24.03.2025
Wieder CASTOR-Transport aus Sellafield abfahrbereit
Im Frühjahr 2025 soll erneut ein CASTOR-Transporte aus der
Plutoniumfabrik Sellafield (GB) nach Deutschland erfolgen. Nach den
Transporten nach Biblis (November 2020) und Philippsburg (November
2024) soll dieser Transport in das Zwischenlager Ohu/Isar bei Landshut
erfolgen. Es gibt konkrete Hinweise darauf, dass dieser Transport in der
14. Kalenderwoche ab dem 31. März erfolgen wird.
Eines der in Frage kommenden Schiffe (Pacific Grebe) liegt im britischen
Hafen Barrow-in-Furness abfahrbereit am Kai. Da heute Morgen um 9:00 Uhr
der AIS-Sender des Schiffes deaktiviert wurde, ist davon auszugehen,
dass der Belade-Prozess begonnen hat. Das Schiff wird laut
Transportgenehmigung den niedersächsischen Hafen Nordenham ansteuern.
Nach der Verladung der sieben CASTOR-Behälter auf die Bahn wird der
Transport über das Schienennetz mehrerer Bundesländer fortgesetzt.
Aus Protest gegen diesen Transport werden ab dem kommenden Wochenende
Kundgebungen, Mahnwachen und Aktionen stattfinden.
Den Auftakt macht eine Kundgebung am Bremer Hauptbahnhof am Sonntag, 30.
März ab 14:00 Uhr.
Anti-Atom-Gruppen wollen anlässlich dieses Transports auf die ungelöste
Problematik des vorhandenen Atommülls aufmerksam machen. Der geplante
CASTOR-Transport nach Isar ist die Fortsetzung der seit Jahrzehnten
stattfinden sinnlosen Atommüllverschiebung. Im bayrischen Zwischenlager
gibt es kein Reparaturkonzept für defekte Behälter. Die Halle ist nur
bis 2047 genehmigt und nicht ausreichend gegen Einwirkungen von außen
geschützt. Ein tiefengeologisches Atommülllager wird es bis 2047 nicht
geben. Bis zu einer verantwortbaren Lösung für die langfristige Lagerung
der hochradioaktiven Abfälle muss das Hin-und Herschieben von Atommüll
unterbleiben!
– es gibt weiterhin kein vertretbares Endlager-Konzept für den vorhandenen Atommüll
– CASTOR-Zwischenlager werden zu gefährlich ungeeigneten Langzeitlagern
– Atommüll ist nur ungefährlich, wenn er nicht entsteht:
Brennelementefabrik in Lingen und Urananreicherung in Gronau beenden!
– Atomkraft ist kein Klimaretter
Pressekontakt Bündnis CASTOR-stoppen:
Kerstin Rudek Tel. 015902154831
Castor-Alarm
Seit dem 1. März läuft der Genehmigungszeitraum für die ersten Castor-Transporte nach Bayern überhaupt. Es sollen sieben CASTOR-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll in das Zwischenlager am niederbayrischen AKW Isar (Niederaichbach im Landkreis Landshut) rollen.

Der Zeitpunkt ist Verschlusssache und somit noch streng geheim. Es gibt aber deutliche Hinweise darauf, dass der Transport bereits in der 14. Kalenderwoche (erste April-Woche) erwartet wird. Klar ist auch die Transportstrecke, da sich diese aus der Transportgenehmigung des Bundesamtes für die „Sicherheit der BASE) ergibt. Laut Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS), die den Transport übernehmen wird, werden die jeweils mehr als 100 Tonnen schweren Behälter zunächst per Schiff nach Nordenham gebracht. Anschließend geht es per Zug über Bremen und vermutlich Hannover und Göttingen durch die gesamte Bundesrepublik bis nach Niederbayern.
Wer aktuell über Neuigkeiten zu diesem Transport informiert werden will, kann sich hier für einen Newsletter per Mail anmelden.
Rechnungshof fällt vernichtende Bilanz der französischen Kernkraftstrategie
Der französische Rechnungshof (Cour des comptes) hat in seinem aktuellen Bericht eine vernichtende Bilanz der französischen Kernkraftstrategie veröffentlicht. Gefordert wird die Aussetzung aller Investitionen in weitere Kernkraftwerke, solange die tatsächlichen Kosten nicht seriös ermittelt werden. Die Rentabilität ist schlecht, der Stromgestehungspreis hat sich seit 2019 von 6 Cent pro KWh auf 10 Cent pro KWh erhöht. Ohne massive Steuersubventionen ist Atomkraft nicht rentabel. Der Rechnungshof fordert, die Pläne für vier neue AKWs zu stoppen. Die Kernbotschaft des Berichts: Politische Positionen für neue AKWs sind unseriös. Stattdessen lauten zentrale Empfehlungen für die Energiezukunft 2050:
Die Beeinflussung des Verbrauchs durch Energieeffizienz und Energiesparen ist unerlässlich, um die Klimaziele zu erreichen.
Das Erreichen der CO2-Neutralität bis 2050 ist nur möglich mit einem deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien.
In allen Szenarien müssen die Stromnetze rasch neu dimensioniert werden, um die Energiewende möglich zu machen.
Die Schaffung eines leistungsfähigen „kohlenstoffarmen Wasserstoffsystems“ ist von Vorteil
zur Dekarbonisierung bestimmter Sektoren, die schwer zu elektrifizieren sind.
Link zum Bericht des französischen Rechnungshofs auf ccomptes.fr
https://www.ccomptes.fr/sites/default/files/2025-01/20250114-La-filiere-EPR%20-une-dynamique-nouvelle-des-risques-persistants_0.pdf
KIT-Wissenschaftler tritt aktiv für eine Renaissance der Atomenergie ein
– KIT Nord forscht intensiv an ´neuen´Atomreaktorlinien –
Es gibt aktuell einige Parteien und deren VertreterInnen, die von einer Wiederkehr der Atomenergie träumen; Fukushima ist verblasst, die großen Gorleben-Proteste sind vorbei, und der Putin-Krieg gegen die Ukraine hat die Atomkraft-Sehnsüchte wieder hochgespült, weil man unabhängig von russischem Öl und Gas sein will. AfD, CDU und CSU gehören dazu und betonen dies lauthals in ARD und ZDF.
Wenn Herr Dr. Thomas Walter Tromm das KIT-Zentrum Energie im Rathaussaal (5. Juni 2024) vorstellt, so freut man sich auf das Topic Energiebereitstellung. Erneuerbare Energien, thermochemische Energieumwandlung, elektrochemische Energieumwandlung. Aber dann wird man schon etwas hellhöriger bei synthetischen/ alternativen/ biologischen Kraftstoffen, weil diese zur nachhaltigen Verkehrswende wenig bis nichts beizutragen vermögen. Aufhorchen lassen aber die Bereiche Fusionstechnologie und Kernenergie-Sicherheit. Bei der Fusion wird am KIT Nord vor allem an den Fusionstechnologien und Materialen geforscht.
Bei Atom liest man Nuclear Wast Management, Safety and Radiation Research. Wer kann schon etwas gegen die Erforschung der Endlagerproblematik von Atommüll und Sicherheit von Atomanlagen haben. Im KIT Nord werden derzeit die ´Altlasten der friedlichen Atomenergie vom 700 MitarbeiterInnen des KTE für hunderte von Millionen Euro jährlich abgerissen und in einem Lager für leichtaktiven Atommüll (rund 80.000 Fässer) und in zwei Lagern mit über 6000 Fässer für mittelaktiven Atommüll ´zwischengelagert.“ Diese gefährliche und teure Hinterlassenschaft der Atomindustrie vor der Haustüre müsste Herrn Dr. Tomm zeigen, dass Atomkraftwerke teuer, unsicher und vor allem auch nicht nachhaltig sind. Aber er tritt in den letzten Monaten eindeutig als Vertreter neuartiger Reaktorkonzepte auf und das macht besorgt, dass mit Landes-und Bundesmitteln der Wieder-Einstieg in die Atomkraft in Deutschland unter dem Mantel der Sicherheitsforschung der Weg bereitet werden soll.

Am 6. Dezember war Dr. Tromm in einer Online-Veranstaltung des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und zeigte in einer Power-Präsentation die Arbeitsbereiche im KIT Nord in Sachen Atom: „Partizipation in EU-Projects (EURATOM Call2021, Projects ongoing)“

Screenshot aus seiner Präsentation
Der Gipfel seiner Behauptungen war, dass Strom aus Windenergie genauso teuer sei wie Atomenergie.
Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat in einer Studie die gesamtgesellschaftlichen, realen Kosten verschiedener Energieformen verglichen. Eine Kilowattstunde (kWh) Atomstrom kostet so bis zu 42,2 Cent. Die Windenergie liegt hingegen nur bei etwa 8,1 Cent/kWh. Bei seinen Berechnungen hatte er nicht nur die massiven Steuervergünstigungen, Subventionen und anderen Finanzhilfen für Bau, Instandhaltung und Entsorgung (in Deutschland insgesamt etwa 187 Milliarden Euro in den vergangen vierzig Jahren) vergessen, sondern auch kein Wort zu den Sicherheitsrisiken verloren. Sein Kommentar zu meinen im Chat geäußerten Vorhaltungen gegenüber seinem Preisvergleich: „Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler.“
Dennoch sein Fazit: Der Atomausstieg Deutschlands sei falsch gewesen. „Atomenergie ist eine mögliche zusätzliche Alternative zu den anderen Energieformen.“
Die anwesenden Wissenschaftler hielten ihm sehr sachlich entgegen:
- Status: Erhebliche Anstrengungen zwischen den 1940er und 1970er Jahren, Wiederbelebung nach 2000, ein kommerziell nutzbares System ist nicht vor ~ 2050 zu erwarten
- Sicherheit: Einige Vorteile möglich, aber
– erhebliche technologische Entwicklung erforderlich (Materialien, Instrumentierung, Nachweisverfahren)
– relevante Strahlenschutzprobleme auch im Normalbetrieb müssen gelöst werden - Abfälle: Verschiedene Abfallströme und andere relevante Nuklide (CI-36, C-14) Proliferation: spezifische Probleme aufgrund der erforderlichen Wiederaufbereitung von Brennstoff
- Die Systeme sollen in den Bereichen Sicherheit, Ver- und Entsorgung, Non-Proliferation und Wirtschaftlichkeit Vorteile bieten.
- Einzelne TL/RK bieten – bei konsequenter Auslegung – potenzielle Vorteile in einzelne Kriterien.
- Kein Reaktorkonzept bietet aber gleichzeitig Vorteile in allen Kriterien,
- Potenzielle Vorteile sind (fast) immer von der konkreten Umsetzung in Form eines Reaktorkonzepts abhängig, daher sind aus heutiger Sicht offen:
– Wirtschaftlichkeit vs. Sicherheit
– Bessere Brennstoffausnutzung wird durch Wiederaufarbeitung erzielt, mit der aber spezifische Proliferationsgefahren einhergehen.
– Systeme setzten anstelle von Wasser ein anderes Kühlmittel ein. Damit sind spezifische Vor-, aber auch Nachteile verbunden. Es existiert signifikant weniger technologische Betriebserfahrung mit anderen Kühlmitteln wie z.B. Natrium.
- Die Prinzipien der Technologielinien (TL) aller Reaktortypen sind im Wesentlichen seit den 1950er Jahren bekannt.
- Da die Entwicklung von TL nicht „linear“ erfolgt, wäre eine Einordnung als „Generation II-B“ eher angebracht als von der Generation IV zu sprechen.
- Trotz zum Teil jahrzehntelanger Entwicklung befinden sich viele TL bzw. Reaktorkonzepte (RK) hinsichtlich ihres Technologischem Reifegrads weiterhin in frühen Phasen der Entwicklung → zwar graduelle Fortschritte, aber keine grundlegenden Durchbrüche erkennbar.
- Zeitpläne wurden systematisch nicht eingehalten.
- Insbesondere Brennstoff-/Materialienentwicklung ist zeitlich limitierend.
Der Zeitbedarf bis zu potenziellen „kommerziellen“ Systemen liegt wahrscheinlich im Bereich einiger Jahrzehnte.

Mein Fazit: Einige ´neue Reaktoren´ werden mit viel Finanzaufwand auf der Welt gebaut werden. Sie sind aber weder notwendig, keineswegs sicher und schon gar kein Beitrag zur klimaneutralen Energiewende.
Auch dem Traum von Partition und Transformation erteilten die beiden Wissenschaftler eine Abfuhr.
Für sie bedeutet P&T
- sehr hohen Aufwand (Dutzende Reaktoren und Wiederaufarbeitungsanlage) für
- sehr lange Zeiträume (>100 Jahre) bei
- begrenzter Wirksamkeit (Endlagernotwendigkeit durch Restmengen) und
- erheblichen Belastungen (Sicherheit, Proliferation, Gesellschaft)
Dabei leistet P&T (selbst) im Idealfall:
- keinen wesentlichen Beitrag zur Reduktion der Wärmeproduktion (Flächenbedarf)
- keinen Beitrag zur Reduktion des Abfallvolumens durch Abtrennung von Uran aus den HLW. Das abgetrennte Uran muss anderweitig entsorgt werden (mittelradioaktiver Abfall).
- keinen nennenswerten Beitrag zur Langzeitsicherheit und reduziert daher auch nicht die Anforderungen an die Isolation.
Aber dies alles kümmert Herrn Dr. Tromm nicht. Am 7. Dezember stellt er in der Landesschau Ba-Wü das Kalla-Labor im KIT mit den Worten vor: “Hier forschen wir an innovativen Reaktorkonzepten. Die nächste Stufe der Kernreaktoren …“
Es wird dort die Kühlung von Mini-Akws erforscht. Dr. Tomm ist überzeugt, dass der Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie ein Fehler gewesen sei. Er bezweifelt, dass der Weg in die erneuerbaren Energien in Deutschland der richtige sei und führt Tschechien, Finnland und Frankreich an, die an der Atomenergie festhalten. Er will die „small reactors“ als ´Ergänzung´ zu den anderen Technologien. Die Sendung endet aber mit den Einwänden gegen den Einstieg in eine neue Atomtechnologie.
Angela Merkel, Atomphysikerin, hat in ihrer soeben erschienenen Autobiografie auf Seite 608 ihre Antwort auf Söder, Merz und andere Atombefürworter sehr knapp und bündig formuliert: „Ich kann Deutschland auch in Zukunft nicht empfehlen, wieder in die Nutzung der Kernenergie einzusteigen. Wir können die Klimaziele auch ohne Kernenergie erreichen, technologisch erfolgreich sein und damit auch anderen Ländern der Erde Mut machen.“

Wir fordern die Landesregierung und die Bundesregierung auf, die finanzielle Unterstützung für Forschungen an ´neuen Reaktoren´ im KIT Nord einzustellen und die Forschungsgelder in die anderen nachhaltigeren und Erfolg versprechenden Energieforschungen zu investieren.
Harry Block
Atommüll und Zwischenlager-Problematik
Der radioaktive Müll wird in Zwischenlagern sicher aufbewahrt.
ODER?
Der hochradioaktive Müll, verpackt in sogenannten Castor-Behältern, wir in Zwischenlagern meist oberirdisch in Hallen aufbewahrt.
Geplant für 40 Jahre, laufen die ersten Genehmigungen bereits 2034 aus. Schon jetzt ist klar, dass ein noch zu findendes Endlager frühestens Anfang/Mitte des nächsten Jahrhunderts zur Verfügung steht.
Und bis dahin? Halten die Castor-Behälter die permanente radioaktive Strahlung und Hitzeentwicklung aus? Bleiben sie transportfähig? Was ist, wenn das Material spröde wird?
Eine Reparatur ist derzeit an keinem Standort möglich.
Alles klar, oder?
www.antiatom.net
Newsletter des Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
Mit freundlicher Genehmigung vom Aktionsbündnis Castor-Widerstand NWH drucken wir deren Newsletter als Info ab.
Liebe Atomkraftgegnerinnen, liebe Energiewenderinnen,
Die Atomkraftwerke in Deutschland sind abgeschaltet, das Thema Atom ist jedoch noch lange nicht vorbei, denn radioaktive Strahlung lässt sich weder in Neckarwestheim noch weltweit einfach abschalten.
Außerdem wird immer noch eine „Schein-Debatte“ über eine atomare Zukunft geführt.
Und europaweit soll Atomkraft mit der neuen EU-Taxonomie massiv gefördert werden.
Gleichzeitig erfolgt ein Kurswechsel bei der Energiewende. Anstatt rasch weiter mit regenerativen Energien auf dezentraler Ebene durchzustarten, wird verstärkt auf die bisherigen und neue zentrale Großstrukturen gesetzt. Besonders deutlich wird das bei den Wasserstoff-Planungen und – Förderungen statt der direkten Anwendung der Erneuerbaren.
CASTOR-Transport La Hague nach Philippsburg
Nach Berichten der Badischen Neuen Nachrichten soll in diesem Herbst ein Atommülltransport mit hochradioaktivem Atommüll in vier CASTOREN von La Hague nach Philippsburg erfolgen.
Jahrzehntelang bestand die „Entsorgung“ von hochradioaktiven Brennstäben im Abtransport in die Plutoniumfabriken in Sellafield/England und La Hague/Frankreich. Dies alles wurde als sogenannter Kreislauf und sogar als Reduzierung von hochradioaktivem Müll dargestellt. Das Gegenteil war und ist der Fall, die Menge an Atommüll wurde durch die
Bearbeitungsvorgänge erhöht. Bis heute wird viel Wasser mit Radioaktivität in beiden Ländern ins Meer eingeleitet. Der Betrieb dieser Plutoniumfabriken dient hauptsächlich militärischen Zwecken. Er ist die Voraussetzung für Atombomben, Atom-U-Boote, Flugzeugträger usw. Wir lehnen diese Atommüllverschiebung in das sogenannte Zwischenlager nach Philippsburg ab. Denn die die weitere Langzeitlagerung des hochradioaktiven Atommülls ist vollkommen ungeklärt. Die bundesweiten Standort-Zwischenlager und die Haltbarkeit der CASTOREN sind auf 40 Jahre ausgelegt
und auch so lange genehmigt. Jedoch wird nach den offiziellen aktuellen Angaben die Suche nach einem Langzeitlager mindestens noch 60 – 80 Jahre dauern. Der Umgang mit Atommüll und der Betrieb von Atomanlagen war und ist schon immer verantwortungslos!
Brennelementefabrik in Lingen
Dort werden trotz „Atomausstieg“ Brennelemente für 35 Atomkraftwerke hergestellt. Von den Betreibern wurden Verträge mit dem russischen Atomkonzern Rosatom zur Erweiterung der Atomanlage abgeschlossen. Dies geschah mit dem Ziel, dort dann auch Brennelemente für AKWs russischer Bauart herzustellen!
Die Zusammenarbeit der Brennelementefabrik in Lingen und der Urananreicherungsanlage in Gronau mit dem Staatskonzern Rosatom wurden und werden bewusst von den Sanktionen gegen Putins Angriffskrieg auf die Ukraine ausgenommen. Es wurden bereits Maschinen für die Erweiterung aus Russland nach Lingen geliefert, Mitarbeiter von Rosatom sind bereits in Lingen. Dies, obwohl von den Aufsichtsbehörden noch keine offizielle Genehmigung für eine Erweiterung erteilt wurde.
Die bundesweite Anti-AKW-Bewegung fordert schon lange die Schließung der Brennelementefabrik und der Urananreicherungsanlage in Gronau. Gegen die geplante und unter der Hand bereits begonnene Erweiterung in Lingen wurden über 11.000 Einwendungen bei der Aufsichtsbehörde eingereicht. Das niedersächsische Umweltministerium muss eine öffentliche Erörterung durchführen und dann im
Benehmen mit der Bundesaufsicht darüber entscheiden.
Statt Atomausstieg wird es den nächsten atomaren Skandal in Deutschland geben.
EU-Taxonomie mit grünen Label für Atom und Gas
Mit der EU-Taxonomie sollte eigentlich die Energiewende in Europa gefördert und bis 2045 realisiert werden. Dies ist angesichts des Klimawandels und seinen katastrophalen Auswirkungen mit hunderten von Toten in Europa und zehntausenden weltweit dringend notwendig. Durch zunehmende Unwetter, Überschwemmungen gleichzeitige Dürren und Trockenheit werden Lebensgrundlagen drastisch zerstört. Mit dieser Taxonomie werden jedoch Atom- und Gaskraftwerke als „klimafreundlich“ eingestuft und gefördert. Hauptmotor bei Atom waren Frankreich und osteuropäische „Kohle-Länder“. Hauptmotor beim Gas war die frühere Bundesregierung, jetzt die Ampel und ebenfalls osteuropäische Länder. Länder, von denen die Energiewende wie in Frankreich blockiert wird und die noch jahrzehntelang fossile Gaskraftwerke wollen.
Die Verhandlungen zur nationalen Umsetzung der Taxonomie sind in diesem Jahr auf Hochtouren gelaufen und im Kern jetzt abgeschlossen. Das Ergebnis in Kurzform:
▪ Atom und Gaskraftwerke können direkte Fördermittel aus EU-Töpfen erhalten
▪ über die Finanzmärkte sollen Anleger ihr Geld auch in Atom- und Gas-Anlagen mit einem „grünen
Label“ anlegen. Dies soll eine große „Kapitalquelle“ werden.
▪ der Strommarkt und die Vergütungen sollen hauptsächlich – Ziel ausschließlich – über sogenannte CFD-Verträge erfolgen. CFD = Contract off Differenz.
Dies bedeutet, dass die nationalen Regierungen die Strompreise und die Vergütungen bestimmen können. Wenn es dann eine Differenz zu den staatlich festgelegten Preisen gibt, kann der Staat den „Überschuss“ zum Marktpreis abschöpfen. Oder er muss bezuschussen. Die Regierungen haben natürlich ein Interesse daran, dass sie Überschüsse abgreifen können, wie es ja auch die Ampel bereits diskutiert und praktiziert hat.
Dies ist jetzt der gesetzte Rahmen durch die Taxonomie, um damit dann Subventionen für neue Kraftwerke zur Verfügung zu haben. Aus diesem Grund war Macron sehr zufrieden, dass er jetzt jährlich Milliarden für die Reparaturkosten seiner 56 AKWs hat. Deshalb verkündet er, dass jetzt statt 6 nunmehr bis zu 14 neue AKWs gebaut werden sollen. Natürlich wird dies in diesem Umfang nicht kommen, denn es gibt nicht einmal einen neuen EPR-Prototyp. Flamanville lässt grüßen.
Aber der Grundstein für die jahrzentlange Finanzierung der Atomprojekte in Europa ist gelegt. Und in Deutschland plant die Ampel-Regierung den Bau von neuen Gaskraftwerken und will vor allen Dingen die Förderung von Wasserstoff auch mit Gaskraftwerken durch diese neue Milliarden-Finanzquelle weiter fördern. Die Umrüstung von Kohle- auf Gaskraftwerke wird bereits gefördert, so beispielsweise bei der EnBW in Heilbronn.
Diese EU-Taxonomie und ihre jetzt beschlossene Umsetzung bremsen die mögliche rasche und notwendige Energiewende drastisch aus. Bereits jetzt gibt es Prognosen, dass die verkündeten Klimaziele in Deutschland und in Europa bis 2030 nicht erreicht werden.
Neues Klimaschutzgesetz verfassungswidrig?
Ende April hat die Ampel-Regierung ein neues Klimaschutzgesetz beschlossen, dass die Klimaziel in Frage stellt. Der Solarverein Aachen (SFV) und andere Verbände sehen darin einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Um was geht es?
Die Verschlechterungen in der Novelle des Klimaschutzgesetzes sind u.a.
▪ die bisher verbindlichen Sektorenziele wurden abgeschafft
▪ Überschreitungen der CO2-Obergrenzen bleiben praktisch folgenlos
▪ die Erstellung von Emissionsprognosen erfolgt unter politischen Einfluss
▪ Projektionsdaten für den Zeitraum ab 2031 dürfen erst 2029 veröffentlicht werden
In den Sektoren Verkehr und Bauen wurden die Klimaziele seit Jahren nicht erreicht. Die Klimaziele in den letzten Jahren wurden insgesamt nur durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie erreicht. Mit den jetzt beschlossenen Änderungen werden sicher alle Klimaziele bis 2030 gerissen werden. Deshalb ist SFV der Meinung dass ein elatanter Verstoß gegen das „Klimaurteil“ des Bundesverfassungsgerichtes von März 2021 vorliegt. „Statt die Argumente des Gerichts zum notwendigen Klimaschutz ernst zu nehmen, schraubt die Bundesregierung ihre ohnehin unzureichenden Klimaschutz-
Ambitionen weiter zurück. Dies dürfen wir im Namen der Lebenschancen aktueller und zukünftiger Generationen nicht zulassen“ so der SFV.
Liebe Atomkraftgegnerinnen, liebe Energiewenderinnen,
wir leben in zunehmend politisch turbulenten Zeiten. In Zeiten mit einer gesellschaftspolitische Entwicklung nach rechts mit der Hetze gegen Migrant*innen und Deportationsplänen. Und dem Übernehmen von rechtsradikalen Positionen durch die etablierten Parteien, statt sich von diesen zu distanzieren. Und mit einer Kehrtwende bei energiepolitischen Themen. Der Erfolg der Anti-AKW-Bewegung, der bisherige Erfolg bei der dezentralen, regenerativen Energiewende war durch das Engagement von Vielen möglich. Genau darum geht es auch heute beim Thema weitere Energiewende, gegen Demokratiefeindlichkeit und rechtsradikale Hetze von der AfD und anderen!
Newsletter des Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
https://neckarwestheim.antiatom.net/
EnBW Hauptversammlung am 07.05.24
Die Anti-Atom-Initiative Karlsruhe hat auf der EnBW-Hauptversammlung (online) am 07.05.2024 Fragen gestellt.
Einige Fragen der Anti-Atom-Ini KA und die Antworten der EnBW dokumentieren wir nachfolgend:
Zu KKPhilippsburg:
– Bauschuttdeponie:
AAI KA: Gibt es Verzögerungen beim Rückbau von KKPhilippsburg durch das Nichtvorhandensein einer Bauschuttdeponie?
EnBW: Noch keine Lösung dafür. Ja, erste Verzögerungen 2023.
– Kosten
AAI KA: Wie hoch waren in 2022 und 2023 die dadurch entstehenden Kosten?
EnBW: 2023 im niederen zweistelligen Millionenbetrag
Zu Neckarwestheim:
– Abriss NWH:
AAI KA: Hat der Abriss von Neckarwestheim 2 wie geplant begonnen oder wartet man damit noch ab, wie es Teile der Politik fordern?
EnBW: Abbaugenehmigung vom UM BW am 5.4.2023 erteilt und am 15.5.2023 von EnBW formal in Anspruch genommen und konsequent umgesetzt.
– Wiederanfahren GKN 2:
AAI KA: Wie lange würde ein Wiederanfahren von GKN 2 dauern? Welche Maßnahmen müssten dazu ergriffen werden? Was würde dies ungefähr kosten?
EnBW: Leistungsbetrieb endete am 15.4.2023. Keine Betriebsgenehmigung mehr für die Stromproduktion, seit einem Jahr im Rückbau (technisch, organisatorisch und personell umgesetzt) – einer auch hypothetischen Diskussion um einen Weiterbetrieb ist somit die Grundlage entzogen. Keine weiteren Planungen außer Rückbau.
– Wiederanfahren GKN 2:
AAI KA: Halten Sie das Wiederanfahren von GKN 2 zum gegenwärtigen Zeitpunkt für sinnvoll?
EnBW: Keine rechtliche Grundlage dafür.
Aktueller Sachstand: Behandlung und Lagerung von radioaktivem Atommüll im KIT Nord
Im KIT Nord wird von der Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe (KTE) mit rund 700 MitarbeiterInnen bis 2072 das immer noch hochgefährliche Erbe des Atomzeitalters im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe ´zurückgebaut´.
Am 14. Dezember wurde in einer informativen Veranstaltung vom KTE, dem KTE-Forum, der Stand von der Behandlung und der Lagerung der radioaktiven Abfälle vor Ort und im geplanten ´Endlager´ für leicht und mittelaktiven Atommüll in Schacht Konrad in Gegenwart und Zukunft vorgestellt.
Das größte deutsche Zwischenlager für schwach radioaktiven Atommüll (u. a. Abfälle vom Rückbau wie Elektro- und Metallschrott und Bauschutt) im KIT Nord ist nun mit 78.000 Fässern fast vollständig gefüllt. Rund 8 % der untersuchten Fässer sind verrostet und müssen mit großem technischen und personellen Aufwand ´umverpackt´ werden. Auch im Lager für mittelaktiven Atommüll (Abfälle mit höherer Strahlung aus der Nähe des Reaktorkerns oder aus der Wiederaufarbeitungsanlage) wurden von den dort gelagerten 6.500 Fässern acht beschädigte Fässer gefunden.
Der uns gegebene Einblick in das aktuelle Abrissgeschehen auf dem Gelände macht deutlich, dass die Herausforderungen in den verschiedenen Abrissprojekten (Schneller Brüter, Mehrzweckforschungsreaktor, Heiße Zellen oder Wiederaufarbeitungsanlage) sehr verschieden und zum Teil nicht nur radiologisch, sondern auch technisch sehr herausfordernd sind. Redet man bei Abriss von Atomkraftwerken wie Philippsburg oder dem Mehrzweckforschungsreaktor im KIT von einer radioaktiven Strahlung im Millisievert-Bereich, so steigt diese in der seit über 20 Jahre stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage (WAK) auf mehre 100 Sievert an (tödliche Strahlendosis liegt bei 5-7 Sievert). Dies stellt die KTE vor die sehr schwierige Aufgabe, diese tödlichen Strahlungsbereiche fernhantiert zu zerlegen und ´sicher´ in Lagerbehälter zu verbringen. Deshalb ist das geplante Ende der Abrissarbeiten auch erst im Jahre 2072 zu erwarten und wird bis dahin rund 12 Milliarden Euro gekostet haben. Auch dies gehört zur Bewertung der angeblich so billigen Atomenergie, deren Entsorgungskosten heute uns alle auf die Füße fallen.
Die Ausführungen von Herrn Dr. Lautsch (Technischer Geschäftsführer der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE)) über den Stand der Errichtung des ´End´lagers Schacht Konrad waren technisch interessant. Er war optimistisch, dass bis Ende 2029 das Lager seinen Betrieb aufnehmen könnte und dann ein Drittel des Lagervolumens von rund 303.000 m3 mit radioaktiven Material aus Karlsruhe belegt werden kann. Allerdings ist es im Fall Schacht Konrad (wie bei der Schachtanlage Asse) auch nur eine Frage der Zeit, bis der eingelagerte Atommüll Kontakt zu Grundwasser führenden Schichten hat und strahlende Nuklide in die Umgebung ausgeschwemmt werden. Deshalb sehen wir den Standort Schacht Konrad als nicht sicher und nachhaltig für die Entsorgung von radioaktiven Abfällen an.
Am 12.12.2023 hat Bundesumweltministerin Lemke bekanntgegeben, dass das geplante Atommüll-Zwischenlager in Beverungen-Würgassen nicht gebaut wird. Geplant war, auf dem Gelände des ehemaligen Atomkraftwerkes Würgassen das sogenannte Zentrale Bereitstellungslager „Logistikzentrum Konrad“ (ZBL LoK) zu errichten. Dort sollte ab 2027 Schwach- bis mittelradioaktiver Atommüll aus Deutschland gesammelt und vorsortiert werden, ehe er in das Endlager Schacht Konrad im über 100 Kilometer entfernten Salzgitter transportiert wird. Stattdessen soll der Atommüll nun direkt nach Salzgitter geliefert werden. Das wird auch zeitliche Folgen für alle Planungen des KTE in Karlsruhe mit sich bringen, den Atommüll nach Niedersachsen zu bringen,
Geplant ist, dass über einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren der Abtransport der endlagerfähigen Gebinde aus dem KIT Nord nach Schacht Konrad dauern wird. 33 Züge pro Jahr mit je 6 Waggons sollen dann, auch auf Karlsruher Straßenbahnschienen, durch Karlsruhe Richtung Norden fahren. Im Augenblick gibt es noch kein genehmigtes Abfallgebinde mit radioaktivem Material, weil Dokumentation und Vorbereitung außergewöhnlich komplex und zeitaufwändig zu sein scheinen.
Diese Abrissarbeiten machen deutlich, dass mit dem Ende der friedlichen atomaren Nutzung nicht die Probleme dieser Hochrisikotechnologie beendet sind. Ganz im Gegenteil. Der Abriss stellt nicht nur für die MitarbeiterInnen eine körperliche Belastung dar, sondern auch für die Umwelt, weil radioaktive Emissionen auch mit den besten Filtern, die im KIT zum Einsatz kommen, nicht vollständig beseitigt werden können.
Ein Dank gebührt auch von uns den MitarbeiterInnen des KTE für ihre schwierige und auch körperlich herausfordernde Arbeit sowie ihrer bisherigen, auf Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit achtende Chefin Frau Graffunder, die zum Ende des Jahres als Chefin zur Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) wechselt.
Abschied von Wolfram Treiber

Nachruf auf Wolfram Treiber (1954 – 2023)
Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg – ein Leben lang
Am 4.6.2023 ist unser Freund und Genosse Wolfram Treiber plötzlich und unerwartet gestorben. Noch zwei Tage zuvor hat er an einer Kundgebung gegen staatliche Repression
gegen Klimaaktivisten und Antifaschisten teilgenommen, an deren Organisierung er selbst mitgewirkt hat. Trotz seiner langen Erkrankung, die ihn körperlich belastete und einschränkte, blieb er sein ganzes Leben lang politisch aktiv, wollte sich weder von der Krankheit noch den politischen Verhältnissen unterkriegen lassen. Sich dem unmenschlichen kapitalistischen System entgegenstellen, immer an der Seite der Unterdrückten stehen und ein gutes Leben für ALLE erkämpfen war für ihn tägliche Aufgabe und Herausforderung.
Wolfram war Sozialist, Kommunist und dies immer mit einem Anteil Anarchismus. Er wollte die Welt grundlegend verändern, alle Verhältnisse umwerfen in denen der Mensch ein ausgebeutetes und unterdrücktes Wesen ist. Um die Verhältnisse zu verändern, sah er politische Organisierung als zwingend notwendig an. Dabei ging es ihm um die Schaffung von Organisationsstrukturen, die dazu beitragen, Menschen selbst zu ermächtigen. Eine neue Gesellschaft war für ihn mit Rätedemokratie, Menschlichkeit und Freiheitsrechten verbunden. Bürokratische Erstarrung, Organisation als Selbstzweck waren für ihn Feinde des revolutionären Prozesses. Er war seit seinen letzten Schuljahren politisch aktiv und auch politisch organisiert. Und wenn erforderlich, hat er Arbeitsstrukturen und Organisationen mit aufgebaut. In der Interventionistischen Linken (IL) sah er aktuell in der BRD den besten politischen Rahmen tatsächlich in politische Bewegungen einzugreifen und die notwendige Diskussion um die Perspektiven revolutionärer Politik und Aktion voranzubringen. Internationalismus war für Wolfram in diesem Zusammenhang nicht nur eine Frage der Solidaritätsbekundung, sondern Herausforderung für die Schaffung internationaler Zusammenarbeit und Vernetzungsstrukturen. Praktische internationale Solidarität bedeutete für ihn die Verpflichtung die Verhältnisse hierzulande anzugreifen und bei politischen Forderungen und Aktionen immer auch die Auswirkungen für die Menschen und Kämpfe im globalen Süden mitzudenken.
Die portugiesische Nelkenrevolution 1974 war ein wichtiger Punkt für seine weitere politische Entwicklung. Er verbrachte damals mehrere Wochen in Lissabon um die Ereignisse mitzuverfolgen, und sich an den internationalen Solidaritätsaktionen vor Ort zu beteiligen. Er lernte Spanisch um sich mit den Bewegungsaktiven in Lateinamerika besser austauschen zu können, lebte selbst mehrere Monate während der revolutionären Auseinandersetzungen in El Salvador. Die Entwicklungen in Lateinamerika und die Lehren aus den dortigen Kämpfen waren für ihn wichtige Bezugspunkte für theoretische Debatten zu linker Strategiebildung insgesamt wie auch zur Positionsfindungen in der Internationalismusarbeit. Konsequenterweise arbeitete er hier in der Kampagne gegen IWF und Weltbank und jahrelang im BUKO mit.
Seine ganze politische Lebenszeit hat sich Wolfram für den Schutz der Umwelt engagiert. Dies bereits zu Zeiten als dieses Thema für die meisten linken Organisationen noch kein Thema war oder als Nebenwiderspruch abgetan wurde. Er war von Anfang an in der Anti-Atom-Bewegung aktiv. Teilnahme an Demos wie in Brockdorf waren für ihn so selbstverständlich wie die Teilnahme auf dem Podium bei Diskussionsveranstaltungen zum Thema. Als aktives Gewerkschaftsmitglied beteiligte er sich an der Initiative „Aktionskreis Leben. Gewerkschafter gegen Atomstrom!“ Er beteiligte sich an Mobilisierungen zu „Castor schottern“, „Ende Gelände“, Lützerath, um nur einige für ihn wichtige Aktionen zu benennen. Zuletzt schrieb er Diskussionspapiere, Flugschriften und veröffentlichte Artikel zum Thema Verkehrswende als zentraler Ansatzpunkt im Kampf um Klimagerechtigkeit. Er hat dazu eine Vielzahl von Veranstaltungen bestritten, Redebeiträge auf Kundgebungen gehalten und das Thema bei Klimainitiativen eingebracht.
Ein weiterer Schwerpunkt war für Wolfram der Kampf gegen Rassismus in allen seinen Erscheinungsformen und für die Rechte von Geflüchteten. Es war ihm wichtig, daß dieses Thema immer mitgedacht wird z.B. in der Wohnungsfrage, bei Arbeitskämpfen. Gegen die aktuellen Pläne der Regierenden die Grenzzäune noch höher zu ziehen, Menschen noch schneller in Abschiebehaft zu nehmen, sogenannte weitere Rücknahmedeals auch mit Folterstaaten abzuschließen – die Liste der Grausamkeiten läßt sich fortsetzen – betonte er die Notwendigkeit von bundesweiten Schwerpunktaktivitäten und forderte eine Verknüpfung dieses Themas mit den aktuellen Diskussionen um notwendige Mobilisierungen gegen Kriegs-und Krisenpolitik. Wolfram hat sich immer gegen die Abschiebung von Geflüchteten engagiert, vor dem Abschiebeknast in Pforzheim und direkt am Flughafen demonstriert.
„Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!“ diese optimistische politische Grundhaltung war sein Lebensmotto. Mit seinem Wissen, seinen Vorschlägen und Engagement hat er uns immer wieder ermutigt. Wir haben politisch wie durch sein persönliches solidarisches Verhalten viel von ihm gelernt. Wolfram hätte nicht gewollt, daß wir nun verharren, rückwärts schauen, im gestern leben. Er hätte gewollt, dass wir in Gedanken an ihn weitermachen, tapfer, unverzagt – trotz alledem. So wie er es stets getan hat.
In Erinnerung
IL-Karlsruhe

Liebe Freund*innen, liebe Aktivist*innen, liebe Genoss*innen,
am 04.06. ist unser Freund und Genosse Wolfram Treiber unerwartet verstorben.
Wir sind alle sehr betroffen und traurig. Sein Tod reißt eine große Lücke bei uns und in der politischen Bewegung.
Wir begleiten ihn zum Grab am Freitag 16.06. und treffen uns um 11:00 Uhr am Haupteingang des Hauptfriedhofes. Ihr könnt gerne politische Fahnen mitbringen, aber keine Parteifahnen.
Am 01.07.2023 werden wir von 17:00 bis 20:00 Uhr eine politische Gedenkfeier im großen Saal des Verdihauses (7tes OG) durchführen, um Wolfram als Menschen und politischen Aktivisten zu würdigen.
Solidarische Grüße,
IL Karlsruhe

April 2023, Abendessen Brigitte und Wolfram

Wolfram, Griechenlandurlaub

Nov. 2022, Wolfram und die Anti-Atom-Initiative Karlsruhe in Neckarwestheim

Ca. 2018, die Enten als Sybol des Neckar-Castorfrei Protestes, die Wolfram toll fand.
TRITIUM
Warum der folgende Artikel auch für uns wichtig ist:
Bei der Erörterung zur Verglasungsanlage des hochradioaktiven flüssigen Atommülls aus der Wiederaufarbeitungsanlage im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe fragten wir nach der Anreicherung von Tritium in Organismen.
1= Falsche Antwort. ´Es erfolgt keine Anreicherung, da unser Körper und der von tierischen Organismen Tritium wie normales Wasser so alle 14 Tage vollständig ausscheidet, obwohl seine radioaktive Halbwertszeit 12,3 Jahr beträgt.´
Wir, die Anti-Atom-Gruppen – forderten eine Untersuchung von Fischen des Altrheins bei Linkenheim, der stark mit Tritium belastet war/ist .
Die Untersuchung wurde an Fischen im Altrhein bei Linkenheim durchgeführt und ergab:
2=richtige Antwort. ´Je älter die untersuchen Fische waren, desto mehr Tritium wurde in ihnen nachgewiesen.`
Fazit: Tritium reichert sich in Organismen an.
TRITIUM ? – Ist das schlimm, Herr Doktor?
Prof. Dr. Abraham Behar und Francine Cohen-Boulakia / Paris
Aus dem Französischen übertragen von Hans Heydemann / Stuttgart 6. Nov. 2013
Als Mitteilung:
Der IPPNW-Kongress in Neu-Dehli stand unter dem Leitthema: Gesundheit – Frieden – Entwicklung. Nachdem wir nun in der Epoche der galoppierenden nuklearen Weiterverbreitung sind mit seinen unmittelbaren Auswirkungen auf das Kriegsrisiko und die Unterentwicklung, kommt es uns insbesondere zu, vorrangig die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit abzuwägen.
Nun führt die enge Verbindung zwischen den nuklearen Versuchsreaktoren, den Reaktoren zur Stromerzeugung und der Bombenherstellung zunächst zum selben Ergebnis: die exponentielle Zunahme der radioaktiven Abfälle, allesamt schädlich für die öffentliche Gesundheit. Obgleich alle „radiotoxisch“ sind und deshalb mit Vorsicht gelagert werden, werden einige ganz gesetzlich in die Natur entlassen und kommen so in täglichen Kontakt mit der Bevölkerung. Es zeigt sich, daß das dabei am häufigsten vorkommende radioaktive Element dieser Freisetzungen das „Tritium“ ist. In einem dem Kongreß-Thema gewidmeten Bericht werden wir das wahre Gesicht des Tritiums entschleiern und seine Auswirkungen auf den Menschen erklären.
Warum erregt dieses merkwürdige radioaktive Wasserstoffatom mit zwei Neutronen neben dem einzigen Proton im Kern unsere Besorgnis? Zum einen ist dieser Sender von Elektronen geringer Energie eines der Hauptelemente der Kernfusion und somit Bestandteil der „Fusion“ der H-Bombe. Zum andern wird seine künstliche Herstellung vorangetrieben durch den Bau von Versuchsanlagen und an erster Stelle des „ITER“, der bei Cadarache entsteht (es handelt sich um eine Einrichtung zur Erzeugung einer Kernfusion).
Doch in Wahrheit ist es das Abfall-Tritium, unvermeidbares Produkt sämtlicher Atomreaktoren, welches neue Probleme bereitet. Halten wir uns vor Augen, daß natürlicherseits jährlich 50 -70 Millionen Milliarden Bq (1 Bq = 1 Zerfall je Sekunde) an Tritium in der Atmosphäre durch die kosmische Strahlung entstehen. Erinnern wir uns weiter, daß die oberirdischen Atombomben-Versuche (1945 – 1963) 186 Milliarden Milliarden Bq an Tritium freigesetzt haben! Anders ausgedrückt: der durchschnittliche Gehalt an Tritium im Regenwasser auf dem Planeten ist von 0,6 Bq/l auf 350 Bq/l angestiegen!
Dann im Jahr 2000, nach Einstellung der Versuche, war der Gehalt an Tritium im Regenwasser im Mittel auf 1,2 Bq/l zurückgegangen, allerdings mit sehr großen, von Militär- und zivilen Anlagen bedingten Unterschieden. Beispielsweise kann der Gehalt an Tritium-haltigen Wasser in der Umgebung von Atomkraftwerken 10 Bq/l erreichen und um das Militär-Zentrum Val Duc herum 30 bis 100 Bq/l ! Der Gehalt an Tritium-haltigen Wasser hat sich in der Umgebung von Atom-Anlagen im Verlauf der letzten Jahre stetig erhöht, und so ist die „alte Meerschlange“ der Radiotoxität des Tritiums wieder erschienen.
Wie die CIPR (Commission Internationale pour la Protection des Rayonnements = Internationale Strahlenschutz-Kommission ISSK) 2005 feststellte, hat die wirklichkeitsgerechte Abschätzung der Toxität des Tritiums bis zu diesem Tag versagt.
Was kann man dazu in 2008 sagen? Schließlich, welche genauen Schäden verursacht Tritiums am Menschen? Welche Folgen hat die unvermeidbare Erhöhung der Tritium-Abfälle für die allgemeine Gesundheit?
- Tritium – was ist das eigentlich?
Jeder kennt das Wasserstoff-Atom. Es gibt davon drei Isotope:
- Der eigentliche Wasserstoff als leichtestes und am häufigsten vorkommend, nur aus einem Proton und einem Elektron bestehend und stabil (zerfällt nicht).
- Das Isotop „Deuterium“ D oder ²H [Schwerer Wasserstoff], bestehend aus einem Proton und einem Elektron sowie einem Neutron, ebenfalls stabil (zerfällt nicht).
- Das Isotop „Tritium“ [Überschwerer Wasserstoff] hat einen Kern bestehend aus einem Proton und zwei Neutronen; seine Abkürzungsbezeichnungen sind T oder ³H; es ist radioaktiv und zerfällt mit einer sogen. β´-Strahlung, d.h. es sendet negativ geladene Elektronen aus.
Es findet keine Photonen-Abgabe statt; nur Photonen X oder γ dringen mühelos in Gewebe ein und durchdringen mit Leichtigkeit den menschlichen Körper.
Wenn ein β´-Strahler in einem Organismus absorbiert ist, gibt er seine Energie in einer sehr engen Zone um seinen Emissionspunkt ab. Die mittlere Energie dieser β´-Strahlung ist schwach (5,7 keV) und die von diesen β´-Teilchen zurückgelegten Strecke liegen im Mittel bei 1 µm in Wasser und in organischem Gewebe. Da aber der Durchmesser einer Zelle in der Größenordnung von 10 µm liegt, kann folglich nur die innere Verseuchung eine Rolle bei der Strahlenschädigung der Zellen spielen (Aufnahme mit der Nahrung, durch Atmung und über die Haut). Die innere Belastung hängt ab von der Form der Ablagerung.
Die physikalische radioaktive Halbwertzeit beträgt 12,3 Jahre; somit verschwindet davon natürlich jedes Jahr 5,6 % durch Umwandlung in Helium (stabil).
Das Tritium existiert in drei verschiedenen chemischen Formen:
- tritiertes Wasser (HTO) als die am häufigsten vorkommende Form von Tritium in der natürlichen Umgebung und den Lebewesen.
- Gasförmiges Tritium (HT).
- An organische Materie gebundenes Tritium (OBT = Organically Bound Tritium), gefunden in Pflanzen, wo es durch Photosynthese eingebunden wird, sowie bei Mensch und Tier.
Da tritiertes Wasser chemisch identisch ist mit Wasser, wird es allgemein als stärker radiotoxisch angesehen als Tritium-Gas.
- Herkunft des Tritiums in der Umwelt
Natürlicher Ursprung
Dies ist hauptsächlich Folge der Einwirkung kosmischer Strahlung auf Stickstoff, Sauerstoff und Argon. Etwa 99 % dieses Tritiums ist im Wasser enthalten und folgt dessen Kreislauf (Regen, Wasserablauf, Ozean, Verdunstung…): es ist tritiertes Wasser, welches folglich in jeder lebenden Umgebung eingebaut werden kann. Natürliches Tritium ist mit 1,3 x 1018 Bq (etwa 4 kg) vorhanden, und die jährliche Neubildung beträgt 7,2 x 1016 Bq (etwa 0,2 kg Tritium).
Künstliche Erzeugung
Militär
Bei den oberirdischen Atomwaffen-Versuchen von 1945 bis 1963 wurden etwa 630 kg Tritium in die Atmosphäre geschleudert – der mittlere Gehalt an Tritium auf dem Planeten stieg dadurch von 0,6 Bq/l Regenwasser auf 350 Bq/l. Davon waren 1995 noch etwa 65 kg übrig, verteilt auf die Atmosphäre und die Ozeane. Die in der Umwelt verstreute Menge an Tritium betrug 1970 etwa 2,4*1020 Bq. Gegenwärtig sind 4,3*1019 Bq Tritium im Ozean als Folge militärischer Versuche.
Bei der Herstellung von Atomwaffen fällt Tritium an, das in die Atmosphäre freigesetzt wird. So hat 1999 allein die militärische Anlage der CEA im Val Duc davon 2,67*1014 Bq abgegeben. Im See nahe der Militär-Anlage Val Duc beträgt der Gehalt an tritiertem Wasser 30 – 100 Bq/l.
Die Militärs benutzen das Tritium in den Nuklear-Köpfen der „H-Bomben“ [Wasserstoff-Bombe] sowie auch für die Entwicklung der Fusion in inerter Sicherheitshülle. Wegen seiner verhältnismäßig kurzen Halbwertzeit muß das Tritium in den gelagerten Sprengköpfen regelmäßig ersetzt werden.
Zivile Nutzung
In den Atomreaktoren entsteht Tritium bei der Kernspaltung bestimmter Isotope des Urans und des Plutoniums in drei Bruchstücke sowie durch Neutronen-Reaktionen auf leichte Elemente im Primärkreis. Das Tritium aus der Kernspaltung verbleibt überwiegend im Brennstoff (87 %). Die Abgaben an die Umwelt betreffen in erster Linie das durch Neutronen-Aktivierung gebildete Tritium (d.h. als radioaktives Folgeprodukt, entstanden durch den Neutronenfluß). Der Ausstoß eines Leichtwasser-Reaktors betrug im Zeitraum 1995 – 1997 im Mittel 2,4*1012 Bq an gasförmigem Tritium und 1,9*1013 Bq an tritiertem Wasser. Ein Druckwasser-Reaktor mit 1.300 MWe (Megawatt elektrisch) wie die von Golfech, Cattenom oder Civeaux läßt ungefähr 15*1012 Bq überwiegend in flüssiger Form ab.
Die Freisetzung von Tritium aus der Kernspaltung geschieht vornehmlich in den Anlagen zur Wiederaufarbeitung der abgebrannten Kernbrennstoffe während der Auflösung des Brennstoffes (10*1016 Bq je 1.600 behandelter Tonnen). 1999 betrug die Abgabe der Wiederaufarbeitungs-Anlage La Hague an gasförmigem Tritium 8*1013 Bq und 1,3*1016 Bq. an tritiertem Wasser ins Meer. In Frankreich ist La Hague darum die bedeutendste Tritium-Quelle und läßt nahezu das gesamte freigesetzte Tritium in die Luft und in das Meer ab. Im Ozean sind die Konzentrationen sehr niedrig, um 1 Bq/l; in den Gewässern in der Nähe der Wiederaufarbeitungsanlage von La Hague liegen die Werte zwischen 3 und 30 Bq/l.
Die tritiumhaltigen Abfälle liegen teils in fester Form, teils in flüssiger Form vor. In Frankreich stammen die festen Abfälle vornehmlich aus dem Betrieb der Herstellung und der Entwicklung der „Direction des Applications Militaires“ [Direktion Militärische Anwendungen] des CEA (89 % des Volumens). Zur Zeit sind etwa 1.500 m³ reiner Tritium-Abfälle in fester Form (in annähernd 8.000 Fässern) in Frankreich eingelagert (Société Française de Radio Protection, SFRP 2002 [französische Strahlenschutz-Gesellschaft]). Wegen der Entweichung von Tritium-Gas werden diese von der ANDRA (Agence Nationale de gestion des Déchets Radio Actifs [Nationale Agentur zur Verwaltung radioaktiver Abfälle]) nicht angenommen und derzeit in belüfteten Gebäuden gelagert.
Denn das Tritium stellt ein gewaltiges Problem dar für die Industrie, die es erzeugt.
- Gefährlichkeit des Tritiums
Das Risiko der Tritium-Exposition hängt ab vom Grad der inneren Verseuchung. Das Tritium ist in Gruppe 4: „schwache Radiotoxität“ eingeordnet. Die Aktivität, unterhalb der ein Gebrauch keiner Genehmigung mehr bedarf, beträgt eine Milliarde Bq (Europäische Direktive Nr. 96/29/ EURATOM v. 13. Mai 1996). Zum Vergleich: der Schwellenwert für Plutonium beträgt 37 Bq!
Gasförmiges Tritium stellt eine Brandgefahr und eine Gefährdung durch Radioaktivität dar. Die übliche Art und Weise, das Tritium-Gas zu fassen, besteht darin, es in das noch toxischer wirkende tritierte Wasser umzuwandeln. Darüber hinaus ist es außerordentlich schwierig, Tritium zu lagern, denn es entweicht selbst durch die allerkleinsten Poren. Beispielsweise durchdringt tritriertes Wasser Beton, sofern dieser nicht mit einer besonderen Auskleidung versehen ist, und tritriertes Wasser bildet in Gegenwart von Stickstoff salpetrige Säure, die die Behältnisse zerfrißt.
Als persönliche Schutzausrüstung des Arbeiters ist das Tragen einer Maske unzureichend; es ist notwendig einen „Tritium-dichten“ Schutzanzug zu benutzen, Schutzhandschuhe aus dickem PVC zu tragen, nach Möglichkeit 2 Paar Handschuhe zum Wechseln alle 20 Minuten (Vorschrift der kanadischen Kommission für nukleare Sicherheit, 2003), und nur in Bereichen zu hantieren, die sehr gut durchlüftet sind, um so die Tritium-Konzentration der Luft gering zu halten.
Im Falle einer Kontamination der Haut ist eine Dekontaminierung durch einfaches Waschen nötig. Im Falle einer inneren Kontaminierung muß die Urinausscheidung angeregt werden durch Verabreichen von 6 bis 8 Liter Wasser täglich unter ärztlicher Aufsicht mit Überwachung von Natrium und Kalium im Blut und im Urin, um eine Vergiftung durch Wasser zu vermeiden. Die biologische Halbwertzeit verringert sich dadurch von 10 – 12 Tage auf 3 – 4 Tage.
Für Trinkwasser empfehlen die Richtlinien der WHO (1993) einen Grenzwert von 7.800 Bq/l. Die für die Qualität des für den menschlichen Genuß bestimmten Wassers maßgebliche Europäische Richtlinie 98/83/CE legt als Indikator für eine Kontamination „die Konzentration an Tritium“ fest und schlägt als Warnschwelle den Wert von 100 Bq/l vor. Eine Ratsempfehlung der Regierung von Ontario/Kanada hatte 2003 vorgeschlagen, den erlaubten Höchstwert an Tritium im Trinkwasser innerhalb von 5 Jahren auf 20 Bq/l zu senken, und sieht eine noch viel weitergehende Verringerung vor.
- Das Tritium – was tut es uns an?
(Die Frage nach der Aufnahme und der Ausscheidung von Tritium und was daraus folgt)
Seit der „CIPR 60“[Internationale Strahlenschutz-Kommission ISSK], die die Strahlenbiologie des Tritiums in den Marmor geschrieben hat, wissen alle Strahlenschützer, daß sich dessen Radiotoxität auf dreierlei Weise äußert. Aus folgenden Gründen:
- Weil die Art und Weise des Eindringens von Tritium-Gas, von tritiertem Wasser und von organischen Molekülen „OBT“ sich grundlegend von einander unterscheiden: das erstere gelangt auf dem Atemweg in den menschlichen Körper, das zweite durch Aufnahme von Trinkwasser und die letzteren werden allein mit der Nahrung aufgenommen.
- Weil die Verteilung im Organismus ebenfalls sehr unterschiedlich ist:
Das eingeatmete Tritium-Gas verteilt sich im gesamten weichen Gewebe, doch ist die Aufnahme von Tritium-Gas etwa 1.000mal schwächer als die von tritiertem Wasser; die effektive Halbwertzeit (die die physikalische und die biologische Halbwertzeit berücksichtigt) beträgt etwa 10 Tage.
Tritiertes Wasser breitet sich in der Gesamtheit der flüssigkeitsführenden Abteilungen des Menschen aus, d.h. zugleich innerhalb und außerhalb der Zellen. Es wird durch Schweiß und Urin-Ausscheidungen entfernt. Doch 3% wandeln sich um in OBT. Die [biologische] Halbwertzeit beträgt maximal 40 Tage.
Die OBT treten in den Stoffwechsel ein je nach der Art des organischen Bestandteils, und ihre effektive Halbwertzeit beträgt maximal 550 Tage. Doch gilt es zu beachten, daß es außer zu dem betreffenden Stoffwechsel eine starke Bindungs-Neigung der OBT zu den Lipiden des Gehirns besteht.
In dieser verworrenen Lage hat die ISSK mehrmals Modelle vorgeschlagen, die die unterschiedlichen relativen biologischen Wirkungen (EBR) berücksichtigen, und sie hat auch ein Rechenverfahren für die biologische Kinetik des Tritiums vorgeschlagen. Die globalen Ergebnisse ergeben nach letzter Lesung (die Toxität ist hierin ermittelt aus der Einheit der Zerfälle durch die Einheit der Radioaktivität):
Tritium-Gas: 1,8 10-15 Sv je Becquereltritiertes Wasser: 1,8 10-11 Sv je BecquerelOBT: 4,1 10-11 Sv je Becquerel
Diese Bewertung zeigt den Anteil des Tritiums an der Jahres-Grenzdosis für den Menschen mit 1 µSv ; die globale Jahres-Grenzdosis für die Bevölkerung insgesamt beträgt 1 mSv *).
Dies erklärt auch die wenigen Fälle eingeräumter Umweltbelastungen durch Tritium, und es erklärt außerdem die wiederholten Forderungen der Atomanlagen-Betreiber, die legale Freisetzung dieser RadionukleÏde zu erhöhen.
Die Auflehnung der Strahlenbiologen
Angefangen hat alles mit dem Einwand von MEWISSEN in 1978 (1). Seine ursprüngliche Absicht war, die krebserzeugende Auswirkung des Tritiums an neugeborenen Mäusen zu untersuchen. Er hat zunächst die Wirkung tritierten Wassers untersucht und dann eine traditionelle OBT mit markiertem Thymidin versucht und hat eine Vielzahl von Ergebnissen und eine große Bandbreite der Schädigungen gefunden, die in diesem Fall nicht reproduzierbar waren, insbesondere hinsichtlich der Chromosomenbrüche.
Er hat dann versucht, die DNA, die RNS und die Tritium markierten Proteine abzutrennen.
Seine Schlußfolgerung war einfach: nichts ist so verschiedenartig wie die Auswirkungen des Tritiums in der Zelle, und folglich ist die Berechnung einer Dosis nicht möglich, die eine einheitliche Verteilung voraussetzt. Daraufhin hat er eine Überarbeitung der offiziellen Normen gefordert, jedoch ohne jeglichen Erfolg.
Man mußte bis 1999 auf die Arbeiten des Japaners WANG et al (2) warten, um zu beginnen die wirklichen intrazellulären Auswirkungen der OBT zu verstehen. Erinnert man sich an die gewaltige Entdeckung der Rolle des Proteins P53 mit seiner Fähigkeit, den Zellenzerfall hervorzurufen (d.h. den programmierten Tod), erinnert man sich weiter an seinen mitochondrialen Ursprung (d.h. die Zell-Organiten erzeugen auf Befehl Proteine und statten diese mit DNA und RNS aus), dann kann man der Begründung von Wang folgen. Wenngleich das Tritium nur geringe Möglichkeiten hat, sein Elektron in einen Kern zu senden angesichts des geringen zurücklegbaren Weges, selbst wenn Schädigungen an den Chromosomen nachgewiesen sind, kann es hingegen sehr leicht die Mitochondrien der Zelle schädigen, und eine Möglichkeit diese Auswirkung zu messen besteht in der Dosierung des P53. Wang hat Zellkulturen von Maus-Embryos verwendet und diese einer schwachen γ-Strahlung, tritiertem Wasser und einer OBT, dem Methyl-H³-Thymidin, unterzogen. In allen Fällen ergab sich eine verminderte Zellteilung und insbesondere eine gesteigerte Ausscheidung von P53, 2 Stunden nach der Einwirkung und dies vor Eintritt des Zellentodes. Darüber hinaus zeigte sich, daß bei den trächtigen Weibchen, denen tritiertes Wasser zu trinken gegeben wurde, der Anteil an Nachkommen mit Zelltod im Gehirn deutlich größer war als bei jenen, die einer γ-Strahlung ausgesetzt waren.
Angeregt von diesen Ergebnissen wurde das Einheitsmodell der CIPR/ISSK erneut in Frage gestellt durch Arbeiten von HAMBY und PALMER in 2001 (3) sowie von RICHARDSON und DUNFORD in 2003 (4). Diese schlagen vor, die biologische Wirkung der OBT mit dem dreifachen Wert anzusetzen, und weisen vor allem auf die besondere Toxität und insbesondere die der OBT für das Gehirn hin.
Ausgehend von dieser Feststellung einer besonderen Affinität des Tritiums zu den Lipiden des Gehirnes hat der Inder BHATIA in 2005(6) die Auswirkungen der nicht austauschbaren OBT, induziert durch tritiertes Wasser, auf das Gehirngewebe untersucht. Er hat dazu Mäuse im Alter von einer bis 3 Wochen verwendet und die in das Kleinhirn eingebrachten „Purkinje-Zellen“ untersucht. Bei der Behandlung mit tritiertem Wasser nimmt das Zellen-Volumen ab, und zwar stärker als nach einer Bestrahlung mit γ-Strahlen, und die Pycnocytose wird angeregt. Anschließend hat er die Kleinhirn-Ströme untersucht, um die Folgen der Tritium-Vergiftung auf die geistigen Fähigkeiten abzuschätzen. Er hat dabei eine Verringerung sowohl der Amplitude als auch der Frequenz des Potentials festgestellt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse hat er eine starke Erhöhung der EBR (Efficacité Biologique Relative = relative biologische Wirksamkeit) der OBT für das Gehirn gefordert und die Debatte neu angestoßen über die Gefährlichkeit schwacher Dosen des Tritiums, zumindest in Form der OBT, auch wenn die Betreiber von Atomanlagen darauf beharren, diese als vernachlässigbar anzusehen.
Was ist daraus zu schließen?
Die Infragestellung des beruhigenden klassischen Modells zur Toxität des Tritiums steht hinsichtlich der OBT auf der Tagesordnung. Dies betrifft zuerst das Abfall-Tritium in seiner Form als tritiertes Wasser, weil dieses die OBT erzeugt. Die wichtigsten Lieferanten dieses Giftes sind die militärischen Reaktoren (8), moderiert mit Schwerwasser, und die Wiederaufarbeitung der nuklearen Abfälle. Die nukleare Weiterverbreitung verschlimmert diesen Zustand. Die Vorhaben der nuklearen Fusion lassen eine noch größere Erzeugung und Freisetzung an Tritium erwarten.
Der Abgeordnete Christian Bataille stellt fest, daß das Tritium für die menschliche Gesundheit nicht bestreitbare Gefahren darstellt, die nie vergessen werden dürfen. Er fügt hinzu: „Die verantwortlichen Behörden der atomaren Einrichtungen, ob zivil oder militärisch, müssen sich bewußt sein, daß die Freisetzung von Tritium in die Umwelt in den kommenden Jahren zu einem Hauptproblem und sicherlich zu einem der Hauptgründe des Anti-Atom-Protestes werden wird.“
Wir Mediziner rufen jetzt dazu auf, die Tritium-Frage zu einer Hauptachse unserer Kampagne „ICAN“ zu machen, denn das Ende seiner Herstellung und somit seiner Freisetzung wäre ein gutes Zeichen für die Schaffung einer Welt ohne Atomwaffen.
*) Das SIEVERT (Sv) ist die Einheit für den Zerfall unter Berücksichtigung späterer Strahlenschäden beim Menschen. Es ist die absorbierte Dosis ausgedrückt in Gray (Joule/kg) gewichtet mit einem Faktor der Strahlung Wr und einem Faktor für bestrahltes lebendes Gewebe Wt.
BIBLIOGRAPHIE
1- MEWISSEN DJ, FUREDI M, UGARTE A, RUST JH. Comparative incorporation of tritium from triated water versus triated thymidine, uridine and leucine. Curr. Top Radiat. Res. 0 1978, 12, 1-4, 225-54
2- WANG B, TAKEDA H, GAO WM, ZHOU XY, ODAKA T, OHYAMA H, YAMADA T, HAYATA I. Induction of apoptosis by beta irradiation from tritium compounds in mouse embryonic brain cells. Health phys. 1999, 77-1, 16-23
3- HAMBY DM, PALMER TS, Analysis of an internal kinetic model for free and bound tritium. Health phys. 2001, 81-4,426-37
4- RICHARDSON RB, DUNFORD DW. A biochemical based model for the dosimetry of dietary organically bound tritium-part 2: Dosimetric evaluation. Health phys. 2003, 85-5, 539-52
5- ICRP Relative biological effectiveness, Quality factor, and radiation weighting factor 2004, IAN FAIRLIE comments, 2004
6- BHATIA AL. Radiation risk: technological perspective and public perception of tritium toxicity in the environment. Proc. 9th international conference on environmental science and technology, 2005
7- ROUSSEL-DEBET S, OIERRARD O, RENAUD Ph. Tritium, carbone 14: mythe ou réalité? Contrôle (asn) 2007, 177, 79-84 ASN Ed.
8- GUETAT Ph, LE GOFF P et al Apport de la surveillance du centre CEA VALDUC sur la connaissance des transferts de l’eau tritiée dans les différents compartiments de l’environnement, RADIOPROTECTION, 48,3, 2013.