Vortrag zum Thema Atompolitik

vom 13.08.22, Anete Wellhöfer

Das Thema Atompolitik ist riesengroß und Abend füllend. Ich hab mich jetzt auf einen kleinen Input beschränkt und zeige kurz einige Etappen der Anti-Atom-Bewegung auf und Punkte beim Thema Laufzeitverlängerung was ja derzeit sehr brisant ist.

Agenda:
– 50 Jahre Atompolitik im Schnelldurchlauf
– Beispiele für Widerstand
– Argumente gegen Laufzeitverlängerungen
– Zum Atomausstieg fehlt noch was

Geschichte und Widerstand:
Vor 50 Jahren entstand die Anti-Atom-Bewegung in Westdeutschland. Geplant waren mal 600 AKWs in Deutschland zu bauen, es wurden dann 37 Leistungsreaktoren gebaut und heute gibt es noch 3 AKW.
Ohne den Widerstand auf der Straße würde die Situation ganz anders aussehen.

In den 70er Jahren wehren sich die Menschen mit z.B großen Bauplatzbesetzungen, mit viel Erfolg, gegen den Bau von Atomanlagen. 1975 gab es in Wyhl BaWü die erste überregional beachtete Auseinandersetzung. Einer der Slogans: „Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv“. Erst 1994 wurde das Projekt aufgegeben. Zu Wyhl gibt es einen guten Film, „Nai hämmer gsait“.

Mitte der 70er Jahre hat die Politik und die Atomindustrie das Wendland/Gorleben als Atomklo bestimmt. Dort sollte in einem Salzstock der Atommüll der Nation endgelagert werden und eine Wiederaufarbeitungsanlage war geplant, aber der Protest war zu stark.

In den 80er Jahren wird die Anti-Atom-Bewegung zur gesellschaftlichen Mehrheit. Die erneuerbaren Energien entwickeln sich von Garagen-Bastlern zu einer Branche. Mitte der 80er, Jahre Kampf gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf/Bayern.
1986 Reaktorkatastrophe Tschernobyl. Danach wurden keine neuen AKWs mehr geplant.

In den 90er Jahren heftige Kämpfe in Gorleben u.a. bei den Castor Transporten. Zusammengehen der Anti-AKW und Friedensbewegung. 1994 – 98 ist Merkel Umweltministerin. Ab 1995 Castortransporte.
1998 werden die Castortransporte vorübergehend gestoppt. In den 90er Jahren werden auch viele Strommasten aus Protest gefällt.

2000 rot-grüner „Atomausstieg“ Atomkompromiss. Für 2000 – 2005 waren 500 Castortransporte geplant, Dank des massiven Protestes wurde nur die Hälfte durchgeführt. 2008 Gründung von .ausgestrahlt.

Ein paar Beispiele von Demos in 2010 und 2011, damals war die Anti-Atom-Bewegung stark.
– 2008 Gorleben, 16.000 Menschen protestieren, Ergebnis: 24 Std. Verspätung für den Zug.
– April 2010 Menschenkette entlang der Elbe mit 120.000 Teilnehmenden
– Zeitgleich, Demo in Biblis mit 8.000 Menschen
– Sept. 2010, 100.000 in Berlin
– Zeitgleich, 50.000 in München
– dezentraler Castor Aktionstag mit 23.000 Menschen
– Okt. 2010, Laufzeitverlängerung durch schwarz-gelb
– Nov. 2010, 50.000 Menschen beim Castor im Wendland

11.03.2011 Fukushima Super Gau, danach Änderung des Atomgesetzes durch schwarz-gelb, es wurden 8 AKW abgeschaltet und 9 liefen weiter.

Protest für den Ausstieg
– 12.03.2011, 60.000 bei Menschenkette in Stuttgart
– 13.03.2011, 100.000 bei Mahnwachen im ganzen Bundesgebiet
– 26.03.2011, 250.000 in 4 Städten

30.06.2011, schwarz-gelber Atomausstieg, bis 2022

In all diesen Jahren gab es viele Skandale zu dem Thema. Die Recherchen der Anti-Atom-Bewegung haben viele davon ans Licht gebracht.

Zwischen 2015 und 2019 wurden 3 AKW abgeschaltet. Ende 2021 wurden weitere 3 AKW abgeschaltet und Ende 2022 sollen die letzten 3 AKW abgeschaltet werden. Dabei handelt es sich um Lingen im Emsland, Neckarwestheim in BaWü und Isar in Bayern.

Und nun in 2022 stehen wir vor einer evtl. Laufzeitverlängerung. Diese bahnte sich schon in den letzten 4 Jahren an. Gebetsmühlenartig forderten Wirtschaftsvertreter*innen und Politiker*innen von CDU/CSU und FDP den Weiterbetrieb. Die Meinung der AfD lasse ich außen vor. Die Strategie, nicht die AKW Betreiber*innen sondern Politik und Wirtschaft fordern die Laufzeitverlängerung.

Derzeit ist von Streckbetrieb und Laufzeitverlängerung die Rede. Den Streckbetrieb haben die Grünen erfunden, da geht es um Wochen bzw. Monate. Laufzeitverlängerung, also den Weiterbetrieb um mehrere Jahre fordern CDU/CSU und FDP.

Die 4 Atomkonzerne in der BRD: RWE, E.on, Vattenfall und EnBW (KA)

Was spricht gegen den Weiterbetrieb:
– Hochrisikotechnologie, Super Gau Gefahr, die AKWs sind alt, die Gefahr eines Unfalls steigt
– Uranabbau; fossiler Brennstoff Uran ist nicht unbegrenzt verfügbar; Naturzerstörung und Umweltverschmutzung; Import aus Russland, Kasachstan, Namibia, …
– Abhängigkeit von russischem Uran bleibt. Fast die Hälfte des in der EU eingesetzten Atombrennstoffs stammt aus Russland.
– Lagerung und Endlagerung von Atommüll mittel und hochaktiv ungelöst.
– Atomkraft kein Weg aus der Klimakrise, längere Laufzeiten blockieren erneuerbare Energien.
– Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe, der BUND und andere halten den Weiterbetrieb für rechtswidrig und sie haben Klagen wegen Staatshaftung angekündigt. (Gewinne privatisieren und Risiken verstaatlichen geht gar nicht.) Das Atomgesetz müsste im Bundestag geändert werden. Ohne Gesetzesänderung ist am 31.12.22 Schluss.
– Vertrag zwischen Bundesregierung und Atomkonzernen. Entschädigung 2.3 Mrd. € bei Stilllegung bis 31.12.22.
– Thema Brennelemente die erst noch bestellt bzw. gefertigt werden müssen, das geht nicht auf die Schnelle und fehlendes Personal.
– Wir haben einen Gasmangel, Wärme fehlt uns im Winter. Wir haben keinen Strommangel. Wir exportieren Strom nach Frankreich, weil die Hälfte ihrer AKWs derzeit abgeschaltet sind. Frankreich hat defekte AKW und zu wenig Wasser in den Flüssen.
– Sicherheitsmängel der 3 alten AKW, die letzte Sicherheitsprüfung liegt 13 Jahre zurück. Periodische Sicherheitsprüfung alle 10 Jahre, fällig 2019. Wurde wg. Abschalttermin zurück gestellt. Müsste bei Weiterbetrieb, auch Streckbetrieb, nachgeholt werden, kann bis zu 2 Jahren dauern und kostet Mio.
– Umweltverträglichkeitsprüfung müsste gemacht werden, vor dem Weiterbetrieb.
– Thema Krieg, Flugzeugabstürze, Terror- und Cyberangriffe. Deutsche Atomkraftwerke sind nicht dagegen geschützt.
– Haftung und Risiken bei Weiterbetrieb, die Konzerne lehnen Haftung ab.

Zum Atomausstieg fehlt noch was, denn es gibt noch folgende Themen:
– EU Taxonomie, Gas und Atom sind nun angeblich nachhaltige Energien
– Neue Atomreaktoren z.B. SMR, Thorium, 4. Generation
– Reaktorforschung in KA am KIT und JRC
– Der weiterbetrieb der Brennelementefabrik in Lingen und der Urananreicherungsanlage in Gronau
– Forschungsreaktor in Garching/Bayern
– Euratomvertrag
– Uranabbau
– Militärische Nutzung; Ohne Militär keine zivile Nutzung ohne zivile Nutzung keine militärische (Macron)

Ein weiteres ungelöstes Problem ist der Atommüll. U.a. Atommüllhalden in den „Zwischen“lagern in der gesamten Republik. Das ist ein großes eigenständiges Thema.

Wir brauchen:
– Systemwechsel
– Ausbau regenerativer Energien
– Dezentrale Systeme
– Effiziente Systeme
– Energieeinsparungen

Tipps für Veröffentlichungen, Magazine, Reader, Bücher, …
– Uran Atlas – Daten und Fakten über den Rohstoff des Atomzeitalters
– .ausgestrahlt Magazin
– Zeitschrift: Anti Atom Aktuell
– Broschüre: AKW-Abriss – versteckt-verteilt-verharmlost
– Buch: Strategische Einbindung – Von Mediation, Schlichtungen und runden Tischen … wie Protestbewegungen manipuliert werden
– Buch: Die Mitmachfalle – Bürger*innenbeteiligung als Herrschaftsinstrument