhaltigen Abfälle liegen teils in fester Form, teils in flüssiger Form vor. In Frankreich stammen die festen Abfälle vornehmlich aus dem Betrieb der Herstellung und der Entwicklung der „Direction des Applications Militaires“ [Direktion Militärische Anwendungen] des CEA (89 % des Volumens). Zur Zeit sind etwa 1.500 m³ reiner Tritium-Abfälle in fester Form (in annähernd 8.000 Fässern) in Frankreich eingelagert (Société Française de Radio Protection, SFRP 2002 [französische Strahlenschutz-Gesellschaft]). Wegen der Entweichung von Tritium-Gas werden diese von der ANDRA (Agence Nationale de gestion des Déchets Radio Actifs [Nationale Agentur zur Verwaltung radioaktiver Abfälle]) nicht angenommen und derzeit in belüfteten Gebäuden gelagert.

Denn das Tritium stellt ein gewaltiges Problem dar für die Industrie, die es erzeugt.

  1. Gefährlichkeit des Tritiums

Das Risiko der Tritium-Exposition hängt ab vom Grad der inneren Verseuchung. Das Tritium ist in Gruppe 4: „schwache Radiotoxität“ eingeordnet. Die Aktivität, unterhalb der ein Gebrauch keiner Genehmigung mehr bedarf, beträgt eine Milliarde Bq (Europäische Direktive Nr. 96/29/ EURATOM v. 13. Mai 1996). Zum Vergleich: der Schwellenwert für Plutonium beträgt 37 Bq!

Gasförmiges Tritium stellt eine Brandgefahr und eine Gefährdung durch Radioaktivität dar. Die übliche Art und Weise, das Tritium-Gas zu fassen, besteht darin, es in das noch toxischer wirkende tritierte Wasser umzuwandeln. Darüber hinaus ist es außerordentlich schwierig, Tritium zu lagern, denn es entweicht selbst durch die allerkleinsten Poren. Beispielsweise durchdringt tritriertes Wasser Beton, sofern dieser nicht mit einer besonderen Auskleidung versehen ist, und tritriertes Wasser bildet in Gegenwart von Stickstoff salpetrige Säure, die die Behältnisse zerfrißt.

Als persönliche Schutzausrüstung des Arbeiters ist das Tragen einer Maske unzureichend; es ist notwendig einen „Tritium-dichten“ Schutzanzug zu benutzen, Schutzhandschuhe aus dickem PVC zu tragen, nach Möglichkeit 2 Paar Handschuhe zum Wechseln alle 20 Minuten (Vorschrift der kanadischen Kommission für nukleare Sicherheit, 2003), und nur in Bereichen zu hantieren, die sehr gut durchlüftet sind, um so die Tritium-Konzentration der Luft gering zu halten.

Im Falle einer Kontamination der Haut ist eine Dekontaminierung durch einfaches Waschen nötig. Im Falle einer inneren Kontaminierung muß die Urinausscheidung angeregt werden durch Verabreichen von 6 bis 8 Liter Wasser täglich unter ärztlicher Aufsicht mit Überwachung von Natrium und Kalium im Blut und im Urin, um eine Vergiftung durch Wasser zu vermeiden. Die biologische Halbwertzeit verringert sich dadurch von 10 – 12 Tage auf 3 – 4 Tage.

Für Trinkwasser empfehlen die Richtlinien der WHO (1993) einen Grenzwert von 7.800 Bq/l. Die für die Qualität des für den menschlichen Genuß bestimmten Wassers maßgebliche Europäische Richtlinie 98/83/CE legt als Indikator für eine Kontamination „die Konzentration an Tritium“ fest und schlägt als Warnschwelle den Wert von 100 Bq/l vor. Eine Ratsempfehlung der Regierung von Ontario/Kanada hatte 2003 vorgeschlagen, den erlaubten Höchstwert an Tritium im Trinkwasser innerhalb von 5 Jahren auf 20 Bq/l zu senken, und sieht eine noch viel weitergehende Verringerung vor.

  1. Das Tritium – was tut es uns an?

(Die Frage nach der Aufnahme und der Ausscheidung von Tritium und was daraus folgt)

Seit der „CIPR 60“[Internationale Strahlenschutz-Kommission ISSK], die die Strahlenbiologie des Tritiums in den Marmor geschrieben hat, wissen alle Strahlenschützer, daß sich dessen Radiotoxität auf dreierlei Weise äußert. Aus folgenden Gründen:

  • Weil die Art und Weise des Eindringens von Tritium-Gas, von tritiertem Wasser und von organischen Molekülen „OBT“ sich grundlegend von einander unterscheiden: das erstere gelangt auf dem Atemweg in den menschlichen Körper, das zweite durch Aufnahme von Trinkwasser und die letzteren werden allein mit der Nahrung aufgenommen.
  • Weil die Verteilung im Organismus ebenfalls sehr unterschiedlich ist:

Das eingeatmete Tritium-Gas verteilt sich im gesamten weichen Gewebe, doch ist die Aufnahme von Tritium-Gas etwa 1.000mal schwächer als die von tritiertem Wasser; die effektive Halbwertzeit (die die physikalische und die biologische Halbwertzeit berücksichtigt) beträgt etwa 10 Tage.

Tritiertes Wasser breitet sich in der Gesamtheit der flüssigkeitsführenden Abteilungen des Menschen aus, d.h. zugleich innerhalb und außerhalb der Zellen. Es wird durch Schweiß und Urin-Ausscheidungen entfernt. Doch 3% wandeln sich um in OBT. Die [biologische] Halbwertzeit beträgt maximal 40 Tage.

Die OBT treten in den Stoffwechsel ein je nach der Art des organischen Bestandteils, und ihre effektive Halbwertzeit beträgt maximal 550 Tage. Doch gilt es zu beachten, daß es außer zu dem betreffenden Stoffwechsel eine starke Bindungs-Neigung der OBT zu den Lipiden des Gehirns besteht.

In dieser verworrenen Lage hat die ISSK mehrmals Modelle vorgeschlagen, die die unterschiedlichen relativen biologischen Wirkungen (EBR) berücksichtigen, und sie hat auch ein Rechenverfahren für die biologische Kinetik des Tritiums vorgeschlagen. Die globalen Ergebnisse ergeben nach letzter Lesung (die Toxität ist hierin ermittelt aus der Einheit der Zerfälle durch die Einheit der Radioaktivität):

Tritium-Gas: 1,8 10-15 Sv je Becquereltritiertes Wasser: 1,8 10-11 Sv je BecquerelOBT: 4,1 10-11 Sv je Becquerel

Diese Bewertung zeigt den Anteil des Tritiums an der Jahres-Grenzdosis für den Menschen mit 1 µSv ; die globale Jahres-Grenzdosis für die Bevölkerung insgesamt beträgt 1 mSv *).

Dies erklärt auch die wenigen Fälle eingeräumter Umweltbelastungen durch Tritium, und es erklärt außerdem die wiederholten Forderungen der Atomanlagen-Betreiber, die legale Freisetzung dieser RadionukleÏde zu erhöhen.

Die Auflehnung der Strahlenbiologen

Angefangen hat alles mit dem Einwand von MEWISSEN in 1978 (1). Seine ursprüngliche Absicht war, die krebserzeugende Auswirkung des Tritiums an neugeborenen Mäusen zu untersuchen. Er hat zunächst die Wirkung tritierten Wassers untersucht und dann eine traditionelle OBT mit markiertem Thymidin versucht und hat eine Vielzahl von Ergebnissen und eine große Bandbreite der Schädigungen gefunden, die in diesem Fall nicht reproduzierbar waren, insbesondere hinsichtlich der Chromosomenbrüche.

Er hat dann versucht, die DNA, die RNS und die Tritium markierten Proteine abzutrennen.

Seine Schlußfolgerung war einfach: nichts ist so verschiedenartig wie die Auswirkungen des Tritiums in der Zelle, und folglich ist die Berechnung einer Dosis nicht möglich, die eine einheitliche Verteilung voraussetzt. Daraufhin hat er eine Überarbeitung der offiziellen Normen gefordert, jedoch ohne jeglichen Erfolg.

Man mußte bis 1999 auf die Arbeiten des Japaners WANG et al (2) warten, um zu beginnen die wirklichen intrazellulären Auswirkungen der OBT zu verstehen. Erinnert man sich an die gewaltige Entdeckung der Rolle des Proteins P53 mit seiner Fähigkeit, den Zellenzerfall hervorzurufen (d.h. den programmierten Tod), erinnert man sich weiter an seinen mitochondrialen Ursprung (d.h. die Zell-Organiten erzeugen auf Befehl Proteine und statten diese mit DNA und RNS aus), dann kann man der Begründung von Wang folgen. Wenngleich das Tritium nur geringe Möglichkeiten hat, sein Elektron in einen Kern zu senden angesichts des geringen zurücklegbaren Weges, selbst wenn Schädigungen an den Chromosomen nachgewiesen sind, kann es hingegen sehr leicht die Mitochondrien der Zelle schädigen, und eine Möglichkeit diese Auswirkung zu messen besteht in der Dosierung des P53. Wang hat Zellkulturen von Maus-Embryos verwendet und diese einer schwachen γ-Strahlung, tritiertem Wasser und einer OBT, dem Methyl-H³-Thymidin, unterzogen. In allen Fällen ergab sich eine verminderte Zellteilung und insbesondere eine gesteigerte Ausscheidung von P53, 2 Stunden nach der Einwirkung und dies vor Eintritt des Zellentodes. Darüber hinaus zeigte sich, daß bei den trächtigen Weibchen, denen tritiertes Wasser zu trinken gegeben wurde, der Anteil an Nachkommen mit Zelltod im Gehirn deutlich größer war als bei jenen, die einer γ-Strahlung ausgesetzt waren.

Angeregt von diesen Ergebnissen wurde das Einheitsmodell der CIPR/ISSK erneut in Frage gestellt durch Arbeiten von HAMBY und PALMER in 2001 (3) sowie von RICHARDSON und DUNFORD in 2003 (4). Diese schlagen vor, die biologische Wirkung der OBT mit dem dreifachen Wert anzusetzen, und weisen vor allem auf die besondere Toxität und insbesondere die der OBT für das Gehirn hin.

Ausgehend von dieser Feststellung einer besonderen Affinität des Tritiums zu den Lipiden des Gehirnes hat der Inder BHATIA in 2005(6) die Auswirkungen der nicht austauschbaren OBT, induziert durch tritiertes Wasser, auf das Gehirngewebe untersucht. Er hat dazu Mäuse im Alter von einer bis 3 Wochen verwendet und die in das Kleinhirn eingebrachten „Purkinje-Zellen“ untersucht. Bei der Behandlung mit tritiertem Wasser nimmt das Zellen-Volumen ab, und zwar stärker als nach einer Bestrahlung mit γ-Strahlen, und die Pycnocytose wird angeregt. Anschließend hat er die Kleinhirn-Ströme untersucht, um die Folgen der Tritium-Vergiftung auf die geistigen Fähigkeiten abzuschätzen. Er hat dabei eine Verringerung sowohl der Amplitude als auch der Frequenz des Potentials festgestellt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse hat er eine starke Erhöhung der EBR (Efficacité Biologique Relative = relative biologische Wirksamkeit) der OBT für das Gehirn gefordert und die Debatte neu angestoßen über die Gefährlichkeit schwacher Dosen des Tritiums, zumindest in Form der OBT, auch wenn die Betreiber von Atomanlagen darauf beharren, diese als vernachlässigbar anzusehen.

Was ist daraus zu schließen?

Die Infragestellung des beruhigenden klassischen Modells zur Toxität des Tritiums steht hinsichtlich der OBT auf der Tagesordnung. Dies betrifft zuerst das Abfall-Tritium in seiner Form als tritiertes Wasser, weil dieses die OBT erzeugt. Die wichtigsten Lieferanten dieses Giftes sind die militärischen Reaktoren (8), moderiert mit Schwerwasser, und die Wiederaufarbeitung der nuklearen Abfälle. Die nukleare Weiterverbreitung verschlimmert diesen Zustand. Die Vorhaben der nuklearen Fusion lassen eine noch größere Erzeugung und Freisetzung an Tritium erwarten.

Der Abgeordnete Christian Bataille stellt fest, daß das Tritium für die menschliche Gesundheit nicht bestreitbare Gefahren darstellt, die nie vergessen werden dürfen. Er fügt hinzu: „Die verantwortlichen Behörden der atomaren Einrichtungen, ob zivil oder militärisch, müssen sich bewußt sein, daß die Freisetzung von Tritium in die Umwelt in den kommenden Jahren zu einem Hauptproblem und sicherlich zu einem der Hauptgründe des Anti-Atom-Protestes werden wird.“

Wir Mediziner rufen jetzt dazu auf, die Tritium-Frage zu einer Hauptachse unserer Kampagne „ICAN“ zu machen, denn das Ende seiner Herstellung und somit seiner Freisetzung wäre ein gutes Zeichen für die Schaffung einer Welt ohne Atomwaffen.

*) Das SIEVERT (Sv) ist die Einheit für den Zerfall unter Berücksichtigung späterer Strahlenschäden beim Menschen. Es ist die absorbierte Dosis ausgedrückt in Gray (Joule/kg) gewichtet mit einem Faktor der Strahlung Wr und einem Faktor für bestrahltes lebendes Gewebe Wt.

BIBLIOGRAPHIE

1- MEWISSEN DJ, FUREDI M, UGARTE A, RUST JH. Comparative incorporation of tritium from triated water versus triated thymidine, uridine and leucine. Curr. Top Radiat. Res. 0 1978, 12, 1-4, 225-54

2- WANG B, TAKEDA H, GAO WM, ZHOU XY, ODAKA T, OHYAMA H, YAMADA T, HAYATA I. Induction of apoptosis by beta irradiation from tritium compounds in mouse embryonic brain cells. Health phys. 1999, 77-1, 16-23

3- HAMBY DM, PALMER TS, Analysis of an internal kinetic model for free and bound tritium. Health phys. 2001, 81-4,426-37

4- RICHARDSON RB, DUNFORD DW. A biochemical based model for the dosimetry of dietary organically bound tritium-part 2: Dosimetric evaluation. Health phys. 2003, 85-5, 539-52

5- ICRP Relative biological effectiveness, Quality factor, and radiation weighting factor 2004, IAN FAIRLIE comments, 2004

6- BHATIA AL. Radiation risk: technological perspective and public perception of tritium toxicity in the environment. Proc. 9th international conference on environmental science and technology, 2005

7- ROUSSEL-DEBET S, OIERRARD O, RENAUD Ph. Tritium, carbone 14: mythe ou réalité? Contrôle (asn) 2007, 177, 79-84 ASN Ed.

8- GUETAT Ph, LE GOFF P et al Apport de la surveillance du centre CEA VALDUC sur la connaissance des transferts de l’eau tritiée dans les différents compartiments de l’environnement, RADIOPROTECTION, 48,3, 2013.

Aktionen von „Letzte Generation“ sind gerechtfertigt

Mitglieder von „Letzte Generation“ haben in Karlsruhe in der vergangenen Woche Verkehrsblockaden durchgeführt und dafür laut Medienberichten zum Teil scharfe Kritik von Autofahrer:innen und Passant:innen geerntet.

Das Klimabündnis Karlsruhe stellt fest: Ziviler Ungehorsam gehört zu einer freien Gesellschaft. Die heftigen Reaktionen gegen die Blockaden bis hin zur Kriminalisierung der Aktivist:innen sagen viel über die Gereiztheit einer Gesellschaft aus, die nicht daran erinnert werden möchte, dass ihre Art zu leben und zu wirtschaften fundamental in die falsche Richtung führt – hin zur endgültigen Zerstörung unserer Lebensgrundlagen.

Wir alle wissen: es geht bei der Klimakrise um eine drohende Menschheitskatastrophe. Der am 20. März 2023 veröffentlichte 6. IPCC-Bericht weist nachdrücklich darauf hin, dass nur radikales Umsteuern diese Katastrophe verhindern kann – weg von fossilen Energien und Industrien, hin zu nachhaltigem Wirtschaf-ten. Die Klimakrise ist nicht über uns gekommen, wir haben sie gemacht.

Am 29. April 2021 stellte das Bundesverfassungsgericht (BVG) in seinem „Klima-Urteil“ fest, dass gegen die in Paris vereinbarten rechtsverbindlichen Klimaziele verstoßen wird. Das Urteil sagt, dass eine mangelhafte Klimapolitik künftige Generationen in ihren Freiheitsrechten verletzt.

Die Ziele, die „Letzte Generation“ einfordert, sind weder radikal noch revolutionär: Ein Tempo-100-Limit auf deutschen Autobahnen und ein flächendeckendes 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Aber anstatt diese berechtigten Forderungen umzusetzen, werden diejenigen in Misskredit gebracht und teils kriminalisiert, die das Primat der Klimagerechtigkeit in Politik und Gesellschaft einfordern.

Zur gleichen Zeit beharren Kräfte in der sogenannten „Fortschrittskoalition“ in Berlin auf einem Weiter-so. Damit ignorieren sie das „Klima-Urteil“ des BVG und brechen das verbriefte Lebensrecht künftiger Generationen. So kommt es – um nur drei aktuelle Beispiele zu nennen – beim Verbrennungsmotor, beim Straßenbau, bei fossilen Heizsystemen zu faulen Kompromissen, die den notwendigen Umbau blockieren. Nicht diejenigen, die wie „Letzte Generation“ auf diesen Sachverhalt hinweisen, sind kriminell, sondern diejenigen, die ein klimagerechtes Umsteuern verhindern.

Seit den späten 1970er-Jahren wusste der Energiekonzern ExxonMobil, dass fossile Energieprodukte zu einer globalen Erwärmung führen mit „dramatischen Umwelteffekten vor dem Jahr 2050“. Die Ergebnisse der Untersuchung, die im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht wurden, zeigen, dass ExxonMobil die globale Erwärmung ziemlich genau vorhergesagt hat. Doch ExxonMobil tat alles dafür, diese Erkenntnisse zu vertuschen. (https://www.klimabuendnis-karlsruhe.de/2023/01/14/die-klimaterroristen-der-fossi-len-industrien)

Fossile Energien haben bis heute Millionen von Menschen das Leben gekostet und werden weiterhin Millionen von Menschen das Leben kosten. Sie führen zu Artensterben und zerstören die Tier- und Pflanzenwelt. Wider besseres Wissen haben die fossilen Industrien an ihrem Geschäftsmodell festgehalten, das unsere Welt an den Abgrund geführt hat. Wenn also „Klimaterroristen“, das Unwort des Jahres 2022, auf eine Gruppe zutreffen sollte, dann auf die, die mit ihrer Art zu wirtschaften den Planten ruiniert haben: die fossilen Industrien.

Wir, das Klimabündnis Karlsruhe, sind Teil der weltweiten Klimaschutzbewegungen. Unser Ziel ist es nicht nur, auf die Einhaltung der Pariser und der deutschen Klimaziele zu pochen, sondern auch in Karlsruhe den Klimaschutz einzufordern – und zwar umfassend in allen Sektoren wie Energieversorgung, Verkehr, Bauen, Gesundheit, Stadtklima und Stadtgrün.

Um Politik, Verwaltung und Bürger:innen an die dringend notwendige Umsetzung der Klimaziele zu erinnern kann gewaltfreier ziviler Ungehorsam ein Teil der Protestaktionen für Klimagerechtigkeit sein. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Aktionen der Gesellschaft „Unannehmlichkeiten“ zumuten.

Nicht nur Unannehmlichkeiten, sondern nie dagewesene Katastrophen wird uns der Klimawandel jedoch in den kommenden Jahrzehnten zumuten, wenn jetzt nicht radikal umgesteuert wird. Darauf weisen die Aktionen der Gruppe „Letzte Generation“ hin und in diesem Sinn hält das Klimabündnis Karlsruhe sie grundsätzlich für gerechtfertigt.

Die Anti-Atom-Initiative Karlsruhe ist Teil des Klimabündnisses KA.

„nuclear justice now!“

Veranstaltung am Montag, 05. Juni 2023, 19.00 Uhr in der Kinemathek Karlsruhe Kaiserpassage 6, 76133 Karlsruhe, www.kinemathek-karlsruhe.de

Bundesweite Veranstaltungsreihe mit Betroffenen von Atomtests auf den Marshall-Inseln

Vortrag und musikalische Beiträge. Im Anschluss ausführliches Publikumsgespräch – Veranstaltung auf Englisch mit deutscher Übersetzung Eintritt frei

Mit dem Projekt ‚Nuclear Justice Now!‘ machen wir auf die Langzeitfolgen der über 2.000 Atomwaffentests aufmerksam, die bis heute für unzählige Menschen zu unermesslichem Leid führen. Nach einer Studie der internationalen Ärztinnen und Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) kam es allein durch oberirdische Atomwaffentests bis zum Jahr 2000 zu 430.000 zusätzlichen Krebstoten. Die betroffenen Regionen liegen fernab von den testenden Staaten und sind überwiegend von einer nicht-weißen Bevölkerung und ethnischen Minderheiten bewohnt.

So führten die USA zwischen 1946 und 1958 67 Atombombentests auf den Marshallinseln durch. Einige Atolle wurden dadurch unbewohnbar. Die Bewohner*innen wurden vor und während der Tests nicht informiert und geschützt, über die humanitären und ökologischen Folgen der Tests wurde gar nicht oder viel zu spät aufgeklärt. Die daraus resultierenden Umwelt- und Gesundheitsschäden, sowie die in den Gebieten weiterhin bestehenden Risiken wurden nicht erfasst. Angemessene Hilfen und Entschädigungen für die Opfer sind bis heute nicht erfolgt.

Als ehemalige Kolonialmacht dieser Inseln und Staat der nuklearen Teilhabe trägt auch Deutschland eine Verantwortung gegenüber den betroffenen Menschen.

Zusammen mit anderen Friedensorganisationen haben die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen DFG-VK Aktivist*innen von der Marshallese Educational Initiative aus den USA nach Deutschland eingeladen, um über die furchtbaren Folgen der Atomwaffentests für Mensch und Umwelt auf den Marshallinseln zu berichten. Dort wurden von den USA zwischen 1946 und 1958 67 Atomwaffentests durchgeführt.

Worum es uns bei dem Projekt geht

Mit „Nuclear Justice Now!“ wollen wir in der Zivilgesellschaft und bei Abgeordneten ein Bewusstsein für die Gefahren und Folgen von Atomwaffen und Atomwaffentests schaffen und die Notwendigkeit eines Verbots von Atomwaffen unterstreichen. Dabei wollen wir nicht nur über die Betroffenen reden, sondern sie selbst zu Wort kommen lassen.

Wir wollen den Druck auf verantwortliche Politiker*innen erhöhen, ihre Versprechen zu Opferfonds und Mittel für Umweltsanierung in die Tat umzusetzen.

Gleichzeitig soll das Projekt unsere Forderung nach dem Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag voranbringen.

Gerade uns in Deutschland sollte das Schicksal der Marshallinsel und ihrer Einwohner*innen besonders interessieren, schließlich war Deutschland von 1899 bis 1919 Kolonialmacht der Marshallinseln. Außerdem steht Deutschland heute noch unter dem sogenannten „nuklearen Schirm“ der USA, die die Atomwaffentests zur Entwicklung ihres Atomwaffenarsenals durchführten.

Wer wir sind
Das Projekt ist eine Kooperation der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), des Netzwerk Friedenskooperative und der Marshallese Educational Initiative (MEI).

Beteiligt an der Planung und Umsetzung des Projekts sind junge Mitarbeitende und Ehrenamtliche aus den zwei oben genannten deutschen Organisationen. Sie alle waren Teil der Jugenddelegation der DFG-VK zur 10. Überprüfungskonferenz des NVV, wo sie die jungen Aktivist*innen von den Marshallinseln kennenlernten und die Idee zum Projekt entstand.

Weitere Infos: www.un-delegation.dfg-vk.de/nuclear-justice-now/

Kontakt in Karlsruhe: dfg-vk.karlsruhe@posteo.de