Rechte Sicht auf die Atomkraft am Beispiel des Karlsruher Bundestagsabgeordneten und Gemeinderatsmitglied Dr. Paul Schmidt

von Harry Block, Dez. 2025

Am 21. Mai 2025 hielt Dr. Paul Schmidt vor dem Deutschen Bundestag seine erste Rede und stellte sich mit folgenden Worten vor:

„Ich bin Kerntechniker in der zweiten Generation. Mein Vater hat im Kernforschungszentrum Karlsruhe eine Forschungsgruppe geleitet. Ich selbst habe nach der Promotion 25 Jahre in der Kerntechnik gearbeitet. Bis zur Abschaltung 2011 war ich Betriebsphysiker im Siedewasserreaktor KKP 1 in Philippsburg, danach bis zur Abschaltung Ende 2019 Betriebsphysiker im Druckwasserreaktor KKP 2. Seit 2014 bin ich zudem Betriebsrat in Philippsburg.

Betriebsphysiker waren in Deutschland in 25 Kernkraftwerksblöcken unverzichtbar. Jetzt kann man meinen Beruf in Deutschland gar nicht mehr ausüben. Ähnliches gilt für die Berufe vieler meiner Kollegen an den verschiedenen Kernkraftstandorten im Land. Wir alle hatten gehofft, dass sie von der Union nun endlich das versprochene Rückbaumoratorium in Kraft setzen und der Albtraum des Kernenergieausstiegs beendet wird. Wir wurden bitter enttäuscht!“

Diese persönlich motivierte, berufliche Enttäuschung über den Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie machte ihn zum lautstarken Trommler in der AfD für die absurde Vorstellung der Wiederinbetriebnahme der letzten stillgelegten Atomkraftwerke in Deutschland, wie auch die Forderung nach neuen Atomkraftwerken.

Weitere sechs Reden hat er seither im Bundestag gehalten, die immer um das Thema „Atom“ (Endlagerung, Castortransporte) kreisten.

Am 10 Juli 205 holte er im Bundestag zum Rundumschlag gegen die Windenergie aus und endete mit der Feststellung:

„Wenn wir wirklich mehr CO2-armen Strom im deutschen Netz haben wollen, brauchen wir mehr Grundlastenergie, also mehr Kernenergie.“

Am 25. September stellte er in seiner Rede im Bundestag fest, dass seine Fraktion eine Arbeitsgemeinschaft „Kernkraft“ eingerichtet hat, weil

„Weltweit sind 439 Kernreaktoren in Betrieb und 69 in Bau“ … und endete mit:

„Echte Technologieoffenheit gibt es nur mit Kernkraft.“

Nur nebenbei: Bei dem im Bau befindlichen Atomkraftwerken befinden sich 41 in China und 23 in Russland.

Man könnte nun viel zum Pro und Contra Atomkraft ausführen. Lassen wir Herrn Schmidts ehemaligen Chef der EnBW, Georg Stamatelopoulos, zum Thema Atomkraft zu Wort kommen. Auf einer Pressekonferenz der EnBW am 2. April 2025 führte er aus:

„Kernkraftwerke: Also was die Zukunft betrifft, wenn wir die aktuell verfügbare Technologie betrachten, dann kommt mir immer in den Sinn, das Beispiel der Anlage, die aktuell in UK gebaut wird, das ist Hinkley Point, das ist ein Doppelblock mit einer Gesamtleistung von 3.200 Megawatt und Investitionskosten, heute geschätzt, von 53 Milliarden Euro. Nur diese Kombination zeigt, dass die Kernenergie, so wie wir die kennen, nicht wirtschaftlich ist. Ich nenne immer zum Vergleich unser Investitionsprogramm bei der EnBW bis zum Jahr 2030. Im Übrigen, das ist das größte Investitionsprogramm in der Geschichte der Firma. Wir wollen über 40 Milliarden Euro bis 2030 investieren in allen Bereichen, wo wir unterwegs sind.

Und wir sind ein vollintegriertes Unternehmen. Wir haben Netze, wir haben Erzeugung, Handel, wir haben direkten Kontakt zum Kunden, wir haben Elektromobilität. Also in allen diesen Bereichen wollen wir 40 Milliarden Euro investieren und das reicht nicht mal, um ein Kernkraftwerk zu bauen. Also es ist nicht nur die Sache der Wirtschaftlichkeit, es ist auch eine Frage des Risikos.“

In den übrigen Reden von Herr Schmidt kritisiert dieser die gesamte Energiepolitik der Bundesregierung, einschließlich der Förderung erneuerbarer Energien. Er und die AfD setzen dabei nicht auf die alternativen Energieformen. Sie wollen eine Rückkehr zur Kernkraft und fossilen Brennstoffen. Er und die AfD (nur nebenbei auch die CDU) fordern kleine Atomreaktoren – die sogenannten Small Modular Reaktors.

Dazu sagte der EnBW-Chef Stamatelopoulos auf der gleichen Konferenz von oben:

„Diese SMR-Entwicklung, also Small Modular Reaktors, die ist da, hat ein gewisses Potenzial wirtschaftlich zu werden durch die Modularisierung, aber das ist auch keine erprobte Technologie. Es gibt ca. 70 Firmen, die solche Konzepte entwickeln. Gebaut sind weltweit drei Anlagen, eine in China, eine in Russland und eine in Indien. Wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, 20 Megawatt in China, 30 Megawatt in Russland und 230 in Indien. Ob man die letzte als Small noch bezeichnen kann, ist erstmal dahingestellt, aber es gibt kein kommerziell verfügbares Produkt.“

Es bleibt festzuhalten: Der Fokus der AfD und von Herrn Dr. Schmidt (auch noch Mitglied im Karlsruher Gemeinderat) liegen auf Kernkraft und fossilen Kraftwerken und fordern die sofortige Wiederinbetriebnahme von Nordstream 2. Sie lehnen auchGeothermie- und Windkaftprojekte mehr oder minder kategorisch ab. Ihre Begründungen sind: Gefährlichkeit oder Landschaftsverschandelung (Frau Dr. Weidel: „Windmühlen der Schande“).

Über den von der AfD geleugneten menschlich verursachten Klimawandel in den letzten 100 Jahren (AfD-Grundsatzprogramm „Das Klima wandelt sich, solange die Erde existiert. … Seit die Erde eine Atmosphäre hat, gibt es Kalt- und Warmzeiten.“) könnte man noch viele Seiten schreiben.

Atom-Renaissance wäre ein Irrweg

Leserbrief von Harry Block zu BNN vom 4.4.2025: ‘Rückkehr der Atomkraft?‘
In den BNN am 19.04.2025 gedruckt.

52 % von 1007 Befragten sind laut dem oben angeführten Artikel für die Weiterführung der Atomkraft. Auch die CDU und die AfD blasen in das gleiche Horn. Für CSU-Chef Markus Söder spricht zwar nichts für ein Endlager in Bayern, aber alles für eine Rückkehr zur Atomenergie. Bei einer unabhängigen Betrachtung – und die hat am 2.4.2025 auch der Chef der EnBW in einer Pressekonferenz auf Nachfrage ausführlich dargestellt (Übertragung https://www.youtube.com/watch?v=oSy3zkdkdBM) ist Strom aus Atomkraftwerken völlig unwirtschaftlich, vor allem im Vergleich zu den Erneuerbaren Energien. Die Atomkraft in Europa profitiert vor allem von massiven Steuervergünstigungen, Subventionen und anderen Finanzhilfen für Bau, Instandhaltung und Entsorgung (in Deutschland insgesamt etwa 187 Milliarden Euro in den vergangen vierzig Jahren) und drückte so künstlich den Preis für Atomstrom. Diese Kosten werden und wurden über den Staatshaushalt auf alle Bürger/innen umgelegt. 

Um auf die unterschiedliche Auslastung von Wind, Wasser und Sonne reagieren zu können, werden flexible und schnell steuerbare Kraftwerke benötigt, z. B. mit grünen Wasserstoff gefeuerte Gaskraftwerke und moderne Speichertechnologien. Atomkraftwerke hingegen brauchen mehrere Stunden oder Tage zum herunter- oder anfahren und können deshalb auf Lastspitzen nicht adäquat reagieren. Atomstrom hatte trotz anderweitiger Behauptung durch die Atomlobby kaum einen Einfluss auf den Endverbraucherstrompreis. Dies lag vor allem am schlechten Regelverhalten der Atomkraftwerke. Strom aus erneuerbaren Quellen war an der Strombörse immer billiger als Atomstrom. 

Der Chef der EnBW rechnete in der oben angeführten Pressekonferenz die Investitionskosten für ein Atomkraftwerk vor. In Hinkley Point baut Großbritannien ein Atomkraftwerk, dessen Kosten sich derzeit auf über 53 Milliarden Euro belaufen. Das größte Investitionsprogramm der EnBW in ihrer Geschichte bis 2030 erreicht aber nur 40 Milliarden.

Man braucht nur weitere Stichworte, um die Renaissance der Atomkraft als Irrweg zu kennzeichnen. Es gibt keine Haftpflichtversicherung für Atomkraftwerke im Falle eines atomaren Unfalls. Diese geschätzten ´Störfallkosten´ eines Supergaus mit mehr als 2 Billionen Euro müsste der Staat bezahlen. Die Lagerung des atomaren Atommülls ist noch völlig ungeklärt. Die Ressourcen an Uran sind ebenso begrenzt wie die der fossilen Brennstoffe Öl, Gas und Kohle.

Die Energieversorgung, insbesondere die mit Atomkraftwerken, gehört längst in die Arenen des Kulturkampfes. Atomkraftbefürworter unterschlagen sogar bei den Stromimporten, dass nämlich nur ein Viertel des importierten Stroms aus Atomenergie stammt – und die Hälfte aus Erneuerbaren. Wenn wir eine Kilowattstunde Strom aus dem Ausland importieren, fallen alle aus allen Wolken, wenn wir aber Uran aus Russland, Kasachstan oder Niger importieren oder Öl von den Scheichs, sagt kein Mensch was. In den Foren der Atombefürworter gilt der Mark Twain zugeschriebene Satz: „Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht“. Die Zukunft gehört den regenerativen Energien: Wind, Wasser und Sonne.