Klima schützen ist kein Verbrechen – Solidarität mit den KlimaaktivistInnen

Jedes Jahr sterben tausende Menschen durch Fahrzeuge auf deutschen Straßen, jeder einzelne Tod ein Schicksalsschlag. Am 31. Oktober gab es einen weiteren dieser furchtbaren Unfälle: Eine 44-jährige Radfahrerin wurde von einem Betonmischer überfahren. Wir trauern um diesen Menschen. Den Angehörigen und FreundInnen gilt unser Mitgefühl.

Springerpresse und Gewerkschaft der Polizei, AfD und selbst die Innenministerin instrumentalisieren jetzt diesen schrecklichen Unfall, um die Aktionen der Letzten Generation, um radikalen Klimaaktivismus im allgemeinen zu diskreditieren und zu kriminalisieren. Die Tatsache, dass sich die vor Ort behandelnde Notärztin auch ohne eine Verspätung des Spezialfahrzeugs gegen dessen Einsatz entschieden hätte, fand dabei keinerlei Eingang in die öffentliche Diskussion, obwohl der Berliner Senat darüber bereits am Tag nach dem Unfall informiert war.

Die Delegitimierung von zivilem Ungehorsam geht einher mit einem brutalen „Shitstorm“ inklusive Morddrohungen gegen KlimaaktivistInnen. Der Versuch, die Letzte Generation für diesen Todesfall verantwortlich zu machen, ist schamlos und perfide. Es geht den HetzerInnen nicht um den Wert eines Menschenleben. Es geht um die Verdrängung der Tatsache, dass Deutschland trotz völkerrechtsverbindlicher Zusagen im Pariser Abkommen weiterhin keinen effektiven Klimaschutz betreibt, sondern die Nutzung fossiler Brennstoffe ausweitet und zu Klima-Ungerechtigkeit überall beiträgt. Diejenigen, die darauf hinweisen, sollen isoliert, eingeschüchtert und mundtot gemacht werden.

Die Letzte Generation hat dieses Jahr mit ihren Aktionen auf beeindruckende Art und Weise gezeigt, dass die deutsche Politik nicht akzeptiert, dass wir mehr Angst vor dem Klimakollaps haben, als vor Geld- oder Gefängnisstrafen. Nicht jede Aktion der Gruppe ist auf ungeteilte Zustimmung gestoßen, auch in der Klimabewegung gab es viel kritische Debatte über Aktionsformen, -ziele und demokratische Strukturen.

Die Diskreditierung und Kriminalisierung von KlimaaktivistInnen wie der Letzten Generation, wozu auch noch ein tragischer Todesfall instrumentalisiert wird, weisen wir aber entschieden zurück.

Aufruf der Anti-Atom-Ini KA

Impressionen der Kundgebung und Demo am AKW Neckarwestheim am 06.11.22

Aus Karlsruhe waren 35 Personen zur Demo und Kundgebung am AKW Neckarwestheim angereist.

(Mo., 7.11.22/SW) Die Sonne strahlte nicht nur vom Himmel, sondern auch von unzähligen gelben Anti-Atom-Fahnen, als sich der Protestzug mit rhythmischen Sambatrommeln, Trillerpfeifen, vielen Transparenten, wehenden Fahnen und selbstgestalteten Protestplakaten vom Kirchheimer Bahnhof die Weinberge hoch zum AKW Neckarwestheim bewegte. Fast schon routiniert und unaufgeregt wirkte der Demonstrationszug aus knapp 500 Menschen, oder war es einfach nur die kalte Wut über die herrschende Politik? Kurz vor dem über Jahrzehnte erkämpften Abschalttermin zum Ende dieses Jahres grätschte jetzt Bundeskanzler Scholz euphemistisch mit dem „Streckbetrieb“ dem längst beschlossenen Atomausstieg in die Parade. Da fehlen einigen von uns einfach die Worte…

Auch wenn Teile der Anti-Atom-Bewegung jetzt resignieren und sich noch nicht wieder auf die Straße bewegen lassen, zeigte auch diese Demonstration zwar keine Masse, sondern Klasse!

Angelika Claußen von IPPNW kritisierte in ihrem Redebeitrag, dass die rot-grün-gelbe Bundesregierung – von vielen völlig unbemerkt – eine staatliche Unterstützung des Konzerns Uniper einleite. Damit beteilige sich die Bundesregierung nicht nur am Neubau eines Atomkraftwerks, sondern auch an zwei bestehenden Atomkraftwerken in Schweden, außerdem an Kohlekraftwerken in Russland und in den Niederlanden, nebst einer Klage gegen den vorzeitigen Kohleausstieg in den Niederlanden.

Auch von den beiden anderen von der geplanten Laufzeitverlängerung betroffenen Standorten waren u.a. Peter Bastian aus Lingen (AKW Emsland) und Petra Filbeck aus Landshut (AKW Isar) nach Neckarwestheim gekommen um als deutliches politisches Zeichen gemeinsam gegen diese unsinnige energiepolitische Entscheidung zu protestieren.

Herbert Würth vom Bündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim erklärte: “Deutschland habe kein Strom-, sondern ein selbstverschuldetes Wärme- und Gasproblem. Ein Weiterbetrieb der drei deutschen Atomkraftwerke helfe deshalb dabei nicht,“ Er forderte neben der sofortigen Abschaltung der AKW auch eine weitere und viel konsequentere Energiewende.

Für die nächsten Wochen sind weitere Aktionen in Planung. Sollte die Laufzeitverlängerung über den 31. Dezember hinaus Wirklichkeit werden, kündigt eine Initiative namens „Runterfahren“ schon jetzt eine Warnblockade vor den Toren des EnBW-Atomkraftwerks am 26.  November an. Eine Fortsetzung der Proteste wird nicht ausgeschlossen.

Klimakatastrophe, Artensterben, Krisenwinter und Konzerngwinne – werde jetzt dagegen aktiv!

Veranstaltungsreihe

Zusammen mit anderen Gruppen in Karlsruhe, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen, starten wir eine Veranstaltungsreihe bei der du uns kennenlernen kannst!

Mit dabei sind das Antikapitalistische Klimatreffen Karlsruhe, die Anti-Atom-Initiative Karlsruhe, Extinction Rebellion Karlsruhe, die Interventionistische Linke Karlsruhe, der Aktionskreis Internationalismus Karlsruhe, die Feministische Intervention Karlsruhe und wir, das Klimakollektiv Karlsruhe.

Wir freuen uns schon sehr auf dich!

Keine AKW-Laufzeitverlängerungen in Neckarwestheim (BaWü), Emsland (NI) und Isar (Bayern) und keine weitere Forschung um KIT Karlsruhe zu Brennstäben der nächsten AKW-Generation, das ist die Haltung der Anti-Atom-Ini KA auch in der gegenwärtigen Energiekrise. Die Anti-Atom-Ini KA stellt sich und ihre Arbeit vor, informiert und diskutiert mit euch über die derzeitige Energie- und Atompolitik, die Laufzeitverlängerungen, und wie das Joint Research Center auf dem Gelände des KIT Nord dabei mitmischt. Die Atom-Lobby will die aktuelle Energieunsicherheit ausnutzen, um den Atomausstieg rückgängig zu machen. Dass fast die Hälfte des Urans der europäischen AKW aus Russland kommt und somit eine enorme Abhängigkeit vom russischen Staatskonzern Rosatom besteht, wird in der derzeitigen Diskussion um den Weiterbetrieb von AKW ignoriert. Warum gibt es von Seiten der EU keine Sanktionen für russisches Uran? Diese und andere Fragen wollen wir mit euch diskutieren.

Atomausstieg sofort!
Energiewende jetzt!

Eine kritische Öffentlichkeit ist überall von Nöten. Wir laden euch herzlich ein bei uns mit zu machen.

Termine:

Alle Termine findest du auch auf dem Sharepic unten oder unter linktr.ee/werdeaktiv. Dort gibt es auch einen Flyer mit den Beschreibungen zu allen Veranstaltungen zum Download.

Sa. 12.11.22 19:00 | Barrio 137, Luisenstr. 31
Antikapitalistisches Klimatreffen – Energiekrise und verschleppte Energiewende

Mo. 21.11.22 19:00 | Jubez-Studio, Kronenplatz 1
Anti-Atom-Initiative Karlsruhe – Atompolitik – Laufzeitverlängerungen – Brennstäbe Forschung KIT KA

Do. 24.11.22 18:30 | Kreativraum Rintheimer Str. 46
Extinction Rebellion – Kreativ gegen Klimakrise und Artensterben! Stencil Workshop und Infoabend

Mo. 28.11.22 19:00 | Jubez-Café, Kronenplatz 1
Interventionistische Linke und Arbeitskreis Internationlismus – Auch in Krisenzeiten – Vorschläge zur sofortigen Energie- und Mobilitätswende

Mo. 05.12.22 19:00 | Roter Stern, Gewerbehof, Steinstr. 23
Feministische Intervention – Feminismus. Streik. Klimagerechtigkeit.

Mo. 12.12.22 19:00 | Jubez-Café, Kronenplatz 1Klimakollektiv – Workshop Klimagerechtigkeit – Was ist das und wie kommen wir dahin?


Kampagne „RUNTERFAHREN“

Liebe Anti-Atom und Klimaaktivist*innen,

am Fr. 11.11.22 findet im Barrio um 19 Uhr eine Infoveranstaltung zur Kampagne „RUNTERFAHREN“ statt.
Ein Aktivist der Kampagne wird anwesend sein und das Projekt vorstellen.

Kommt und informiert euch. Werdet Teil der Kampagne gegen Laufzeitverlängerung und für den Atomausstieg.

Nachfolgend der Aufruf zur Kampagne „RUNTERFAHREN“

Wir werden Ende November das Atomkraftwerk Neckarwestheim blockieren, um damit ein deutliches Zeichen gegen den Weiterbetrieb und potenzielle Laufzeitverlängerungen zu setzen.
Seid ihr dabei?

Mit dem Atomausstieg wurde nach dem Super-GAU von Fukushima im harten Ringen ein parteipolitischer Minimalkonsens erzielt, den die breite Anti-AKW-Bewegung nur zähneknirschend hingenommen hat. Nun soll dieser lange hinausgezögerte „Ausstieg“ im letzten Moment zurückgenommen werden, indem ausgerechnet der Riss-Reaktor Neckarwestheim, der Leck-Reaktor Isar II und das AKW Emsland nicht wie geplant am 31.12.2022 vom Netz gehen. Die Alterungsschäden dieser seit Jahren minimal sicherheitsüberprüften Anlagen nehmen täglich zu und mit ihnen die Gefahr für einen schweren Störfall. Wir sind nicht bereit, dieses Risiko länger zu tragen und stellen uns entschieden quer!

Was? Warnblockade für einige Stunden
Wann? 25.-27. November 2022
Wo? Atomkraftwerk Neckarwestheim
Wer? Wir sind eine bunte Gruppe von Menschen, die sich in der Kampagne „RUNTERFAHREN“ zusammengefunden haben. Viele von uns kommen aus früheren Organisationsstrukturen von X-tausendmal quer gegen Castor-Transporte ins Wendland, einige sind seit Jahrzehnten in lokalen Anti-Atom-Initiativen engagiert. Andere bringen frischen Wind mit ihren Erfahrungen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung sowie queerfeministischen und antimilitaristischen Kontexten mit. Und euch hätten wir sehr gerne dabei!

Weitere Infos findet ihr auf dem Flyer im Anhang und auf unserer Website www.runterfahren.org
Was ihr jetzt tun könnt:

  • Wenn ihr weiter informiert werden wollt, tragt euch auf jeden Fall in unseren Infoverteiler ein: https://runterfahren.org/aktion/ (rechts an der Seite)
  • Kommt alleine oder mit eurer Gruppe zu unserer Aktion am letzten Novemberwochenende. Konkretere Infos dazu gibt es in den nächsten Wochen über den Infoverteiler und unsere Website.
  • Mobilisiert in euren Kreisen für die Aktion. Dafür könnt ihr z.B. den Flyer nutzen oder das Sharepic (siehe Anhang) über Social Media mit dem Hashtag #Runterfahren verbreiten.

Bei Fragen meldet euch gerne unter kontakt@runterfahren.org

Lasst uns gemeinsam auf der Straße den Atomausstieg erkämpfen!

Herzliche Grüße
Menschen der Kampagne RUNTERFAHREN

Unterstützt die „Abschalt-Demo“ zum AKW-Neckarwestheim am 6. November 2022

Hallo Anti-Atom-Bewegte,

die Anti-Atom-Ini KA unterstützt den Aufruf (siehe unten) zur Abschalt-Demo in Neckarwestheim und wir haben mehrere Stadtmobil 9-Sitzer gebucht um gemeinsam zur Demo zu fahren.
Jede und jeder von euch ist wichtig: Fahrt mit!

Abfahrt am 6.11.22 um 10.45 Uhr in der Mika und um 11 Uhr am KA Hbf Süd.
Verbindliche Anmeldung mit Vor- und Zuname, E-Mailadresse und Handy-Nr. unter: initiative@anti-atom-ka.de.
Fahrpreis 10-15 €, weniger ist auch möglich – nach Selbsteinschätzung.

Hier der Aufruf vom Bündnis Neckarwestheimer Anti-Atom-Initiativen:
www.endlich-abschalten.de 

21. Oktober 2022 „Abschalt – Demo“ am Sonntag 6. November zum AKW-Neckarwestheim  
Beginn 13:00 Uhr am Bhf. Kirchheim/N.

Atomkraftwerke abschalten – keine Laufzeitverlängerungen!
Weitere Energiewende jetzt!

Liebe Atomkraftgegner*innen, liebe Energiewender*innen,

statt dem Atomausstieg zum Jahresende gibt es nun für alle drei Atomkraftwerke eine Laufzeitverlängerung bis April 2023. Die Tür für weitere Verlängerungen des AKW-Betriebs wird so von der Ampel-Regierung weit geöffnet.
Jetzt wird in Deutschland zum zweiten Mal nach 2010 ein vereinbarter Atomausstieg mit Laufzeitverlängerungen gekippt! Dabei hat der Stresstest Nr. 2 ergeben, dass es in Deutschland kein Strom-, sondern ein selbstverschuldetes Wärme und Gasproblem gibt. Der Weiterbetrieb der drei AKWs hilft dabei nicht.

Die politische Debatte zu den Laufzeitverlängerungen hat mit den Fakten zur Stromversorgung so gut wie nichts mehr zu tun. Mit Begründungen wie „Netzstabilität“ und Probleme der AKWs in Frankreich werden nur Scheinargumente vorgeschoben. In der aktuellen Energie-Debatte geht es nicht um die dringend notwendigen Sofortmaßnahmen zur raschen weiteren Energiewende, um die Abhängigkeit von Fossilen kurzfristig zu reduzieren.
Im Gegenteil: mit Unterstützung aus Deutschland werden neue Öl- und Gasfelder realisiert und langfristige Lieferverträge abgeschlossen. Statt für die Energiewende werden viele Milliarden Euro für neue fossile Infrastrukturen bereitgestellt: für Terminals an vier Standorten für LNG- und Fracking-Gas und  für umweltschädlich produzierten Wasserstroff. So wird durch die Ampel-Regierung und gleichermaßen durch die Opposition der Umwelt- und Klimaschutz weiter behindert und ausgebremst.

Es ist wieder dringend notwendig gegen Atomkraft und Fossile zu protestieren. Wir rufen deshalb dazu auf, unbedingt zu unserer Abschalt-Demo am 6.11.22 nach Neckarwestheim zu kommen. Auftakt ist um 13 Uhr am Bahnhof in Kirchheim am Neckar!

Wir fordern: 
– Atomausstieg jetzt – Keine Laufzeitverlängerungen!
– Rasche weitere Energiewende jetzt!Unterstützt uns bei der Mobilisierung zur Abschalt-Demo nach Neckarwestheim am 6. November

Wir haben einen Flyer (A5)  & Plakate (A2+A3), die ihr bei uns anfordern könnt: zum auslegen, aufhängen und verteilen.
Wir versenden kostenlos – freuen uns über eine Spende!

Bestellung: info@endlich-abschalten.de
In Heilbronn können Freitagvormittags oder nach telefonischer Absprache in der BUND Regionalgeschäftsstelle, Lixstraße 10, Heilbronn, Materialien direkt abgeholt werden. Tel. 07131- 772058Demo-Hinweis:
Die Demonstration findet unter Einhaltung der dann geltenden Corona-Regeln statt.

Ihr könnt als Gruppe oder Organisation Unterstützer*in dieser Demo werden!
Diesbezüglich freuen wir uns über eine kurze Mail und – sofern möglich – eine Spende.
Alle unterstützenden Gruppen, Initiativen und Verbände führen wir auf unserer Demo-Homepage www.endlich-abschalten.de auf Wunsch mit Logo und Verlinkung auf. Hierzu bitten wir um Zusendung Eures Logos an: info@endlich-abschalten.de

Unsere Bankverbindung für Spenden, auch zur Durchführung der Demo (steuerlich absetzbar):     
     BBMN e.V. (Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar)
     VR Bank Ludwigsburg eG
     IBAN DE04 6049 1430 0471 7900 01
     BIC GENODES1VBB
     Stichwort „Abschalt-Demo“

Kontakt:  Unsere E-Mail-Adresse lautet info@endlich-abschalten.de.

Unterstützt uns bitte bei der Mobilisierung! Leitet diese Mail an Interessierte und über Eure Verteiler weiter – macht die Demo in Euren Bezügen bekannt!

Mit freundlichen Grüßen
für das Bündnis Neckarwestheimer Anti-Atom-Initiativen
www.endlich-abschalten.de

Aufruf zur Demo nach Neckarwestheim am 06.11.22

Jede und jeder von euch ist wichtig:
FAHR MIT!
Die Anti–Atom–Ini KA hat einen Bus gechartert:
Busfahrt zur Demo nach Neckarwestheim zum Atomkraftwerk GKN 2
am So., 06.11.2022
Abfahrt Karlsruhe um 11 Uhr
Rückkehr nach Karlsruhe um 18 Uhr
Verbindliche Anmeldung mit Vor– und Zunamen, E–Mailadresse, Handy–Nr.
unter: initiative@anti–atom–ka.de
Mit der Anmeldung erhaltet ihr den Treffpunkt für die Busabfahrt.
Fahrpreis nach Selbsteinschätzung: 7 – 14 €
Die mitfahrt soll am Geld nicht scheitern!

Die Anti-Atom-Ini KA ruft zur Teilnahme an der Demo am AKW Neckarwestheim auf.
Achtung! Terminänderung, die Demo vom 22.10.22 wurde auf den 06.11.22 verlegt.

Laufzeitverlängerung – sinnlos, gefährlich und teuer

Nachfolgenden Artikel dürfen wir mit freundlicher Genehmigung www.atommuellreport.de veröffentlichen.

Update 28.09.2022

Am 27.09.2022 erklärte Wirtschaftsminister Habeck (Grüne), dass er einen Weiterbetrieb der beiden AKW Ohu 2 (Isar 2) und Neckarwestheim 2 über den 31.12.2022 hinaus „Stand heute“ für nötig halte. [1] <https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/habeck-akw-weiterbetrieb-105.html> Gleichzeitig veröffentlichte er seine Vereinbarungen mit den beiden AKW-Betreibern für den Weiterbetrieb. [2] <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/220927-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=4> Ob dies das letzte Wort sein wird, ist fraglich. Kurz vor Ende der Atomenergienutzung in Deutschland wittern die Verfechter der Atomkraft Morgenluft angesichts möglicher Energieengpässe durch den Ukrainekrieg und die verhängten Sanktionen gegen Russland.

Jahrelang wurde versucht, Atomkraft wieder hoffähig zu machen, in dem der Atomstrom als billig und klimafreundlich deklariert wurde. – von denselben Akteur*innen, die einen Energiepreisdeckel oder ein Tempolimit ablehnen. Das Umweltbundesamt hat aktuell festgestellt, dass durch ein Tempolimit (Autobahnen Tempo 100 und außerorts Tempo 80 ) jährlich 2,1 Milliarden Liter fossile Kraftstoffe in Deutschland eingespart werden könnten. Das entspräche 3,8 Prozent des Kraftstoffverbrauchs im Verkehrssektor. [3] <https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/einsparpotenzial-tempolimit-101.html> Die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt, dass ein Tempolimit fünf bis sieben Prozent der russischen Ölimporte reduzieren könnte. [3] <https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/einsparpotenzial-tempolimit-101.html> Nachdem in der aktuellen Debatte auch der Verweis auf die Probleme bei der Gasversorgung nicht so richtig gezogen hat, da Atomkraft die Wärmeversorgung durch das Gas kaum ersetzen kann, ist das aktuelle Argument, die Solidarität mit Frankreich bzw. die Netzstabilität die durch die desolate Atompolitik Frankreichs in Frage stehen würde. Eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ist für die Energiesicherheit unnötig, hochriskant und senkt die Abhängigkeit von Russland in keiner Weise.

*Atomenergie als Antwort auf das Atomenergie-Desaster Frankreichs?*

Die Stromproduktion in Frankreich <https://www.atommuellreport.de/themen/detail/frankreich-spannungsrisskorrosion-legt-akws-lahm.html> liegt aufgrund einer völlig verfehlten, einseitig auf Atomkraft setzenden Energiepolitik ziemlich danieder. Seit Beginn 2022 wird bis auf wenige Ausnahmen täglich Strom aus Deutschland nach Frankreich in einer Größenordnung von bis zu über 100 Gigawattstunden (GWh) exportiert. Ein konventionelles oder nukleares Großkraftwerk erzeugt ca. 20 bis knapp 30 GWh pro Tag. Die deutschen Atomkraftwerke (und mindestens ein weiteres Kraftwerk) laufen also rechnerisch nur für den Export und stützen so die verfehlte Atomenergiepolitik Frankreichs, die trotz der offensichtlichen Probleme mit den Reaktoren weiterhin auf Atomkraft statt auf Erneuerbare Energie setzt.

*Die Rolle der Grünen *

Befeuert wurde die Debatte um die Laufzeitverlängerung durch Grüne Politiker*innen. So erklärte beispielsweise die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckart (Grüne) bereits am 24.7.2022. in einer Talkshow, dass Atomkraft notwendig werden könnte, um die Stromversorgung von Krankenhäusern aufrecht zu erhalten. [4] <https://www.welt.de/politik/deutschland/article240099753/Energie-Krise-Goering-Eckardt-offen-fuer-AKW-Streckbetrieb-Scholz-will-zweiten-Stresstest-abwarten.html> Selbst bei etwaiger Knappheit wird hier in Anbetracht der Kapazitäten Deutschlands ein unrealistisches (Horror-)Szenario aufgemalt, das Ängste schürt, anstatt eine zielorientierte Energiewende-Debatte voranzubringen.

Ebenfalls im Juli 2022 haben SPD und Grüne der Stadt München im Aufsichtsrat der Stadtwerke München beschlossen, sich für einen Weiterbetrieb des AKW Ohu 2 (Isar 2) einzusetzen. Die Stadtwerke München halten 25% an dem Atomkraftwerk. Die restlichen 75% sind im Besitz der PreussenElektra GmbH, einer 100%igen Tochter des E.ON-Konzerns. Die 2. Bürgermeisterin in München, Katrin Habenschaden (Grüne), verteidigte ihre Entscheidung gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: „Die Versorgungssicherheit der Münchnerinnen und Münchner hat da für mich wirklich Vorrang“. [5] <https://www.br.de/nachrichten/bayern/spd-und-gruene-in-muenchen-fuer-laengere-laufzeit-des-akw-isar-2,TCDjnET>

Die Grüne Umweltministerin Lemke, die die Atomaufsicht in Deutschland führt und für Reaktorsicherheit zuständig ist, hält sich bedeckt. Der Grüne Wirtschaftsminister führt seine Partei Stück für Stück aus der Ablehnung der Atomenergienutzung heraus, immer mit dem Verweis auf angebliche objektiven Sachzwänge. So durften die Entscheidung für einen Reservebetrieb die Übertragungsnetzbetreiber begründen.

Im Wesentlichen außen vor bleibt dabei das Stromeinsparpotential, das in vielen Bereichen auf der Hand liegt. Auch eine stundenweise Reduzierung stromintensiver Produktion wäre ein Beitrag zur Netzstabilisierung. Während es im Gassektor bereits Vorkehrungen für eine eventuelle Rationierung von Gas gibt, ist dies im Stromsektor nicht der Fall.

*Atomkraftwerke als Reserve?*

Wirtschaftsminister Habeck hat im Juli 2022 die vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW mit einem sogenannten „Stresstest“ beauftragt. Sie sollten erklären, ob und gegebenenfalls wie die Stromnachfrage im Winter gedeckt und die Netzstabilität erhalten werden kann.

50Hertz betreibt das Stromnetz auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und war vorübergehend im Besitz des Atomkonzerns Vattenfall. Derzeitige Anteilseigner von 50Hertz sind die börsennotierte belgische Holding Elia Group (80 Prozent) und die KfW Bankengruppe mit 20 Prozent. [6] <https://www.50hertz.com/de/Unternehmen/Historie> Amprion ist eine Ausgründung von RWE, die heute noch 25,1 Prozent hält. Die andere Anteilseignerin ist mit 74,9 Prozent die M31 Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Energie KG (ein Konsortium von überwiegend deutschen institutionellen Finanzinvestoren aus der Versicherungswirtschaft und von Versorgungswerken. Dazu zählen etwa die MEAG MUNICH ERGO, Swiss Life und Talanx sowie Pensionskassen). [7] <https://www.amprion.net/Amprion/Finanzen/Anteilseigner/> Tennet ist eine Ausgründung von E.ON. Heutiger Eigentümer der Tennet Holding ist der Niederländische Staat. [8] <https://www.tennet.eu/de/ueber-uns/ueber-tennet/unsere-geschichte> Die Transnet BW ist eine Ausgründung von EnBW und immer zu 100 Prozent im Besitz Energieversorgers EnBW, der auch das AKW Neckarwestheim 2 betreibt. [9] <https://www.enbw.com/media/bericht/bericht-2021/downloads/jahresabschluss/jahresabschluss-enbw-ag-2021.pdf>

Im Stresstest [10] <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/20220914-stresstest-strom-ergebnisse-langfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=16> wurden nach Vorgaben des Wirtschaftsministeriums verschiedene Szenarien geprüft. Parameter waren die Verfügbarkeit französischer Atomkraftwerke, mögliche Einschränkungen bei der Versorgung deutscher Kraftwerke mit Kohle auf dem Wasserweg wegen dauerhaftem Niedrigwasser, Nicht-Verfügbarkeit von Gaskraftwerken, extreme Kälte und ein deutlich erhöhter Verbrauch durch elektrische Heizlüfter.

Ergebnis: Je nach Szenario kann es im Winter stundenweise zu Netzengpässen kommen. Dagegen soll ein Bündel an Maßnahmen helfen. Laut Minister Habeck gehört dazu auch, die beiden AKW Ohu 2/Isar 2 und Neckarwestheim 2 am 31.12.2022 nicht endgültig abzuschalten, sondern in die Reserve zu überführen bzw. weiterzubetreiben. Und das, obwohl die Atomkraftwerke nur einen extrem kleinen Beitrag leisten könnten und selbst in einem sehr kritischen Strombedarfsszenario im Winter den Bedarf an Redispatchkraftwerken im Ausland nur um 0,5 GW senken können und nicht um die Nennleistung der AKW. [10] <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/20220914-stresstest-strom-ergebnisse-langfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=16>

*Streckbetrieb *

Das Zauberwort in dieser Debatte um eine Laufzeitverlängerung heißt „Streckbetrieb“. Bei einem Streckbetrieb, der bereits in anderen AKW im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Laufzeit durchgeführt wurde, nimmt durch eine bewusste Reduktion der Kühlmitteltemperatur die Dichte des Kühlmittels im Reaktor zu. Die Neutronen werden besser abgebremst, wodurch mehr Neutronen für die Spaltung zur Verfügung stehen. Diesen Effekt macht man sich zu Nutze und betreibt den Reaktor über sein natürliches Zyklusende hinaus. Dadurch wird die Neutronen-Moderation verbessert und man kann ein bisschen mehr Energie aus dem Brennstoff rausholen als beim Betrieb mit 100 % Leistung. Die Stromproduktion wird durch Streckbetrieb nicht nur in die Länge gezogen, sondern insgesamt leicht erhöht. Das bringt nicht viel an zusätzlicher Energie. „Ein solcher Betrieb ist für mindestens 80 Tage realisierbar. Da ein Reaktorblock im Streckbetrieb täglich ca. 0,5 % seiner Leistung einbüßt, wäre er nach 80 Tagen noch bei ca. 60 % seiner ausgelegten Leistung.“ [11] <https://www.grs.de/de/glossar/streckbetrieb>

Laut dem Niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies sind die Brennelemente im AKW Lingen 2/Emsland zum Ende des Jahres aufgebraucht. [12] <https://www.rnd.de/politik/akw-laufzeitverlaengerung-niedersachsens-energieminister-lies-warnt-vor-fehler-PWUI6KVNHH4EHB2CZU4AHQRIGA.html> Anders sieht die Situation beim bayrischen AKW Ohu 2 (Isar 2) und dem baden-württembergischen AKW Neckarwestheim 2 aus.

*AKW Ohu 2 (Isar 2)*

Die Aussagen über die Situation im AKW Ohu 2 <https://www.atommuellreport.de/daten/detail/kw-ohu-2-isar-2.html> sind höchst widersprüchlich. Im April veröffentlichte der TÜV Süd eine Stellungnahme im Auftrag der bayerischen Landesregierung zur „Bewertung der konkreten erforderlichen technischen Maßnahmen für einen Weiterbetrieb des KKI 2 bzw. eine Wiederinbetriebnahme des Blocks C des KRB II“. Er kommt bei Ohu 2 (Isar 2) zu dem Schluss, dass keine Drosselung der Leistung vor dem 31.12. nötig wäre und am Ende des Betriebszyklus Reaktivitätsreserven für einen Weiterbetrieb für ca. 80 Tage bestünden. Durch ein Umsetzen der vorhandenen Brennelemente könne der Reaktor sogar bis in den August 2023 betrieben und zusätzlich bis zu 5.160 GWh Strom erzeugt werden. [13] <https://www.stmuv.bayern.de/themen/reaktorsicherheit/doc/tuev_stellungnahme.pdf>

Am 07.09.2022, nur zwei Tage, nachdem Habeck erklärte, Ohu 2 in die Reserve überführen zu wollen, wandte sich der Chef von PreussenElektra gegen die Pläne des Ministers. Knott erklärte in einem Brandbrief an Minister Habeck, dass in einem Streckbetrieb „ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht mehr möglich ist“. Minister Habeck fühlte sich missverstanden und stellte klar, dass es nicht um ein beliebiges Zu- und Abschalten der beiden Atomkraftwerke gehe, sondern dass im Dezember bzw. Januar die Lage erneut beurteilt und entschieden werde, ob die AKW in Streckbetrieb gehen sollten und dann für die folgenden Wochen in Betrieb bleiben würden – unabhängig, ob dies für die Versorgung bzw. Netzstabilität tatsächlich nötig sei. [14] <https://www.sueddeutsche.de/politik/atomkraft-deutschland-isar-2-reservebetrieb-1.5653018?print=true>

Zwei Wochen später wurde bekannt, dass es eine Leckage an einem Sicherheitsventil in Ohu 2 gibt. Nachdem PreussenElektra noch im August betont hatte, dass es kein Problem wäre, Ohu 2 bis Ende 2022 unter Volllast zu fahren und anschließend in den Streckbetrieb zu überführen, erklärt der Betreiber nun, dass das Ventil für den Streckbetrieb ausgetauscht werden muss und zwar noch im Oktober: „Bis 31. Dezember bereite das keine Probleme, die Anlage könne sicher weiterlaufen. Ganz anders sehe das bei einem möglichen Betrieb bis Mitte April aus – dann sei eine Reparatur fällig, und das rasch, noch im Oktober. Grund: Schon im November hätten die Brennelemente des Reaktorkerns „eine zu geringe Reaktivität, um die Anlage aus dem Stillstand heraus dann wieder hochzufahren“.“ [15] <https://www.sueddeutsche.de/bayern/energie-atomkraft-streckbetrieb-isar-2-kernkraftwerk-1.5660745?print=true>

In der Vereinbarung zwischen dem Wirtschaftsminister und den Betreibern werden die Reserven nach unten korrigiert. Das leckende Ventil soll im Oktober in einem einwöchigen Stillstand ausgetauscht werden. Der Reaktor wird dann wieder weiterbetrieben. Im Dezember entscheidet der Wirtschaftsminister, ob das AKW Ohu 2 in den Streckbetrieb gehen soll. Falls ja, werde dieser vermutlich bis Anfang März aufrecht erhalten werden können, mit anfangs 95% und am Ende 50% Leistung und ca. 2 TWh Stromproduktion. [2] <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/220927-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=4>

*AKW Neckarwestheim 2*

Das AWK Neckarwestheim 2 soll zum 31.12.2022 abgeschaltet und anschließend innerhalb von 2-3 Wochen der Reaktorkern rekonfiguriert werden. Im Dezember entscheidet der Wirtschaftsminister, ob das AKW Neckarwestheim 2 in den Streckbetrieb gehen soll. Im Januar wird diese Entscheidung nochmals überprüft. Das AKW Neckarwestheim könnte dann bis zum 15.04.2023 weiterlaufen, mit anfangs 70% und am Ende 55% Leistung und ca. 1,7 TWh Stromproduktion. [2] <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/220927-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=4>

Neckarwestheim 2 <https://www.atommuellreport.de/daten/detail/akw-neckarwestheim-ii.html> steht seit Jahren in der Kritik wegen der enormen Versprödung sicherheitsrelevanter Bauteile. Bisher wurden mehr als 300 Risse in den Rohren der Dampferzeuger entdeckt. Sie können zum Abriss der Rohre führen und einen schweren Kühlmittelverluststörfall auslösen, der bis zur Kernschmelze führen kann. [16] <https://www.atommuellreport.de/fileadmin/Dateien/pdf/Datenblaetter/Neckarwestheim/Gutachten_Bewertung_zu_Schaeden_durch_Spannungsrisskorrosion_an_Dampferzeuger-Heizrohren_im_GKN_II.pdf>

*Periodische Sicherheitsüberprüfung der AKW seit Jahren überfällig*

Es gibt gute Gründe gegen den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke, allen voran das Risiko einer Atomkatastrophe in Landshut oder Neckarwestheim. Die Atomkraftwerke weisen erhebliche Alterungsprobleme auf. Die umfassende periodische Sicherheitsüberprüfung, die eigentlich vor drei Jahren hätte stattfinden müssen, wurde den Betreiber erlassen wegen der Beendigung des Betriebes spätestens Ende 2022. [17] <https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/atomkraft_atomstudie_laufzeitverlaengerung_2022.pdf>

Bei der periodischen Sicherheitsüberprüfung wird vor allem überprüft, inwieweit sich der Zustand einer Anlage von den aktuellen Sicherheitserkenntnissen und dem Stand von Wissenschaft und Technik entfernt hat und welche Nachrüstungsmaßnahmen notwendig sind. Vor dem Hintergrund, dass die letzten PSÜ vor den Anschlägen auf das World Trade Center stattgefunden haben, wird die Lücke zwischen der Sicherheit in den laufenden Reaktoren und neueren Erkenntnisse deutlich. Auch Maßnahmen gegen einen Terrorangriff außerhalb der Reaktoren wurden nicht umgesetzt. Die Nebeltarnung, die nach dem Anschlag auf das World Trade Center als angeblicher Schutz im Angriffsfall propagiert wurde, ist gar nicht erst errichtet worden. [17] <https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/atomkraft_atomstudie_laufzeitverlaengerung_2022.pdf>

Auch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE) weist auf die fehlende Sicherheitsüberprüfung, die fehlende technische Anpassung an neueste Sicherheitsentwicklungen und den fehlenden Schutz vor einem Angriff auf die Atomkraftwerke hin. Das Risiko katastrophaler Unfälle habe sich noch einmal verschärft. [18] <https://www.base.bund.de/DE/themen/kt/ausstieg-atomkraft/laufzeitverlaengerung-faq.html>

In der Vereinbarung zwischen Minister und Betreibern wurde festgelegt, dass sich an den aktuellen Sicherheitsanforderungen nichts ändert. Die Pflicht zur PSÜ bleibt ausgesetzt, die Betreiber bleiben in der atomrechtlichen Verantwortung und Haftung. [2] <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/220927-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=4>

Der Streckbetrieb birgt jedoch ein ganz eigenes Sicherheitsproblem. Denn wenn jedes ungeplante Herunterfahren des Reaktors bedeutet, dass dieser aufgrund des fortgeschrittenen Abbrandes gar nicht mehr in Betrieb gehen kann, ist zu befürchten, dass selbst bei erheblichen Problemen auf jeden Fall ein Abschalten vermieden werden wird.

Im Gegensatz dazu sieht der TÜV Süd in seiner Stellungnahme für das Bayerische Staatsministerium für Umwelt weder bei einer Laufzeitverlängerung des AKW Ohu 2 noch bei einer Wiederinbetriebnahme des AKW Gundremmingen C irgendwelche Sicherheitsprobleme. [13] <https://www.stmuv.bayern.de/themen/reaktorsicherheit/doc/tuev_stellungnahme.pdf> Der TÜV Süd ist seit Jahrzehnten als Gutachter für die AKW-Betreiber unterwegs und hat noch nie Sicherheitsprobleme gesehen. Der gleiche TÜV Süd hatte auch trotz offensichtlicher Sicherheitsbedenken die Stabilität des 85 Meter hohen Damms der Eisenerzmine Córrego do Feijão zertifiziert. Bei dem Dammbruch im Januar 2019 starben mehr als 270 Menschen und das Gebiet wurde mit giftigem Schlamm überflutet. [19] <https://www.tagesschau.de/wirtschaft/klage-tuev-sued-dammbruch-brasilien-101.html>

*Wer die Kosten trägt*

Noch vor wenigen Monaten hatten sich die Betreiber der Atomkraftwerke gegen eine Laufzeitverlängerung ausgesprochen und eine Zustimmung höchstens in Aussicht gestellt, falls der Staat alle Kosten und Risiken übernimmt. [20] <https://www.bmuv.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/nukleare-sicherheit/faq-akw-laufzeitverlaengerung>

In der Vereinbarung zwischen Minister und Betreibern wurde festgelegt, dass davon ausgegangen wird, dass im Falle des Weiterbetriebs der Anlagen die Kosten durch die Erlöse für den Strom gedeckt werden würden. Sollte dies nicht eintreffen, erhalten die Betreiber vom Staat einen „Verlustausgleich“. [2] <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/220927-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=4>

Sollte ein Reaktor nicht weiterbetrieben werden, würden die Kosten für Stillstände, Personal- und Sachkosten, Aufwand für behördliche Verfahren, Erfüllung Meldepflichten, Kosten für Deckungskäufe im Fall von Stillständen vor dem 31.12.2022, Kosten für Verzögerung des Rückbaus beim betreffenden AKW und anderen Atomkraftwerken des Konzerns sowie für die Vorhaltung in Reserve vom Staat übernommen werden.. [2] <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/220927-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=4>

Quellen

[1] tagesschau.de: Habeck hält AKW-Weiterbetrieb für nötig, 27.09.2022 <https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/habeck-akw-weiterbetrieb-105.html>

[2] Eckpunkte BMWK – E.ON – EnBW, 27.09.2022 <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/220927-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile&v=4>

[3] tagesschau.de: Wieviel Sprit ein Tempolimit spart, 10.04.2022 <https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/einsparpotenzial-tempolimit-101.html>

[4] welt.de: Goering-Eckardt offen für AKW-Streckbetrieb – Scholz will zweiten Stresstest abwarten, Stand 25.07.2022 <https://www.welt.de/politik/deutschland/article240099753/Energie-Krise-Goering-Eckardt-offen-fuer-AKW-Streckbetrieb-Scholz-will-zweiten-Stresstest-abwarten.html>

[5] br.de: SPD und Grüne in München für längere Laufzeit des AKW Isar-2, 21.07.2022 <https://www.br.de/nachrichten/bayern/spd-und-gruene-in-muenchen-fuer-laengere-laufzeit-des-akw-isar-2,TCDjnET>

[6] 50hertz.com: Historie, abgerufen am 15.09.2022 <https://www.50hertz.com/de/Unternehmen/Historie>

[7] Amprion.net: Anteilseigner <https://www.amprion.net/Amprion/Finanzen/Anteilseigner/>, abgerufen am 15.09.2022

[8] Tennet.eu: Unsere Geschichte <https://www.tennet.eu/de/ueber-uns/ueber-tennet/unsere-geschichte>, abgerufen am 15.09.2022

[9] EnBW: Jahresabschluss der EnBW AG 2021 <https://www.enbw.com/media/bericht/bericht-2021/downloads/jahresabschluss/jahresabschluss-enbw-ag-2021.pdf>

[10] 50 Hertz, Amprion, Tennet, TransnetBW: Abschlussbericht Sonderanalysen Winter 2022/2023, 13.09.2022 <https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/20220914-stresstest-strom-ergebnisse-langfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=16>

[11] grs.de: Streckbetrieb <https://www.grs.de/de/glossar/streckbetrieb>, abgerufen am 26.07.2022

[12] Niedersachsen Energieminister Lies warnt: AKW-Laufzeitverlängerung „völlig falsche Weg“, rnd.de, 30.08.2022 <https://www.rnd.de/politik/akw-laufzeitverlaengerung-niedersachsens-energieminister-lies-warnt-vor-fehler-PWUI6KVNHH4EHB2CZU4AHQRIGA.html>

[13] TÜV Süd: Kernkraftwerk Gundremmingen (KRB II) Block C, Kernkraftwerk Isar 2 (KKI 2) Bewertung der konkreten, erforderlichen technischen Maßnahmen für einen Weiterbetrieb des KKI 2 bzw. eine Wiederinbetriebnahme des Blocks C des KRB II, Auftrag vom 07.04.2022 <https://www.stmuv.bayern.de/themen/reaktorsicherheit/doc/tuev_stellungnahme.pdf>

[14] AKW-Betreiber spricht sich gegen Habeck-Plan aus, Süddeutsche Zeitung, 07.09.2022 <https://www.sueddeutsche.de/politik/atomkraft-deutschland-isar-2-reservebetrieb-1.5653018?print=true>

[15] Süddeutsche.de: Ein Ventil macht Ärger, 20.02.2022 <https://www.sueddeutsche.de/bayern/energie-atomkraft-streckbetrieb-isar-2-kernkraftwerk-1.5660745?print=true>

[16] Prof. Dr.-Ing. habil. Manfred Mertins: Bewertung zu Schäden durch Spannungsrisskorrosion an Dampferzeuger-Heizrohren im KKW Neckarwestheim 2 (GKN-II), Juni 2020 <https://www.atommuellreport.de/fileadmin/Dateien/pdf/Datenblaetter/Neckarwestheim/Gutachten_Bewertung_zu_Schaeden_durch_Spannungsrisskorrosion_an_Dampferzeuger-Heizrohren_im_GKN_II.pdf>

[17] Oda Becker, Adhipati Y. Indradiningrat: Atomstrom 2018 – sicher, sauber, alles im Griff? Studie im Auftrag des BUND, April 2018 <https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/atomkraft_studie_atomstrom_sicherheit.pdf>

[18] base.bund.de: Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke, Stand 26.07.2022 <https://www.base.bund.de/DE/themen/kt/ausstieg-atomkraft/laufzeitverlaengerung-faq.html>

[19] tagesschau.de: Verfahren gegen TÜV Süd wird ausgeweitet, 24.01.2022 <https://www.tagesschau.de/wirtschaft/klage-tuev-sued-dammbruch-brasilien-101.html>

[20] bmuv.de: Fragen und Antworten zur AKW-Laufzeitverlängerung, Stand 24.06.2022 <https://www.bmuv.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/nukleare-sicherheit/faq-akw-laufzeitverlaengerung>

Blackouts in der AKW-Debatte: Wie viel kostet Atomenergie wirklich?

Berliner Zeitung 28.09.2022

Eine Laufzeitverlängerung der deutschen AKW soll den Zugang zu kostengünstiger Energie verbessern. Unser Autor meint: Die wahren Kosten werden nicht genannt.

Achim Brunnengräber

In der Schweiz, nahe der deutschen Grenze zu Baden-Württemberg, soll ein Tiefenlager für sämtliche radioaktiven Abfälle gebaut werden, die im Land erzeugt wurden. So hat es die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) Mitte September 2022 bekannt gegeben. Bis das Lager gebaut sein wird, werden noch Jahrzehnte vergehen. Läuft alles nach Plan, soll die Einlagerung in Nördlich Lägern im Jahr 2050 beginnen; über 80 Jahre, nachdem das erste Atomkraftwerk (AKW) in der Schweiz Strom erzeugt hat. Im Jahr 2125 (!) soll es verschlossen werden. Für 100.000 Jahre soll das Tiefenlager dann, so sieht es der Plan vor, den strahlenden Atomabfall so sicher wie nur möglich vor den Menschen und der Umwelt abschirmen.Ortswechsel: In der Nacht zum 04. März 2022 ist in der Ukraine im Atomkraftwerk in Saporischschja nach Kampfhandlungen erstmals ein Feuer in einem Gebäude für Ausbildungszwecke ausgebrochen. Seither ist das AKW, das mit einem russischen Druckwasserreaktor ausgestattet und Europas größtes AKW ist, zum strategischen Kampfplatz im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geworden. Die russische und die ukrainische Regierung beschuldigen sich gegenseitig, das AKW und die umliegende Infrastruktur angegriffen zu haben. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) warnte Anfang September davor, dass sich das Risiko einer Nuklearkatastrophe „signifikant erhöht“ hat.

Haben beide Ereignisse etwas mit der Debatte in Deutschland über den Streckbetrieb, die Einsatzreserve oder die Laufzeitverlängerung von AKW zu tun? Auf den ersten Blick nicht. Die Debatte ist vor allem davon geprägt, dass vieles ungesagt bleibt (wie in dem Beitrag von Ulrich Waas, Berliner Zeitung vom 13. September 2022). Das hat System: Die jahrzehntelange und unerledigte Entsorgung des Mülls wird von der Atomlobby ebenso wenig thematisiert wie der Zusammenhang zwischen der vermeintlich zivilen und der militärischen Nutzung der Atomenergie (anders Ute Rippel-Lau von den Internationalen Ärzt:innen für die Verhütung des Atomkrieges in der Berliner Zeitung vom 21. September 2022).

Dagegen waren es doch fundierte Argumente, unvorhergesehene Katastrophen und immer wieder Zwischenfälle wie Leckagen, Brände oder Kurzschlüsse, die den Ausstieg aus der Atomkraft begründeten und nahelegten. Begleitet wurde dies stets von großem, gesellschaftlichem Engagement der Anti-Atom-Bewegung, die auf die Probleme und Gefahren immer wieder hingewiesen hat. Der Alterungsprozess von AKW schreitet weltweit voran und liegt im Durchschnitt bei über 30, in den USA sogar bei über 40 Jahren. Die Reaktoren der drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland, um die es geht, sind betagte 34 Jahre alt. Die letzten Sicherheitsüberprüfungen fanden dort 2009 statt. Zusammen genommen gab es in den drei verbleibenden Reaktoren 407 meldepflichtige Ereignisse.

Die wahren Kosten der Atomenergie werden verschwiegen

Letztlich besteht das Prädikat der Sicherheit nur so lange, wie kein Unfall eintritt. Frei von der Gefahr eines Super-GAUs werden AKW nie sein. Ob die Reaktorkatastrophe durch Baumängel und Bedienungsfehler (Tschernobyl 1986), einem heftigen Erdbeben und in der Folge eines riesigen Tsunamis (Fukushima 2011) oder durch Kriegshandlungen und Terrorismus verursacht wird (so die Gefahr am AKW Saporischschja); die Ereignisse haben eines gemeinsam: Sie machen uns die Unbeherrschbarkeit der Hochrisikotechnologie deutlich.

Zwar weisen die IAEO oder Sicherheitskommissionen darauf hin, dass solche Anlagen weder Ziel einer Drohung noch Ziel der Anwendung militärischer Gewalt werden dürfen. Wir erleben aber gerade, dass solche Warnungen im Kriegsfall null und nichtig sind. Auch von obertägigen Zwischenlagern für hochradioaktive Abfälle gehen vor diesem Hintergrund Risiken aus. Vorhaben für Tiefenlager in Finnland (Onkalo), Schweden (Östhammar), Frankreich (Bure) oder in der Schweiz (Nördlich Lägern) werden als Modellvorhaben angeführt. Sie sollen zeigen, dass die Entsorgungsfrage im Prinzip lösbar ist. Der Atommüll wird aber auch in diesen Ländern noch viele Jahrzehnte obertägig zwischengelagert werden.

Auch die Kosten werden im Zeitverlauf erheblich steigen – sie sind ebenfalls unberechenbar. Der Rückbau der AKW in Rheinsberg und Greifswald (Lubmin) sollte 2015 noch 4,2 Milliarden Euro kosten, danach wurden vom Rückbaubetreiber, den bundeseigenen Energiewerken Nord (EWN), 6,6 Milliarden veranschlagt. Aber auch diese Summe aus dem Jahr 2016 wird mit Sicherheit nicht ausreichen.

n der Schweiz lassen sich die Kosten auch nach Bekanntgabe des konkreten Standortes kaum beziffern. Nach einer Schätzung aus dem Jahr 2021 wird von 20 Milliarden Schweizer Franken ausgegangen. Für Kompensationszahlungen an die umliegenden Gemeinden in der Grenzregion sind 800 Millionen Franken im Gespräch. Niedrig ist der Preis für Atomstrom nur dann, wenn er nicht die ganze Wahrheit sagt – und auch andere Umweltkosten, wie sie etwa beim Uranabbau anfallen, verschwiegen werden.

Der Abbau geht außerdem mit der Vertreibung von indigenen Völkern, Brandrodungen oder der Verunreinigung von Grundwasser einher. Solche Ungerechtigkeiten gehören sowohl im globalen Süden (Brasilien oder Kasachstan) wie auch im globalen Norden (etwa Kanada) zur Atomenergie, kommen aber in den Bilanzen der Betreiberfirmen nicht vor.

Insgesamt 24,1 Milliarden Euro wurden von den deutschen AKW-Betreibern am 3. Juli 2017 auf die Konten einer öffentlich-rechtlichen Stiftung überwiesen. Die Stiftung verwaltet den „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ (KENFO). Ihr Ziel ist eine Vervielfachung der Rücklagen innerhalb dieses Jahrhunderts vor dem Hintergrund des für 2099 angenommenen Preisniveaus auf insgesamt 169,8 Milliarden Euro. Bei der Berechnung wurde von einem niedrigen Inflationsniveau von jährlich 1,6 Prozent (!) ausgegangen; derzeit liegt sie bei knapp 8 Prozent.

Jegliche finanziellen Risiken und Verantwortlichkeiten der zentralen Zwischen- und Endlagerung sind mit dem Fonds an die Gesellschaft übergangen; sie wurden vergemeinschaftet. Beim Neubauprojekt in Großbritannien, das immer teurer wird und dessen Fertigstellung dem Zeitplan weit hinterherhinkt, ist das nicht anders: Für Hinkley Point C hat die britische Regierung eine garantierte Einspeisevergütung für den erzeugten Strom über 35 Jahre und einen Inflationsausgleich zugesagt.

Ohne staatliche Subventionen würde auf der ganzen Welt kein einziges AKW mehr gebaut werden. Von Wirtschaftlichkeit und einer kostengünstigen Stromproduktion kann nicht die Rede sein. Schließlich lässt sich Atomstrom nicht CO2-frei erzeugen. Sicher, Atomstrom emittiert in der Erzeugung zwar im Vergleich zu Kohle- oder Gaskraftwerken weniger CO2, aber klimafreundlich ist er deshalb noch lange nicht. Die klimaschädlichen Emissionen entstehen besonders vor und nach der Stromerzeugung, etwa beim Kraftwerksbau sowie beim Rückbau, den umfangreichen Baumaßnahmen zur Zwischen- und Endlagerung sowie beim Transport der radioaktiven Abfälle.

Die Zukunft liegt in erneuerbarer Energie

Kommen wir zum Kernargument für den Streckbetrieb oder die Laufzeitverlängerung: Der Stromanteil aus den drei laufenden AKW betrug im 1. Quartal 2022 nur noch rund 6 Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland. Für die Wärmeversorgung der Haushalte, die mit Gas oder Öl heizen, bringt das nicht viel. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW schätzte das Potenzial der AKW, Gaskraftwerke in der Stromproduktion zu ersetzen, auf rund drei TWh, das entspricht 0,6 Prozent des Gesamtverbrauchs im Jahr 2020/21. Nach dem sogenannten Zweiten Stresstest liegt die Einsparung bei Gas nur im Promillebereich.

Warum also dieser Hype pro Atomenergie, der sich gegen den Ausstiegsbeschluss wendet, der nach jahrzehntelangen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen 2011 gefasst wurde und die Transformation in eine sichere und nachhaltige Energieversorgung einleiten sollte? Es handelt sich um das letzte Aufbäumen einer alten Denkschule, in der zentralistische Versorgungssysteme und insbesondere die Atomenergie langfristig gerettet werden sollen. In der Krise wird die Chance dafür gesehen. Von den verbliebenen Atomkraftlobbyisten wird dazu aufgerufen, alte Grabenkämpfe zu überwinden und für einen größeren Realitätsbezug plädiert.

Dagegen haben die Atomkraftgegner jahrzehntelang auf die Gefahren der Hochrisikotechnologie in Friedens- (vermeintlich zivile Nutzung), wie in Kriegszeiten (Atombombe) hingewiesen. Wir wären, hätte die Vernunft in den 1970/80er-Jahren gesiegt, heute in einer völlig anderen Situation. Damals wurde der profitable, aber höchst riskante „harte“ Weg des Zentralismus in der Energieversorgung gewählt, während Zukunftsforscher wie Robert Jungk bereits damals eindringlich auf den „sanften Weg“ (1980) hinwiesen: die größtmögliche und dezentrale Nutzung unerschöpflicher Energiequellen wie Solarenergie, Wind- und Wasserkraft oder Geothermie.

Vor allem junge Menschen sehen heute, dass dies eine Fehlentscheidung war. Aufgrund der Erfahrungen des Krieges, der die europäische Energiewirtschaft vor immense Herausforderungen stellt, und der technischen Möglichkeiten, die heute bestehen, muss dagegen die Energiewende vorangebracht werden. Das Primat der Energieunabhängigkeit und der Zukunftsfähigkeit müssen neben allen Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Vordergrund stehen.

Für den Übergang ins Zeitalter der erneuerbaren Energien sind AKW – gerade in Kriegszeiten und auch bei möglichen Versorgungsengpässen in Deutschland – im Wärmebereich völlig irrelevant. Je früher der Ausstieg erfolgt, desto weniger Aufgaben, Risiken und Kosten werden an nachfolgende Generationen überantwortet. Im Ausbau der erneuerbaren Energien liegt der Kern der Zeitenwende, nicht im Fortschreiben von Problemen, die ungesagt bleiben.

Achim Brunnengräber ist Privatdozent am Fachbereich Politik und Sozialwissenschaften der FU Berlin und leitet am Forschungszentrum für Nachhaltigkeit ein Teilprojekt des Forschungsverbundes TRANSENS – Transdisziplinäre Forschung zur Entsorgung hochradioaktiver Abfälle in Deutschland.

Das ist ein Beitrag, der im Rahmen unserer Open-Source-Initiative eingereicht wurde. Mit Open Source gibt der Berliner Verlag freien Autorinnen und Autoren sowie jedem Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten. Ausgewählte Beiträge werden veröffentlicht und honoriert.

Dieser Beitrag unterliegt der Creative Commons Lizenz (CC BY-NC-ND 4.0). Er darf für nicht kommerzielle Zwecke unter Nennung des Autors und der Berliner Zeitung und unter Ausschluss jeglicher Bearbeitung von der Allgemeinheit frei weiterverwendet werden.

Leserbrief von Harry Block

zum BNN Artiel vom 26.09.22 ‚Das lange Ende der Atomkraft‘

Rückbau der Atomanlagen in Karlsruhe

Man muss nicht an die Ostsee nach Lubmin reisen, um in einem Atomkraftwerk einen sicheren deutschen Arbeitsplatz zu suchen. Man findet einen solchen auch auf dem Gelände des Campus Nord des KIT. Der Rückbau der atomaren Versuchsanlagen am ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK) geschah früher in der Verantwortung des KfK und ging mit Zwischenschritten auf die staatliche Bundesfirma „Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH (KTE)“ mit rund 650 MitarbeiterInnen über. Die Milliarden-Gelder zum Abriss der Altanlagen stammen mehrheitlich vom Bund, mit einem geringen Landesanteil.

Obwohl seit 41 Jahren abgerissen wird, ist Ziel des Rückbaus bis zur „Grünen Wiese“ nicht erreicht. Stattdessen sind die Projekttermine ständig nach hinten verschoben worden und die Kosten haben sich dramatisch erhöht. Schon im Jahre 2015 hat der Bundesrechnungshof (BRH) die Kostensteigerungen stark kritisiert. Was wird abgerissen:

Mehrzweckforschungsreaktor MZFR: Bau: 4 Jahre – Betrieb: 19 Jahre – Rückbau: seit 38 Jahren;

Schneller Brüter/Kompakte Natriumgekühlte Kernanlage II: Bau: 8 Jahre – Betrieb: 17 Jahre – Rückbau: seit 31 Jahren;

Reaktor FR 2: Bau: 4 Jahre – Betrieb: 20 Jahre – Rückbau: seit 41 Jahren;

Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe WAK: Bau: 5 Jahre – Betrieb: 19 Jahre – Rückbau: seit 31 Jahren.

Neben den finanziellen Folgen der Atomnutzung – allein der Rückbau der WAK wird rund 5 Milliarden Euro kosten und soll bis 2063 beendet sein – fallen jede Menge radioaktive Abfälle beim Rückbau an. So lagern rund 65.000 Atommüllfässer in einem inzwischen fast voll gefüllten Zwischenlager für schwachaktiven Müll. Bisher wurden tausende von Fässern auf Schäden kontrolliert, und fast 2.000 rostende Fässer mussten umgepackt werden. Ein neues Lager ist geplant. Auch das Lager für mittelaktiven Atommüll ist nahezu vollständig gefüllt. Deshalb wurde für rund 40 Millionen Euro ein neues Lager mit 850 Kubikmeter Lagerfläche für diesen sehr strahlenden, aber nicht wärmeentwickelnden Atommüll gebaut. Dieses Lager wurde vor wenigen Wochen in Betrieb genommen und muss, sofern das geplante ´Endlager´ Schacht Konrad irgendwann vorhanden ist, natürlich danach auch wieder abgerissen werden.