Erörterungstermin zu GNK 2

Eingangsstatement von Harry Block
bezüglich der Erteilung der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung (SAG) für das Kernkraftwerk Neckarwestheim 2 nach § 7 Absatz 3 des Atomgesetzes, am 27.11.2018


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitbetroffene, 
andere kritische Menschen und ich haben ein Buch über die Strategische Einbindung von Initiativen bei Erörterungen wie dieser und Mediationen geschrieben.
Diese Mitmachfalle hat nun Dr. Dieter Kostka in seiner Expertise zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Standortsuche für ein langfristiges Atommüll-Lager nochmals aufgearbeitet.
Ich werde im Folgenden seine und meine Anmerkungen zu diesem Verfahren vortragen, deren Einschätzung man dann im Ergebnis überprüfen kann.

 „Beteiligt sein“ ist für viele Bürger*innen ein wünschenswerter Zustand. Aktuell hat das Umweltministerium einen Preis für vorbildliche Umweltbeteiligung gewonnen. Aber den würden sie für dieses Verfahren bestimmt nicht erhalten. Denn heute geht es nicht um belangloses Energie-Bla-Bla für eine völlig nebulöse Energiezukunft sondern um den konkreten,umstrittenen Abriss eins noch 4 Jahre im Betrieb befindlichen Atomkraftwerks.

Idealerweise wird mit Beteiligung verbunden, dass man nicht nur seine Sicht der Dinge mitteilen darf. Es gehört dazu, dass wir als kritische Masse der Atomkraftgegner*innen, die sich oft schon seit Jahrzehnten um die Atomkraftwerke besorgt kümmern, als Personen oder Verbände nicht nur als Staffage und Requisite dazugehören. Dass man auf Augenhöhe behandelt wird und sich entsprechend einbringen kann, wird allein durch die technische, juristische und wissenschaftliche Übermacht der Antragstellerin verhindert, die sich viele Monate gegen Entgelt nur mit diesem Verfahren beschäftigen. Trotzdem gehört zum Idealbild, dass unsere Meinung substanziell gehört und anerkannt wird, selbst dann, wenn Sie als Genehmigende, die letztlich zu entscheiden haben, unsere Einwendungen im Ergebnis nicht teilen. Das kostete Sie und uns Zeit und manchmal auch Nerven, ganz abgesehen davon, dass ja nicht alle Menschen so intensiv beteiligt sein können und dann zwangsläufig die sensible Frage entsteht, wem dieses Privileg dann im Einzelfall zuteil werden kann, falls er/sie wie ich heute überhaupt Zeit hat, hier zu erscheinen.

Sie müssen sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ja nicht überlegen, wen Sie und wann zwecks„Beteiligung“ kontaktieren. Sie setzen es ins Amtsblatt –fertig. Sie müssen nur die erhaltenen Reaktionen irgendwie zu einer Tagesordnung, die wir nun vorgelegt bekommen haben, verarbeiten. Das haben Sie hier wie immer kurzfristig gemacht. Sie orientieren sich an Rechtsnormen, an politischen Vorgaben Ihrer Vorgesetzten, an Erfahrungen der anderen Erörterungen, auch aus anderen Behörden und an Erkenntnissen und Empfehlungen Ihrer handverlesenen Expert*innen. Es geht Ihnen rechtlich letztlich nicht darum, uns, die beteiligt wurden, zu verstehen, oder gar darum, unsere Bedenken auszuräumen bzw. unsere Einwände zu erfüllen, die wir im Rahmen der Beteiligung an Sie herangetragen haben. Es geht Ihnen nur darum, uns, die man formal beteiligen muss, Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu äußern, und diese Äußerungen im weiteren Verfahren zu „berücksichtigen“. „Berücksichtigen“ bedeutet dabei allerdings nur, sie in irgendeiner Weise zu verarbeiten, das heißt, Sie können sie nicht unbesehen völlig ignorieren und in die Rundablage – sprich Papierkorb – legen. Sie sind Ihnen, und das zeigen die bisherigen zwei Abrissgenehmigungen, aber eigentlich wurscht. Denn um unsere Einwände zu killen, reicht es vollkommen aus, der Berücksichtigungspflicht im Anhang der Genehmigung Genüge zu tun. Es ist zwar nicht verboten, über dieses formale Minimum an Beteiligung hinaus intensiver und unter Umständen auch mit unseren Gutachtern verständnisvoll auf uns zuzugehen. Aber bei einem teuren Konfliktthema, wie hier der Abriss eines Atomkraftwerkes, das noch über Jahre uns in unserem Leben bedroht, zieht man sich aber rasch auf dieses formale Minimum zurück. Alternativlose Bastapolitik!

Wir Bürgerinnen empfinden das heutige Beteiligt-Werden nicht als freundlichen Akt der Anerkennung, sondern als hoheitliche Gnadengeste des Staates. Auch bei uns gab es jedoch mal bei GRÜNEN Hoffnung. Der heutige Umweltminister sah die Gefährlichkeit der Niedrigstrahlung noch so wie ich. Heute sagt er zu mir in der Öffentlichkeit der Infokommission in Philippsburg: Harry halts Maul!

Damals war ich der Ansicht, da interessiert sich anscheinend jemand, der etwas zu sagen hat, für meine Meinung, meine Erfahrungen oder meine Anliegen. Man möchte mich anhören! Damit war bei mir anfangs die Hoffnung verbunden, ausdrücklich, dass meine/unsere Beteiligung den weiteren Verlauf und auch das Ergebnis des Verfahrens in meine/unsere Richtung beeinflusst – das war aber keineswegs der Fall. So wird aus Hoffnung Verdruss. Oder wie es der Ministerpräsident dieses Landes sagt: ANgehörtzu werden heißt nicht, dass man GEhört wird oder gar ERhört.

 In allen bisherigen Verfahren wurde über weite Strecken nicht wirklich ZUgehört, sondern die geäußerten Meinungen von uns werden nur gesammelt, gesichtet und nach bestimmten Rastern hoheitlich nach Gesetzesvorgabe ausgewertet; unsere Einwände werden allenfalls zu Spiegelstrichen in Tabellen von Soziologen, die solche Veranstaltungen zu Masterarbeiten und Doktorarbeiten verwursteln, um uns beim nächsten Mal noch besser über den Tisch ziehen zu können. Wir, die dahinter stehenden Bürger*innen, interessieren erst einmal nicht.

 Es kann freilich durchaus vorkommen, dass man dabei an einen interessierten und aufgeschlossenen Sachbearbeitenden in der Beteiligungsbehörde gerät, der oder die beim Sichten der Meinungen nachdenklich wird, wie z. B. Herr Dr. Scheitler, und manche Aspekte in einem behördeninternen Entwurf vielleicht sogar tatsächlich aufgreift.

Wir konnten dies in einem Fall sogar aus den Akten nachweisen und der Öffentlichkeit mitteilen, als es um die Genehmigung der Verbrennung von 100 Prozent Müll in Zementwerken ging, und natürlich wurde aber auch dort letztlich politisch so entschieden, wie die Betreiber es wollten. Das Emissionsschutzgesetz für Müllverbrennungsanlagen wird für Zementwerke in Teilen außer Kraft gesetzt. Die unglaubliche Rolle der Behörden im Dieselskandal ist ja auch jedem präsent, und die Ankündigung der Kanzlerin, an den Grenzwerten herumzudoktern, geht in die gleiche industriefreundliche Richtung.

Unsere Argumente, fließen dann manchmal als kleine Tröpfchen in den großen „Argumente-See“ des Beteiligungsverfahrens.
Über das Umgehen damit wird aber am Ende summa summarum doch politisch entschieden – egal wie weit Sie dies auch von sich weisen. In der Genehmigung finden wir uns im Anhang auf vielen Seiten letztlich immer mit dem folgenden lapidaren Satz abgewehrt: „Der Bewertungsmaßstab für diese Sicherungsaspekte orientiert sich am gültigen gesetzlichen und unter gesetzlichen Regelwerk.“ Die EnBW ist eine fast 100prozentige Tochter des Landes oder von Landkreisen. Das hat mehr als nur ein Geschmäckle. Bei hartnäckigeren oder tiefer gehenden Beiträgen im Beteiligungsverfahren wird man wortkarg. Auf die bis heute völlig ungeklärte Frage des Bundesamtes für Strahlenschutz nach der andersartigen Radionuklid-Abgabe in die Atemluft beim Abriss, die ich bei KKP 2 schon gestellt habe – reicht es unterdessen, den jeweiligen Beteiligten sagen zu können: „Was wollt ihr denn noch? Wir haben euch doch schon beteiligt“!

Außenstehenden dann noch zu verdeutlichen, dass einem die Art, wie man beteiligt wurde, aber nicht ausreicht, weil man eben nur ANgehört, aber nicht GEhört wurde, fällt sehr schwer. So entsteht bei den Medien und der Bevölkerung leicht der Eindruck von uns Umweltschützern als quengelige Nimmersatte. Originalton draußen: Die sollen endlich die Klappe halten und sich mal nicht mehr so anstellen. Und das entwertet in der öffentlichen Debatte dann auch die besten Argumente. Das ist für den Vorhabenträger, der sein Projekt durchbringen möchte,recht vorteilhaft, für uns Projektkritiker*innen ein Ansehensverlust!

Als Trotzreaktion kann es dann wiederum zu erneutem Widerstand kommen, gemäß dem Merksatz des Kommunikationspsychologen Schulz von Thun: „Wer sich nicht erhört fühlt, benimmt sich UNerhört!“

Wir aus den BIs und Umweltverbänden sind die Mittler, die eine repräsentative Demokratie für gesellschaftlichen Widerstand und nachhaltige Zukunftsentwicklung braucht. Wir benennen unsere erkenntnisleitenden Interessen schon in den Scopingterminen. Ja, natürlich haben wir sicher eine völlig andere Einschätzung durch unsere Wissenschaftler bezüglich der Wirkung von Radioaktivität auf Lebewesen. Wir arbeiten aber nicht mit fake news à la Trump oder AfD. Sind wir Organisierte ausgeschaltet, wie es zur Zeit in Frankreich sich ereignet, dann herrscht das Anarchische, dann nützt auch keine cremige GRÜNEN-Politik mehr, dann haben die Polit-Eliten und unsere Wirtschaft in diesem Land ein echtes Problem.

Diese Erörterung ist in ihrer praktischen Ausgestaltung und in der Verbindlichkeit ihrer Ergebnisse völlig offen, letztlich belanglos, weil heute ja niemand hier im Raum weiß, wie der Abriss vonstatten geht und welche Probleme dabei noch auftauchen werden.

Wie immer gibt es keine Gesamtschau über den Gesamtstandort.
Der wesentliche Teil, die Behandlungsanlage, ist ein schwarzes Loch. Da kann man ja nicht alle Eventualitäten – vorab überhaupt nicht, weder als Behörde noch als Einwender*in – vorhersehen. Es lässt sich also nichts im Detailregeln, wie wir vom BUND es bei sonstigen Planfestellungsprojekten kennen. Die Genehmigung lässt daher dem Antragsteller EnKK alle Spielräume. Genau deren Ausgestaltung wäre dann zwar strittig. Sie werden aber heute, da sie ja in keiner Weise bekannt sind, auch nicht erörtert. Die Genehmigung – der Persilschein – liegt heute eigentlich schon vor.

Ergo, der Abriss und seine gesamten Folgen werden die Gesundheit nicht nur der regionalen Bevölkerung über Jahrzehnte noch beeinträchtigen. Das laufende Atomkraftwerk wird noch vier Jahre nicht nur diese Region bedrohen.
Damit ich mich aber nicht in einem Verfahren aus Besorgnis daneben benehme, mich also unerhört verhalte, wünschen ich Ihnen damit einen „Schönen Tag“.