Freimessung ist die Verschleierung von radioaktiven Abfällen aus Kostengründen

Dies sollte ein Leserbrief von Harry Block in der BNN-Hardt-Ausgabe zu dem Artikel „Wohin mit dem Beton aus Reaktorgebäuden?“ vom 28.2.2025 sein. Er wurde bislang nicht gebracht, deshalb hier eine erweiterte Form und wenig verändert:

EnBW und das Ministerium für Umwelt, Klima und Energie Baden-Württemberg (UM) haben jetzt so eine Art Freimess-Show von Abbruchmaterial eines Atomkraftwerks für die Medien gemacht, weil nach zwei Jahren Abriss-Stillstand die ersten auch mit Radioaktivität belasteten Betonbrocken und weiterer Bauschutt vom Atomkraftwerk Philippsburg nach Maulbronn gehen. Eigentlich darf ja kein bloßer Beton zur Deponie Maulbronn. Da aber Asbest dabei ist, darf er doch. Damit erreicht man gleich zwei Dinge: Man weicht die Beton-Regel auf und man erzählt, der Beton sei nur wegen des Asbests problematisch, aber strahle eigentlich nicht. Er strahlt aber mit bis zu 10 Mikrosievert. So arbeitet man mit Framing. Die Öffentlichkeit und die Deponiebetreiber sollten aber vom UM die konkrete radioaktive Gesamtstrahlung des angelieferten sogenannten freigemessenen Betons erfahren, weil die noch ausstehenden Mengen riesig sind und die Unterlagen nur 30 Jahre aufbewahrt werden müssen.

Die erwarteten radioaktiv belasteten Massen an Beton, die einer Freigabe auf einer Deponie zugeführt werden müssen, sind enorm, wie meine Anfrage beim UM ergab.

Aus Obrigheim müssen voraussichtlich rund 3.000 Tonnen auf Deponien gelagert werden. Die Gesamtmasse des Abbaus dieses AKWs liegt bei ca. 275.000 Tonnen, die irgendwo landen.

In Neckarwestheim sieht es so aus: Auf eine Deponie müssen voraussichtlich rund 11.000 Tonnen Beton. Die Gesamtmasse des Abbaus beider Blöcke schlagen mit ca. 1.142.000 Tonnen Abbruchmaterial zu Buche.

In Philippsburg sind es rund 16.300 Tonnen, die eine Deponie benötigen. Wo die übrige Gesamtmasse des Abbaus beider Blöcke von ca. 1.181.000 Tonnen landen werden, weiß man nicht.

Für die Anlagen im Rückbau des vormaligen Kernforschungszentrums Karlsruhe, also dem heutigen KIT Campus Nord, kann folgende Verteilung der für die Freigabe vorgesehenen Massen nur vorläufig abgeschätzt werden: Hier sind es ca. 332.000 Tonnen Abbruchmaterial, von denen ebenfalls ca. 11.000 Tonnen noch deponiert werden müssen.

Was bei diesen riesigen Abfallmengen fehlt, sind die tausende Tonnen von mittel- und hochaktivem Atommüll, der an den Atomstandorten liegt. Wo dieser für hunderttausende Jahren stark strahlende Müll der 1.750 Castoren sicher gelagert werden soll, steht derzeit noch in den Sternen.

Wir Kritiker der Freimessung von radioaktivem Material geben zu bedenken, dass durch die großen jährlichen Freigabemassen und die unterstellte Verteilung auf viele Deponien die auf einer Deponie abgelagerte Radioaktivität unterschätzt wird. Daraus folgern wir, dass die Freigabewerte zur Deponierung im Sinne eines vorbeugenden Strahlenschutzes zu hoch sind. Und dann gibt es noch schwere Fehler: Wir waren letztes Jahr bei einer Info-Veranstaltung der KTE (Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH) auf dem Gelände des ehemaligen Kernforschungszentrums KA. Sie berichteten über den Abriss des Mehrzweckforschungsreaktors (MZFR). Das Kernproblem dieses Reaktors war im Betrieb u. a. Tritium. Beim Abriss nicht. 11.200 Tonnen Bauschutt wurden freigemessen. Erst seit 4 Jahren untersuchten sie auch die Tritium-Kontamination im Beton, und siehe da, das Tritium war da – bis zu 10 cm tief im Beton. Der meiste Beton war aber schon weg. 46 Tonnen wurde nun als leicht strahlender Abfall zwischengelagert. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Strahlenschutzes der KTE sprach mich an und sagte: „Nach Tritium haben wir nie gesucht.“

Deshalb fordern wir, dass die Entlassung von Reststoffen und Abfällen in die normale Kreislaufabfallwirtschaft auf jeden Fall stärker überwacht und reglementiert werden. Ein weitergehender Schutz der Bevölkerung wäre durch die Aufgabe der Freigaberegelung und die Verfolgung des französischen Konzepts mit einem gesonderten Entsorgungsweg für schwächer radioaktive Stoffe möglich. Eine zentrale oberflächennahe Lagerung wäre auch jeden Fall sinnvoller als die nur für wenige Jahre kontrollierbare Verteilung der Radioaktivität in verschiedene Hausmülldeponien und, noch schlimmer, in Alltagsgegenständen für den menschlichen Umgang.

Gemeinsame Stellungnahme von Bürgerinitiativen am mittleren Neckar und am mittleren Oberrhein zur Abfallbilanz Baden-Württemberg 2017

Pressemitteilung 27.07.2018

Anlass:
Vorstellung der Abfallbilanz Baden-Württemberg 2017
durch Herrn Minister Untersteller am Montag 30.07.2018

Bürgerinitiativen fordern ein Umdenken:
Abfall? Da muss vieles anders werden – Mut zur Nachhaltigkeit!

Sehr geehrte Damen und Herren,
Wer etwas über eine Zivilisation erfahren möchte, muss sich deren Umgang mit ihrem Abfall anschauen. Deshalb begrüßen wir Bürgerinitiativen die jährliche Abfallbilanz für Baden-Württemberg, die am Montag 30.7.18 für das Jahr 2017 vorgestellt wird. Wir fordern aber Bürger und Politik auf, endlich die dringenden Konsequenzen zu ziehen.

„Gemeinsame Stellungnahme von Bürgerinitiativen am mittleren Neckar und am mittleren Oberrhein zur Abfallbilanz Baden-Württemberg 2017“ weiterlesen