Dokumentation der Mahnwache zum Fukushima Jahrestag am 11.03.22 Marktplatz Karlsruhe

Hallo Leute,

Danke, dass ihr dem Aufruf der Anti-Atom-Initiative Karlsruhe gefolgt seid und lasst uns gemeinsam dem Super Gau von Fukushima, mit seinen unzähligen Opfern, gedenken. Wir müssen alles tun damit so was nie wieder vorkommt.

Nach dem Desaster in Fukushima, die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl hatte ja nicht ausgereicht, hat Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie verkündet. Derzeit laufen in Deutschland noch 3 Reaktoren, das nächste AKW in Deutschland steht in Neckarwestheim. Diese 3 Atomkraftwerke sollen Ende 2022 endgültig abgeschaltet werde.

Und trotz dem Wissen, dass Atomkraft nicht beherrschbar und eine Risikotechnologie ist, hören die Rufe der Atomlobby nach Laufzeitverlängerung nicht auf. Die Wissenschaft legt es seit Jahrzehnten dar, Atomenergie ist gefährlich, extrem teuer und nicht sicher und auf keinen Fall nachhaltig.

Deshalb gibt es nur eine richtige Forderung – alle Atomkraftwerke sofort und weltweit abschalten.

Heute ist ein trauriger Tag, nicht nur wegen dem Angriffskrieg den Russland gegen die Ukraine führt. Und die Menschen in der Ukraine haben unsere Solidarität.
Aber heute war auch die Trauerfeier für Jochen Stay von ausgestrahlt, vielen in der Anti-Atom-Bewegung als Freund und Mitstreiter bekannt. Jochen wurde nur 56 Jahre alt, wir spüren seinen Verlust.
Und noch viel näher ist der Verlust von Renate Großmann-Kohl eine enge und wichtige engagierte Weggefährtin der Anti-Atom-Ini Ka und darüber hinaus – Renate ist nach schwerer und langer Krankheit verstorben – Renate wir vermissen dich.

Nun mache ich einen Schwenk zurück zur großen Politik.

Der Krieg gegen die Ukraine beschäftigt und bewegt uns alle. Die Anti-Atom-Bewegung wirft das Scheinwerferlicht auf die Atomaren Auswüchse dieses Krieges. Die Anti-Atom- Initiative Karlsruhe hat zum Fukushima Jahrestag im Angesicht der nuklearen Gefahr, folgende Pressemitteilung herausgegeben:

Aufruf der Anti-Atom-Initiative Karlsruhe, BI „Müll und Umwelt“ und BUND Ortsverband Karlsruhe zur Mahnwache am Fukushima-Jahrestag 11.März:

Ob Super-GAU, Störfall oder „nur“ Beinahe-Katastrophe – jedes dieser Vorkommnisse führt uns klar vor Augen: Atomkraft ist nicht beherrschbar. Jedes AKW in jedem Land kann an jedem Tag die nächste Atom-Katastrophe verursachen.

Große Sorge bereitet uns, dass seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine das Personal am ehemaligen ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl von der Außenwelt abgeschnitten ist. Die 200 Mitarbeiter_innen in Tschernobyl arbeiten seit 14 Tagen ohne Ablösung, wo normalerweise 2000 Menschen in rotierenden Schichten arbeiten. Die Stromversorgung in das Atomkraftwerk ist zusammengebrochen. Die Überwachungssysteme der Atomruine übermittelten inzwischen auch keine Daten mehr an die internationale Atomenergieagentur (IAEA), wie deren Chef Rafael Grossi mitteilte.

Wie dramatisch die Situation ist, zeigt die Aussage des ukrainischen Außenministers Kuleba: Strahlungslecks stünden unmittelbar bevor. „Dieselgeneratoren könnten den Stromausfall nur 48 Stunden lang kompensieren. Danach werden die Kühlsysteme für abgebrannten Kernbrennstoff abgeschaltet“, schrieb er auf Twitter.

Bankwatch network schreibt dazu: „Planmäßige Tätigkeiten, Wartungs- und Reparaturarbeiten an Systemen und Ausrüstungen der Anlagen des AKW Tschernobyl, die vom Tagespersonal durchgeführt werden müssen, können seit dem 24. Februar 2022 wegen der Besetzung nicht mehr durchgeführt werden.

Auch der Beschuss des größten europäischen Atomkraftwerk Saporischschja in der Ukraine bestürzt uns und zeigt uns, dass Atomkraft gefährlich, unsicher und jederzeit angreifbar ist.

Unsere zentrale Forderungen:
Stopp der zivilen und militärischen Nutzung der Atomenergie!
Nein zu Krieg! Ja zu Frieden
!
Wir setzen ein Zeichen für die sofortige Abschaltung aller Atomkraftwerke.

Rede von Harry Block zum Fukushima-Jahrestag am 11.03.2022 in Karlsruhe:

Ich bin fassungslos, dass ich am Fukushima-Jahrestag, während ein fürchterlicher menschenverachtender, menschenmordender Angriffskrieg Putins auf die Menschen der Ukraine stattfindet, hier was zu Atom sagen soll. Innerhalb von 14 Tagen hat sich mein gesamtes politisches Denken von 50 Jahren auf eine kleine Insel reduziert. Ich bin zutiefst betroffen vom menschlichen Leid und tief besorgt, dass es noch schlimmer werden könnte. Ich muss zum ersten Mal in meinem Leben von einer realen externen kinetischen Aktivität reden. So nennen die Fachleute der IAEA den direkten Beschuss oder einen zufälligen Treffer durch eine verirrte Bombe oder Rakete auf einen Atomreaktor.

Am 1. Mai 1986 stand ich mit anderen genau hier an diesem Platz und warnte vor einer radioaktiven Wolke, die uns aus der Ukraine treffen würde. Wenige glaubten uns damals; um 14 Uhr ergoss sich diese Wolke der Atomexplosion in Tschernobyl in einem Gewitterregen über Karlsruhe. Und diese radioaktive Wolke verbreitete nach 4 Tagen radioaktives Material über ganz Europa.

Und heute: Die Ukraine hat 15 russische Atomkraftwerke des Typs Tschernobyls 1+2 …
Das ukrainische Atomkraftwerk Tschernobyl ist seit der Einnahme durch russische Einheiten zunehmend von der Außenwelt abgeschnitten. Wie Anete eben gesagt hat, wir wissen nichts über den Zustand der stillgelegten Atomanlage. Es ist der schlimmste Fall für ein stillgelegtes Atomkraftwerk eingetreten. Es hat keinen Strom mehr für die Kühlung, um die dort existierenden Brennelemente-Lager zu kühlen, weil die Stromleitungen zerstört sind.

Das wäre auch in Philippsburg ein Problem, weil drei Jahre nach der Stilllegung die Brennelemente noch gekühlt werden müssen. Nur für dieses im Vergleich zu Tschernobyl kleinen Brennelemente-Lager werden 30 MW gebraucht – das ist der Verbrauch von 10.000 Haushalten. Es sind die riesigen Zwischenlager mit abgebrannten und damit hochradioaktiven Brennstäben an den Anlagen, die nicht zu heiß werden dürfen, weil sie sonst platzen und die in ihnen vorhandenen hochradioaktiven Stoffe in die Atmosphäre freigeben.

Wir stehen heute hier, weil ein starkes Erdbeben mit nachfolgendem Tsunami am 11. März 2011 zu den verheerenden Folgen führte, dessen Ursache in der Zerstörung und dem Ausfall der Notstromdiesel durch diesen Tsunami lag. Die nukleare Kettenreaktion in den zu diesem Zeitpunkt betriebenen Reaktorblöcken 1 bis 3 wurde durch Schnellabschaltung gestoppt. In den Blöcken 1 bis 4 fiel zusätzlich die Notstromversorgung langfristig aus. Somit fehlte diesen Blöcken die Energieversorgung für die Kühlung der Brennelemente in den Reaktorkernen und den Brennelemente-Lagerbecken, die auch nach der Reaktorschnellabschaltung erforderlich ist. In den Blöcken 1, 2 und 3 des Kernkraftwerks kam es zum Ausfall der Kernkühlung sowie der Kühlung der Brennelemente-Lagerbecken. Dies führte zur Überhitzung der Reaktorkerne und in der Folge zum Schmelzen von Kernmaterial, Entstehung von Wasserstoff und dann zu der Explosion erst von Reaktor 1 am 12. März, 2 Tage später zur Explosion in Reaktor 2 und vier Tage von Reaktor 3. Grund war immer, dass die Brennelemente nicht mehr gekühlt werden konnten, weil die Notstromdiesel ausgefallen waren.

Russische Streitkräfte haben schon vergangene Woche auch das größte Atomkraftwerk Europas, Saporischschja, angegriffen und eingenommen. Dabei war ein Brand auf dem Gelände ausgebrochen. Die IAEA hatte erklärt, dass zwei der sechs Reaktoren dort noch in Betrieb seien, dass das Personal der Anlage im Schichtbetrieb arbeite und die Strahlungswerte stabil blieben. Alle diese Reaktoren haben 30 Jahre Laufzeit schon hinter sich und wurden zwischen 10 und 20 Jahre verlängert. Ich will mir nicht vorstellen, wenn es bei den Reaktoren zu einer Schnellabschaltung kommt, der Reaktorkern von 5 Reaktoren und riesigen Brennelemente-Abklingbecken gekühlt werden muss. Und dies in einem Land, wo jetzt schon wenig Strom vorhanden ist, kein Bor zur Steuerung der Kernspaltung und schon gar keine Ersatzteile vorhanden sind.

Eben wurde von Reuters der Beschuss eines nuklearen Forschungszentrums in Charkiw mit einem laufenden Forschungsreaktor gemeldet.
Nicht nur wir sind von Gas, Kohle und Erdöl-Lieferungen betroffen. Für einige Staaten in Osteuropa gehen ohne die Russen die Lichter aus, wenn sie kein russisches Uran mehr bekommen.
In der Slowakei laufen vier Reaktoren, zwei weitere sind im Bau. Tschechien hat 5, Ungarn 4, 2 im Bau, Bulgarien hat 2. Und alle sind russische Anlagen und auf Brennstoff aus Russland angewiesen, wie der Sonderflug am Dienstag zeigt – denn tatsächlich ist der Import von Kernbrennstoffen von den Sanktionen der EU gegen Russland ausgenommen, wie eine Sprecherin der EU-Kommission auf Anfrage bestätigt.

Wir stehen hier mit der Forderung, diesen für die Menschen der Ukraine verheerenden, völkerrechtswidrigen Krieg Putins sofort zu beenden. Und alle Atomkraftwerke sobald als möglich, nicht nur in der Ukraine, vom Netz zu nehmen. Atom bedeutet dual use. Die friedliche Atomnutzung ist nicht von der militärischen zu trennen. Und Putin hat die Atomwaffen schon ins Spiel gebracht, als er deren Alarmstufe hinaufsetzte. Deshalb fordern wir, die Atomwaffenverhandlungen sofort wieder aufzunehmen. Dass wir als Anti-Atom-Gruppen dabei am Fukushima-Tag den Schwerpunkt auf das Problem der Atomkraftwerke und der Atomwaffen legen, ist für die Menschen in der Ukraine sicherlich in ihrer Apokalypse von untergeordneter Bedeutung, aber leider gehört auch das zur fürchterlichen Realität eines Krieges in Europa mit 105 laufenden Atomreaktoren.