Nur die halbe Wahrheit – Entwicklung von neuen Brennstoffen

Leserbrief von Harry Block, veröffentlicht am 24.06.19 in der BNN

Zu „Symbol für ein funktionierendes Europa“ vom 21. Mai:

Unter dem Mäntelchen der Sicherheit baut man ein Gebäude, verharmlosend als ‚Laborflügel M‘ bezeichnet, für 64 Millionen Euro in unseren Hardtwald. Was schützen die 4 700 Tonnen Stahl und 24 000 Kubikmeter Beton? Bei der Mediation über diesen Neubau im Jahre 2011 wurde deutlich, dass das Institut für Transurane (ITU) – heute Joint Research Centre (JRC) – bereits seit den 1960er Jahren eine unbefristete Umgangs- und Lagergenehmigung für 180 Kilo Plutonium besaß, die in der Neugenehmigung durch den grünen Umweltminister nur insoweit modifiziert wurde, dass man diese neue Genehmigung nur bis zu 80 Kilo ausnutzen will.

Die Genehmigung für das Gebäude M enthält aber unter anderen aber auch eine atomrechtliche Umgangsgenehmigung (man kann also immer herausnehmen und neu hinzufügen) für 50 Kilo Uran 235 (dieses war der Zündstoff der Atombombe auf Hiroshima) und 300 Kilo schwach angereichertes Uran, 30 Kilo Neptunium sowie 450 Kilo Thorium und so weiter.

Das sind riesige Mengen für ein Forschungslabor, und es stellt sich die Frage:
Was machen die damit?

Für reine Sicherheitsforschung, Ausbildung von Zoll und Inspektoren der IAEO sowie für medizinische Forschung würden wenige Gramm dieser radioaktiven Stoffe reichen. Wer wie ich am Tag der offenen Tür des JRC durch dieses Gebäude M geführt wurde und die riesigen Dimensionen der „Labore“ und Sicherheitseinrichtungen in Augenschein nehmen konnte, der spürt, dass hier weiter hocheffiziente neue Atomforschung im Auftrag der atomfreundlichen europäischen Gemeinschaft gemacht werden wird.
In den noch einzubauenden „Heißen Zellen“, die das Hantieren mit diesen hochstrahlenden Stoffen ermöglichen, werden neue „Brennstäble“ gebaut und nach der Bestrahlung in einem Atomkraftwerk zurückgebracht und weiter für neue Reaktortypen „optimiert“.

Mit „Sicherheit“ kann heute anscheinend alles legitimiert werden, egal wie absurd die Dinge auch sein mögen.

Sicherheit erscheint „alternativlos“, denn niemand kann für „Unsicherheit“ sein, schon gar nicht bei einer Hochrisikotechnologie wie Atomkraft. Der Vertreter des Landes lehnt Anwendungsforschung für neue Atomreaktoren in dem Neubau ab. Das sind leere Worte. Würde man hier nur anwendungslose Forschung betreiben, so wäre das bestenfalls das Herumdoktern an einigen physikalischen Ungeklärtheiten in Sachen der radioaktiven Elemente.
Es wird unter dem Begriff „Sicherheitsforschung“ Brennstoffforschung betrieben. Das Institut stellt neuartige „Brennstäble“ her, die zur Entwicklung fortgeschrittener Reaktoren der vierten Generation benötigt werden. In der Genehmigung steht zwar,
dass Forschungen im Zusammenhang mit Reaktorsystemen der sogenannten vierten Generation ausgeschlossen seien. Das ist nur die halbe Wahrheit. Man forscht hier nicht an einem neuen Reaktortyp, das machen andere. Man entwickelt
Brennstoffe für die vierte Generation, was aber deren Voraussetzung für neue Reaktoren ist. Und „das können weltweit nur wir“. So die mehrfach öffentlich geäußerte Aussage von Thomas Fanghänel, damals Chef vom ITU und heute in Brüssel beim JRC (gemeinsame Forschungsstelle der EU) Berater für die vierte Generation von Atomreaktoren.

Der Bevölkerung der Region Karlsruhe darf man weder die radioaktiven Emissionen des Instituts (auch die besten Filter lassen Stoffe wie hoch radioaktives, giftiges Plutonium in winzigen Mengen durch) noch die ständigen Transporte mit radioaktivem Material zumuten.