Von Harry Block, Oktober 2025
Förderung der europäischen Atomenergie durch wissenschaftliche Inkompetenz
Joint Research Centre Karlsruhe darf keine Genehmigung für die Forschung an atomaren Brennstoffen im neuen Gebäude M bekommen.
Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hat 2021 eine Untersuchung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse weitgehend unbeachtet blieben:
„Fachstellungnahme zum Bericht des Joint Research Centre der Europäischen Kommission „Technical assessment of nuclear energy with respect to the ‘do no significant harm’ criteria of Regulation (EU) 2020/852 (‘Taxonomy Regulation’)”
Unter besonderer Berücksichtigung der Kriterieneignung für die Aufnahme der Kernenergie in die EU-Taxonomie“
Das Ergebnis der Nachprüfung ist vernichtend. Ich habe die wichtigsten Aussagen der 66 Seiten hier vollständig zitiert:
„Vorliegende Fachstellungnahme kommt zum Ergebnis, dass im JRC-Bericht Schlussfolgerungen getroffen wurden, deren fachliche Herleitung an zahlreichen Stellen nicht nachvollzogen werden kann. Darüber hinaus wurden Themenbereiche mit hoher Umweltrelevanz im JRC-Bericht nur sehr reduziert dargestellt bzw. ausgespart. So werden die Auswirkungen schwerer Unfälle – die es in den vergangenen Jahrzehnten der Nutzung dieser Energieform bereits mehrfach gegeben hat – auf die Umwelt nicht in die Bewertung der Taxonomie-Fähigkeit der Kernenergienutzung einbezogen. Dadurch stellt sich die Frage, ob das JRC einen zu engen Betrachtungsmaßstab wählt. Der genannte sowie weitere in dieser Fachstellungnahme aufgeführte Aspekte legen diesen Schluss nahe.
Ferner zeigt die vorliegende Fachstellungnahme auf, dass das JRC Themen zwar anreißt, diese dann allerdings nicht weiter berücksichtigt, obwohl sie in die Bewertung der Nachhaltigkeit der Kernenergienutzung einzubeziehen sind. Die Notwendigkeit, diese zu berücksichtigen, ergibt sich teilweise daraus, dass Auswirkungen auf die weiteren Umweltziele der Taxonomie-Verordnung bei einer umfassenderen Betrachtung zu erwarten sind oder zumindest nicht ausgeschlossen werden können. In anderen Fällen ergibt sie sich daraus, dass sich die Taxonomie-Verordnung in ihrem Nachhaltigkeitsverständnis auf den UN-Ansatz der Agenda 2030 bezieht, die etwa auch die Ziele „Berücksichtigung künftiger Generationen“ und „partizipative Entscheidungsfindung“ enthält.
Eine Nachhaltigkeit, insbesondere auch für künftige Generationen, kann nur gewährleistet werden, wenn frühzeitig versucht wird, eine Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen und den adäquaten Umgang künftiger Generationen mit der Kernenergienutzung und deren Hinterlassenschaften bzw. Abfällen zu ermöglichen und einen langfristigen Informations- und Wissenserhalt sicherzustellen. Prinzipiell ist festzustellen, dass das Problem der Entsorgung radioaktiver Abfälle bereits durch frühere Generationen auf heute verschoben wurde und zwangsläufig vielen weiteren Generationen „erhalten bleiben“ wird. Das vom JRC beschriebene Prinzip der (Zitat) „no undue burdens for future generations“ (Seiten 205 ff.) ist damit bereits (nicht heilbar) verletzt, die DNSH-Hürde bereits verletzt. Die Erzeugung großer Mengen gefährlicher Abfälle wird über Jahrzehnte ohne existierende und wirksame Entsorgungslösung fortgesetzt. Das JRC sagt selbst, dass die primäre und beste Strategie des Waste Management ist, radioaktive Abfälle erst gar nicht zu erzeugen. Diese Bewertung wird jedoch im Bericht nicht konsequent angewendet.
Der JRC-Bericht betrachtet die Folgen und Risiken der Kernenergienutzung für Mensch und Umwelt sowie für nachfolgende Generationen nur unvollständig oder spart diese in seiner Bewertung aus. Soweit er sie behandelt, werden die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens zum Teil nicht korrekt berücksichtigt. Der JRC-Bericht liefert somit einen unvollständigen Beitrag, mit dem die Nachhaltigkeit der Kernenergienutzung nicht umfassend bewertet werden kann.“
Die Taxonomie-Einstufung der Atomenergie durch das JRC war, wie oben ausgeführt, fehlerhaft und als Gesamtkonsequenz ein für die klimaneutrale und sichere Energiebereitstellung eine wissenschaftliche Katastrophe. Dies ist ein von der Öffentlichkeit weitgehend verschwiegener Skandal. Die Vereinbarung müsste eigentlich noch einmal in das EU-Parlament gebracht und in Sachen Atomenergie zu Fall gebracht werden.
Die Anti-Atom-Initiative Karlsruhe begleitet seit vielen Jahren sehr kritisch die Forschungsaktivitäten des JRC in Sachen Brennstoffentwicklung für Atomkraftwerke und die dazu notwendige Herstellung von kleinen Brennstäben, die im Ausland in Atomreaktoren eingesetzt wurden. Sie kamen nach dem Einsatz nach Karlsruhe zurück und wurden in den heißen Zellen des JRC dann auf ihre Radionuklidzusammensetzung weiter untersucht. Dies war immer auch mit Abgabe von Alpha-Strahlung = Plutoniumabgabe über die Abluft verbunden. Diese Forschung stockt derzeit, weil der Neubau des Forschungs- und Lagerkomplexes ´Bau M´ immer noch nicht abgeschlossen ist. Wir haben schon oft bemängelt, dass die Transparenz des JRC in Sachen Atomforschung – die anderen Bereiche des JRC wie Ausbildung und Medizinforschung betrifft das nicht – sehr zu wünschen übrig lässt. Das Ergebnis dieses Fachberichtes bestärkt uns in unserer Haltung, dass es am JRC in Karlsruhe keine weitere Forschung in Sachen Brennstoffentwicklung geben darf. Das Umweltministerium darf die anstehende Genehmigung für den Betrieb nur unter strikten Auflagen = keine Brennstoffforschung genehmigen.