Information und Stellungnahme der Ulmer Ärzteinitiative zur Müllverbrennung von radioaktiven AKW-Abfällen

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Information und Stellungnahme der Ulmer Ärzteinitiative zur Müllverbrennung von radioaktiven AKW-Abfällen

vom 02.02.2019

Müllverbrennung von radioaktiven AKW-Abfällen
Müllverbrennung kann Radioaktivität nicht aus der Welt schaffen, sondern nur neu in der Umgebung verteilen. Die Ulmer Ärzteinitiative lehnt es ab, dass radioaktiv belastetes AKW-Abrissmaterial über alle unsere Köpfe hinweg in der Luft verteilt wird.

„Freimessung“
Auch eine „Freimessung“ entsorgt Radioaktivität nicht wirklich, sondern verdünnt und verteilt sie nur weiter. „Freimessung“ ist ein verharmlosendes Wort für eine fragwürdige Methode, mit der radioaktives Material abgetrennt und lediglich anders verteilt wird.
Danach wird das Material nach einer Messung juristisch nicht mehr als Atommüll definiert und kann von der Atomindustrie trotz weiterer Strahlung ohne weitere Vorsichts-Maßnahmen und ohne weitere Aufsicht als normaler Müll abgegeben werden.

Gefahren ionisierender Strahlung
Es gibt keinen unteren Strahlengrenzwert, unter dem eine radioaktive Belastung als wirkungslos bezeichnet werden kann. Jede weitere Strahlenbelastung und auch viele kleine weiteren zusätzlichen Belastungen rufen bei Mensch, Tier und Pflanze weitere Folgen hervor, die sich im Laufe der Jahre summieren.

Alternative
Sicherer Einschluss des Materials vor Ort. Dann müsste nichts gesundheitsgefährdend vorbehandelt und getrennt, nichts transportiert und auch nichts im Müllheizkraftwerk verbrannt werden.

Müllverbrennung von radioaktiven AKW-Abfällen
Radioaktiv belastete Überreste des 1977 havarierten Blocks A im AKW Gundremmingen sind offensichtlich schon seit Jahren von der Öffentlichkeit unbemerkt, in der Müll- Verbrennungsanlage Weißenhorn verbrannt worden. Nicht nur der brennbare Abraum vom Block A, sondern auch sogenanntes radioaktiv gering belastetes Material aus dem AKW-Normalbetrieb, wie Schutzanzüge, Wischtücher und vieles mehr werden dabei als normaler Gewerbemüll behandelt und dort zusammen mit dem Hausmüll Tag für Tag verbrannt.
Durch den geplanten Abbau des Blocks B sollen auch in Zukunft pro Jahr 5 bis 15 Tonnen brennbares Material aus dem AKW zur Verbrennung in Weißenhorn angeliefert werden. Radioaktivitätskontrollen zum Schutz der Umgebungsbevölkerung und der im Heizkraftwerk beschäftigten Menschen sind weder im Rauchgas noch im Filterstaub durchgeführt worden. Auch sind keine Strahlenmessungen der ausgebrachten Restschlacke und der Strahlenbelastung der Weißenhorner Umgebung öffentlich bekannt gemacht worden.

Die Ulmer Ärzteinitiative weißt darauf hin, dass eine Müllverbrennung keine Radioaktivität aus der Welt schaffen kann. Die vorhandenen radioaktiven Partikel werden nur neu in der Umgebung verteilt. Die Ulmer Ärzteinitiative lehnt es ab, dass radioaktiv belastetes AKW-Abrissmaterial über alle unsere Köpfe hinweg in der Luft verteilt wird.

„Freimessung“
Auch eine „Freimessung“ entsorgt Radioaktivität nicht wirklich, sondern verdünnt und verteilt sie nur weiter. Dabei werden die radioaktiv belasteten Materialien so lange physikalisch an den Oberflächen durch Putzen, Schrubben, Säureanwendung und vieles mehr behandelt, bis die Strahlung unter einen bestimmten Wert (10 Mikrosievert) gesunken ist. Materialien unterhalb dieses Wertes werden nach der Messung juristisch als harmlos definiert obwohl sie noch radioaktive Partikel in sich tragen. Die Strahlenschutzverordnung der BRD erlaubt, dass nach einer „Freimessung“ radioaktiv belastetes Material ohne jede weitere Prüfung und Aufsicht frei in die Umgebung abgegeben werden kann.
Problem 1: Die physikalische Behandlung der Materialien verringert keine Radioaktivität, sondern setzt sie teilweise neu in die Umgebung frei, bzw. verlagert sie nur, z.B. in die Putzflüssigkeiten.
Problem 2: Die „freigemessenen“ Materialien sind auch in Zukunft nicht so harmlos, wie es das Wort „frei“ es uns glauben machen soll.

Die Ulmer Ärzteinitiative hält die sogenannte Freimessung für eine falsche Methode der Entsorgung und das Wort selbst für eine Verharmlosung. Die angewandte Technik verlagert lediglich die Radioaktivitätsmengen und auch nach der Behandlung ist das Material nicht frei von radioaktiver Strahlung.

Gefahren ionisierender Strahlung
Schon die sogenannte natürliche Hintergrundstrahlung verursacht epidemiologisch nachweisbare Gesundheitsschäden. Bereits die niedrigen Dosen der Hintergrundstrahlung (inhaliertes Radon, terrestrische und kosmische Strahlung, mit der Nahrung aufgenommene natürliche Radioisotope) führen zu epidemiologisch nachweisbaren Gesundheitsschäden.
Das Argument, eine Strahlenbelastung bewege sich „nur“ im Dosisbereich der „natürlichen“ Hintergrundstrahlung und sei deshalb unbedenklich, ist daher irreführend. Die immer wieder zitierte Grenze zur angeblichen Ungefährlichkeit von 10 Mikrosievert/Jahr ist willkürlich gesetzt auf Grundlage eines künstlichen und fehlerhaften Rechenmodells, das schon vor Jahrzehnten zu Gunsten der Atomindustrie eingeführt worden ist.

Es gibt keinen unteren Strahlengrenzwert, unter dem eine radioaktive Belastung als wirkungslos bezeichnet werden kann. Jede weitere Strahlenbelastung und auch viele kleine weiteren zusätzlichen Belastungen rufen bei Mensch, Tier und Pflanze weitere Folgen hervor, die sich im Laufe der Jahre summieren.

Alternative: Sicherer Einschluss vor Ort
Statt eines vollständigen AKW-Rückbaues, der die Gesundheit von uns allen gefährden kann, würde ein sicherer Einschluss des gering radioaktiven Mülls vor Ort im AKW uns alle auf Dauer nicht belasten. Das Material könnte durch Abwarten auf natürliche Art und Weise einen erheblichen Teil seiner Strahlungsgefährlichkeit verlieren.
Dann müsste nichts gesundheitsgefährdend vorbehandelt und getrennt, nichts transportiert und auch nichts im Müllheizkraftwerk verbrannt werden

Außerdem
Die Problematik einer verantwortungsvollen Zwischen- und Langzeitlagerung von hochradioaktiven Spaltprodukten und Brennstäben und auch der mittelradioaktiv kontaminierten AKW-Bauteile bleibt weiterhin ungelöst.

Und wir sollten nicht vergessen: Immer noch wird in laufenden AKWs Tag für Tag weiter neuer Atommüll produziert. Das sollte besser heute als Morgen ein Ende haben.

Weiterführende Informationen

Information von www.ippnw.de
„Gefahren ionisierender Strahlung: Ergebnisse des Ulmer Expertentreffens vom 19. Oktober 2013“
https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Ulmer_Expertentreffen_-
_Gefahren_ionisierender_Strahlung.pdf

Infobroschüre von www.baesh.de
„versteckt − verteilt − verharmlost: AKW-Abriss − Wie uns Atomindustrie und Politik ihren radioaktiven Müll unterjubeln!“

Infobroschüre von www.ippnw.de
„Freigabe radioaktiven Materials beim AKW-Abriss: Dauerhafter Einschluss statt Rückbau?“
www.kurzlink.de/AKW-Abriss

Stellungnahme der Ulmer Ärzteinitiative www.ippnw-ulm.de
„zum Abbau des Blocks B im AKW Gundremmingen“ vom März 2017
(= Einspruchstext gegen das Abbau-Genehmigungsverfahren)
https://ippnw-ulm.de/wp-content/uploads/2017/03/2017-03-Stellungnahme-der-Ulmer-Aerzteinitiative-IPPNW-zum-Abbau-des-Blocks-B-im-AKW-Gundremmingen.pdf

Redaktion
Reinhold Thiel, Sprecher der Ulmer Ärzteinitiative – IPPNW www.ippnw-ulm.de