Verharmlosung des mittelaktiven Atommülls in den Glaskokillen bezüglich seines Gefährdungspotentials

Beitrag von Harry Block, Karlsruhe den 30.01.2020

Guten Tag beisammen:

„Die Castoren aus Sellafied und La Hague beinhalten ja nur mittelaktiven Atommüll und keine hochgefährlichen abgebrannte Brennelemente … “

Ich kannte das Verhältnis der Strahlung von Castor V zu Castor HAW (s. Folie 1 im Anhang aus Infokommission Philippsburg 2015) aus Berechnungen des Umweltministerium Baden-Württemberg. Dann besuchte ich das sich noch im Bau befindlichen Zwischenlager für etwa 6.000 Fässer mittelaktiven Atommüll der KTE im KIT Nord mit 2 m dicken Wänden (2019). Dort wurde mir die hochgefährliche Strahlung von mittelaktivem Atommüll deutlich vor Augen geführt und erläutert („1 Stunde neben einem dort gelagerten Fass und du bist tot“ = Strahlenchef KTE).

Mit dem hervorragenden, weil wissenschaftlich neutral und nicht verharmlosend, Vortrag von Herrn V. Metz PH.D. vom Institut für nukleare Entsorgung am KIT am 28. Januar 2020 wurde mir zahlenmäßig glasklar, dass in der Öffentlichkeit eine totale Verharmlosung des mittelaktiven Atommülls in den Glaskokillen bezüglich seines Gefährdungspotentials vorgenommen wird.

In diesem Vortrag ‚Einstieg in die Entsorgung nuklearer Reststoffe zur langfristigen Tiefenlagerung nuklearer Reststoffe‘ am 2020-01-28 von Dr. V. Metz (INE) bei kine erklärte er zu Folie 11 seines Vortrages (er hat uns die Folien zugesandt, aus Datenschutzgründen geben wir sie nicht weiter):

„Die Kontaktdosisleistung … sind Größenordnung 400.000 mSv/die Stunde! *1 … angenommen, dort in die Anlage würde eine Maus sich dahin verirren, die würde innerhalb von Sekunden kollabieren, würde sterben.

Zum Vergleich:
Die durchschnittliche Strahlenexposition für den normalen Bürger in Deutschland liegt bei 0.0002 mSv/pro Stunde.

Solche Glaskokillen, 28 zusammen, werden in einen Transport- und Lagerbehälter eingestellt … diese Castoren sind sehr dickwandig, dickwandig deswegen, weil sie diese Strahlung abschirmen. Was man an der Oberfläche messen kann, das ist um millionenfach geringer als der Zustand unter der Abschirmung. *2

*1 Messung 16. Febr. 2011, Transport von VEK zum Zwischenlager Lubmin
*2 laut Folie 11: Kontaktdosisleistung 0.0480 mSv/h an der dünnsten Behälterstelle“

Der Inhalt der Behälter aus Sellafield und La Hague (Castor HAW) ist bei Beschädigung der ‚Transportbehälter‘ ähnlich tödlich wie bei den Castor V eingelagerten abgebrannten Brennelementen. Die Unterschiede in der Größenordnung der Becquerel spielen da eine untergeordnete Rolle.

Zur ‚End‘lagerung des verglasten Materials sagte er:
„Da minore Actiniden (Pu, Am, Np, Cm …) in verglasten hochaktiven Abfällen nicht transmutieriert werden können, kann das existierende Actinideninventar in HAW-Glas nicht verringert werden und muss endgelagert werden.

Die radiologische Dosis des HAW-Glas wird dominiert durch langlebige Spalt-, Aktivierungs- und Zerfallsprodukte ( 14 C, 36 Cl, 93 Zr, 99 Tc, 129 I, 135 Cs, 226 Ra).“

Der Wissenschaftler des INE am KIT erklärte ferner in aller Deutlichkeit, dass niemand genau weiß, was in den in den Zwischenlagern sich befindlichen Castoren passiert. Die Forschung tappt im Dunkeln und forscht und forscht.

Aus der Folie dazu:
„Der Nachweis des Langzeitverhaltens von Metalldichtungen und anderen Komponenten der Behälter (z.B. CASTOR®) sowie der Nachweis der Integrität der Brennstäbe sind für eine verlängerte Zwischenlagerung (> 40 Jahre) zu führen.

Über Zeiten von vielen Jahrzehnten wird eine Abnahme der Integrität bzw. der Handhabbarkeit von Behältern / Behälterinventaren erwartet, insbesondere durch Alterung der Brennelemente im eigenen Strahlungsfeld, Versprödung / Korrosion der Zircaloy-Hüllrohre

  • Umorientierung von Zirkonhydriden
  • erhöhte Sprödbruchempfindlichkeit
  • Anstieg des mechanischen Drucks auf die Brennstabhülle
  • im Zircaloy/Brennstoff Kontaktbereich kann es zu Korrosion durch volatile Spaltprodukte (z.B. Cs-Iod-Verbindungen) kommen
  • Amorphisierung der Brennstoffmatrix durch Strahlung“

Seine Folie dazu zeigte ein Bild eines aufgeschnittenen Brennelements. Es macht deutlich, dass die Strahlung nicht nur den Brennstoff nach einiger Zeit pulverisiert, sondern die Ummantelung erst spröde, dann rissig werden lässt und ihn letztlich zerstört.*3

*3 Quelle: ESK (2015): Diskussionspapier zur verlängerten Zwischenlagerung (…). Entsorgungskommission, Bonn, Germany, Oktober 2015; Metz et al. (2016) Zircaloy cladding properties under conditions of prolonged dry interim storage. Abbildungen: F. Becker, V. Metz, KIT-INE

Schutzziel müsse sein: „Entsorgung radioaktiver Abfälle muss den Schutz von Mensch, Umwelt und Gütern heute und in der Zukunft sicherstellen, ohne künftige Generationen in unzumutbarer Weise zu belasten oder verpflichten.“

Dr. V. Metz sprach sich für die „Entsorgung nuklearer Reststoffe durch langfristige Tiefenlagerung aus“. Er erklärte sachlich alle damit verbundenen ‚Probleme‘ und Zeitabläufe.

Folie 1 aus Infokommission Philippsburg 2015